2024-05-02T16:12:49.858Z

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„Wir müssen uns nicht kleinmachen - auch nicht gegen Real“: U-19-Coach Sebastian Hoeneß. Foto: Sven Leifer
„Wir müssen uns nicht kleinmachen - auch nicht gegen Real“: U-19-Coach Sebastian Hoeneß. Foto: Sven Leifer

Sebastian Hoeneß: "Ich möchte Horizonte erweitern"

U19-Coach des FC Bayern im Interview

Sebastian Hoeneß, Juniorentrainer des FC Bayern, über das Duell seiner U19 mit Real Madrid (, das Beste aus zwei Welten, Pep Guardiolas Detailversessenheit und seinen Nachnamen

Heute um 18 Uhr empfängt die U 19 des FC Bayern auf dem Campus Real Madrid zum Achtelfinale in der Youth League (Eintritt frei). Nie zuvor kamen die Münchner so weit. Im Interview erläutert Coach Sebastian Hoeneß (35) die Chancen seiner Elf.

So ein Duell mit Real Madrid – ist man da, Hand aufs Herz, mal nervös?

Ja, das brauche ich nicht zu leugnen. Der FC Bayern war noch nie im Achtelfinale der Youth League, der Name Real Madrid steht für sich – die Dimensionen dieser Partie sind für jeden von uns beeindruckend. Vor unserem ersten Youth-League-Spiel gegen Anderlecht hat es bei mir aber auch schon gekribbelt. Das geht bis zum Anpfiff so. Ab da kann ich mich dann aber voll aufs Coachen konzentrieren.

Ihr Team ist eines der jüngsten im Wettbewerb. Das individuell stark besetzte Paris schlugen Sie 3:1. Dazu gab es ein 6:2 gegen Glasgow. Was ist von Ihrem Team in der Youth League noch zu erwarten?

Wir haben in der Gruppe kein Spiel verloren und wurden Erster – da muss man dieser Mannschaft ein Riesenkompliment machen. Gerade die erste Halbzeit gegen Paris war das Beste, was wir diese Saison gezeigt haben. Wir haben 45 Minuten dominiert. Das war genau der Fußball, den wir uns vorstellen, aggressiv und mutig. Ich werde jetzt keinen Druck aufbauen – aber wir müssen uns nicht kleinmachen, auch nicht vor einem Duell mit Real.

Wie gehen Sie dieses Spiel gegen Real an?

Im Sommer haben wir sie bei einem Testturnier 1:0 geschlagen – allerdings hat Real am Ende das Turnier gewonnen. Von der Leistungsstärke her sind beide Teams ähnlich gut. Es gilt das Gleiche wie bei den Profis in so einem Fall: Nuancen und Tagesform geben da den Ausschlag. Es gibt keinen klaren Favoriten. Wir müssen da sein, Nerven bewahren und uns an unseren Plan halten. Bei Bayern muss ich von einem Talent verlangen können: Egal, ob gegen Real oder Fürth: Du musst deine Aufgaben erfüllen.

Spiel auf Augenhöhe?

Ja. So selbstbewusst können und sollten wir als FC Bayern auch sein. Auch gegen Real.

Der Heimvorteil ist ein kleiner Vorteil. Es gab am neuen FC Bayern Campus schon eine Serie von acht Heimspielsiegen.

Ja, das stimmt. Das Ambiente beflügelt, mein Team ist hier schnell heimisch geworden. In der Youth League haben wir hier alle Spiele gewonnen.

Sie waren bis zum Sommer vier Jahre bei RB Leipzig; während Ihres Fußballlehrers erst als Scout, dann als Juniorencoach. Leipzig wird als stilbildend im Nachwuchs gelobt – wo steht der FC Bayern im Vergleich?

Beide sind absolut top in Deutschland, vermutlich sogar in Europa. Beide Standorte bieten einem alles, was man braucht. Der Campus ist größer als das Areal in Leipzig, und da er zwei Jahre später gebaut wurde, noch moderner. Aber die Bedingungen in Leipzig sind ebenfalls sehr gut.

Leipzig hat eine durchgehende Philosophie in allen Juniorenteams. Hinkt der FC Bayern noch hinterher, den Campus mit Leben und Ideen zu erfüllen?

Nein. Es gibt hier schon eine gute Basis. Mit dem Ballbesitzfußball haben wir eine Philosophie, die einfach die des FC Bayern sein muss. Denn der FC Bayern darf kein Verein sein, der dem Gegner den Ball überlässt und nur reagiert, indem er auf Fehler wartet. Wir wollen aber im Spiel gegen den Ball trotzdem noch an einer einheitlichen Philosophie arbeiten. Die Aufgabe wird sein, unsere Ideen zu bündeln und noch klarere Strukturen zu schaffen. Ideen und kluge Köpfe gibt es hier genug.

Der FC Bayern hat sich seit Louis van Gaal dem Ballbesitz verschrieben – Leipzig perfektioniert das Umschaltspiel. Ist Ihr persönliches Ideal eine Mixtur?

