2024-04-25T08:06:26.759Z

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Als Ex-Profi in Saarbrücken soll Marc Lerandy nun die BSC-Abwehr stabilisieren. | Foto: Patrick Seeger
Als Ex-Profi in Saarbrücken soll Marc Lerandy nun die BSC-Abwehr stabilisieren. | Foto: Patrick Seeger

Marc Lerandy und der Wunsch nach Normalität

Der Neu-Bahlinger Lerandy hat eine wechselvolle Fußballgeschichte hinter sich

Es war ein Transfercoup, den der Bahlinger SC in der Winterpause vermelden konnte. Marc Lerandy, der ehemalige Kapitän des Drittligisten 1. FC Saarbrücken, kehrte in die Region zurück und schloss sich dem abstiegsbedrohten Oberligisten an. Hinter dem 32-jährigen Verteidiger liegt eine wechselvolle Fußballgeschichte.
Das Café im Ortskern von Bahlingen ist an diesem Mittwochnachmittag fast menschenleer. Marc Lerandy zerteilt mit seinen Fingern eine Brezel, ehe er mit Worten sein fußballerisches Leben seziert. Versalzen kam dem langjährigen Drittligaspieler sein Profidasein zuweilen vor. Doch es gab auch zuckersüße Momente, zwei unverhoffte Comebacks aus den Amateurregionen, in die der 32-jährige Innenverteidiger zu Beginn des Jahres 2014 wieder zurückgekehrt ist: Beim Bahlinger SC rückt Lerandy wieder näher zu seiner Heimat in der Ortenau. In Bahlingen will Lerandy den Schritt in die Normalität eines Familienvaters im Angestelltenverhältnis hinbekommen, "im Alltag Fuß fassen", wie er sagt. Und auch sportlich hat er am Kaiserstuhl noch was vor: Denn in der Oberliga bewegen sich die Bahlinger, die am Samstag um 15 Uhr zum Frühjahrsstart den Tabellenführer TSV Grunbach erwarten, hart am Rande der Abstiegszone.

Dass Lerandy den Weg zur Ponderosa gefunden hat, lag an seinem früheren Trainer beim SV Sandhausen: Rainer Scharinger, seit einigen Jahren Berater der Bahlinger, hatte Wind davon bekommen, dass Lerandy beim 1. FC Saarbrücken im vergangenen November suspendiert worden war. Der kernige Saarbrücker Trainer Milan Sasic, der beim Tabellenletzten der Dritten Liga inzwischen zurückgetreten ist, warf der Abwehrkraft mangelnde Fitness vor. Dabei kämpfte Lerandy mit einer hartnäckigen Patellasehnenreizung, die er nun überwunden zu haben glaubt. Die Signale, die sein Körper in den Testspielen aussandte, seien positiv. "Ich kann wieder über 90 Minuten durchhalten", sagt Lerandy. Und das Wichtigste: "Ich bekomme hier den Spaß am Fußball zurück" - und vielleicht bald einen Job im kaufmännischen Bereich. Der BSC will bei der Suche behilflich sein.

Saarbrücken ist im Saarland als Profiklub ein einsamer Satellit. Wie der in Gengenbach lebende Lahrer auf diese Umlaufbahn geriet, ist eine jener schrägen Geschichten, die wohl nur der Fußball schreibt. Lerandy hatte 2008 nämlich das Kapitel Bezahlfußball ad acta gelegt, als er sich dem Bezirksligisten VfR Willstätt anschloss. Vorausgegangen war ein halbjähriger Rechtsstreit mit seinem damaligen Verein SC Pfullendorf, der Lerandy nur für eine fünfstellige Ablösesumme ziehen lassen wollte - eine einseitig gezogene Vertragsoption, gegen die sein Berater vor ein ordentliches Gericht zog. Lerandy bekam zwar Recht, interessierte Vereine wie der 1. FC Kaiserslautern oder der FC St. Pauli waren aber längst abgesprungen. So fühlte sich Lerandy von seinem Berater ausgenutzt und war zermürbt: "Ich hatte keinen Verein und saß auf 7000 Euro Anwaltskosten."

"In Bahlingen bekomme ich den Spaß am Fußball zurück."

In Willstätt schien seine Karriere zum zweiten Mal vorzeitig im sportlichen Niemandsland zu versanden. Zuvor hatte er nach seinem Wechsel vom damaligen Regionalligisten Sandhausen zum Verbandsligisten SV Linx schon einmal an eine berufliche Zukunft abseits des Fußballfeldes gedacht, ehe die Pfullendorfer ihn wieder in die Regionalliga, der damals dritthöchsten Klasse, zurückholten.

In Willstätt rief dann aber Dieter Ferner an, nicht einmal, sondern zwei- oder dreimal. Dem früheren Torhüter der Bundesliga und der nordamerikanischen Soccer-League waren Lerandys Defensivqualitäten über Pfullendorfer Späher empfohlen worden. Und da Ferner in Saarbrücken als Trainer eine neue Mannschaft aufbaute, blieb er hartnäckig. Beim ersten Treffen erblickte Lerandy "einen Typen mit zerrissener Hose und Rudi-Völler-Gedächtnisfrisur", der ihn aber mit seinem Ehrgeiz und seiner Zielstrebigkeit beeindruckte. Lerandy ging 2009 an die Saar, wurde Teil der Aufstiegself in die Dritte Liga und als Kapitän Leitwolf. Mit dem FCS-Idol Ferner, der als sportlicher Leiter bei den Saarländern 2012 aufhörte, telefoniert er noch heute fast wöchentlich.

Der 1. FC Saarbrücken, das steht für Lerandy mittlerweile fest, "war für mich der Verein, für