Ja. Wir sollten das Beste aus beiden Welten zusammenbringen. Leipzig ist bekannt dafür, dass sie sehr strukturiert und synchron mit hoher Intensität gegen den Ball arbeiten. Bayern setzt auf technisch versierte Spieler mit hoher Spielintelligenz. Wenn es gelingt, beides zusammenführen, kommt etwas Gutes dabei raus. Das ist der Fußball, für den ich stehen will. Ich möchte die Elemente, bei denen ich in Leipzig merkte, dass sie funktionieren, hier mit einbringen – nicht, um etwas zu ersetzen, sondern um sie mit den Elementen hier zu verknüpfen. Denn wie gesagt: Am Ballbesitz wollen wir beim FC Bayern nicht rütteln.

Sie hospitierten einst unter Huub Stevens, Thomas Tuchel und Pep Guardiola. Was haben Sie da jeweils mitgenommen?

Bei Stevens zum Beispiel die Art, wie er eine Mannschaft führt. Bis heute ruft er jeden seiner Ex-Spieler an Geburtstagen an, er pflegt ein ganz spezielles Verhältnis zu seinen Spielern. Bei Tuchel war ich, als er in Mainz gerade durchgestartet ist. Da standen die taktischen Fragen im Zentrum. Genauso bei Guardiola, bei dem es zudem faszinierend war, wie er sich in einem 45 Minuten-Gespräch komplett auf dich einlässt. Du spürst, wie er Fußball lebt, das ist fantastisch.

Wurden bei Ihrem Treffen auch Salz- und Pfefferstreuer auf dem Tisch verschoben wie einst, als er und Tuchel zusammensaßen?

Das nicht, wir waren in seinem Büro – keine Salzstreuer. Aber er springt dann plötzlich auf, schreibt etwas auf seine Taktiktafel. Er hat Lust, über Fußball zu reden. Das ist ansteckend, diese Detailversessenheit. Ich saß nach diesem Gespräch zuhause und habe mir sehr viel notiert. Ich muss auch keinen Hehl draus machen, dass ich meine Teams gern Guardiola-Fußball spielen lassen würde. Die Fans übersehen oft: Natürlich ist das offensiv spektakulär, aber auch er predigt eine hohe Intensität im Spiel gegen den Ball. Er ist ein tolles Beispiel, das Beste aus beiden Welten zusammenzubringen.

Sie sagten mal in einem Interview, Ihr Ziel sei, mit den Besten zusammen zu arbeiten. Zieht es Sie mal in den Profibereich?

Da, wo ich aktuell bin, ist es der absolut richtige Platz.

Wie geht man als Sohn von Dieter Hoeneß und Neffe von Uli Hoeneß mit dem prominenten Namen um?

Normal. Ich weiß natürlich, was mein Vater und mein Onkel erreicht haben.

Beide waren nie Trainer. Haben sie Ihnen von diesem Weg abgeraten?

Nein. Mein Vater war Manager, mein Onkel war Manager. Ich bin Trainer und ein eigenständiger Mensch. In meiner Familie ist für alle immer alles offen gewesen. Mein Vater ist bis heute natürlich mein wichtigster Ratgeber – und auch mal mein schärfster Kritiker. Das ist, denke ich, aber bei allen guten Familien so.

Sie sind gebürtiger Münchner...

(lächelt) Das habe ich meinem Vater und Onkel voraus: Ich bin ein echter Bayer.

Und auch Bayern-Fan?

Als ich neun war, sind wir aus München weggezogen. Bis dahin habe ich kaum ein Spiel im Olympiastadion verpasst. Der FC Bayern ist für mich eine Herzensangelegenheit.

Sie selbst beendeten Ihre Karriere mit 28 bei Hertha BSC II. Höher als Regionalliga spielten Sie nie. Sie machten Schluss, weil eine höhere Perspektive fehlte – ist Ihnen als Juniorentrainer auch wichtig, die Talente darauf vorzubereiten, dass sie es womöglich nicht schaffen?

Das ist ein wichtiger Teil der Arbeit. Nicht alle werden ausreichend Geld im Fußball verdienen. Wir müssen sie als Persönlichkeiten ausbilden und ihnen klarmachen, dass sie ein zweites Standbein nie aus den Augen verlieren dürfen. Ich möchte Horizonte erweitern.

Sie coachen die U 19, die Schwelle zu den Profis. Die Fans warten auf einen neuen David Alaba, der es als Letzter nach oben geschafft hat. Können Sie da was in Aussicht stellen?

Wir haben Talente, die es drauf haben. Ich bin optimistisch, dass wir in den nächsten Jahren Jungs in der Allianz Arena sehen, die hier auf dem Campus ausgebildet wurden. Namen werden Sie aber von mir keine hören. Der letzte Schritt von den Junioren zu den Erwachsen ist der schwerste.

Sie sagten mal, Sie seien ein offener, zugänglicher Typ als Trainer. Werden Sie geduzt oder sagen die Spieler Herr Hoeneß?

Manche sagen Herr Hoeneß. Am liebsten ist mir „Trainer“ und siezen.

Was ist Ihre persönliche Definition von erfolgreicher Jugendarbeit?

Im Nachwuchs sollte man immer entwicklungs- und weniger ergebnisorientiert arbeiten. Es ist mir wichtiger, unseren Profis Talente zuzuführen, als selbst Meister zu werden. Ich messe mich bei dieser Aufgabe nicht an Titeln. Aber natürlich wollen wir auch Titel gewinnen – gerade hier bei Bayern.

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Aufrufe: 021.2.2018, 12:15 Uhr
Andreas Werner - Münchner MerkurAutor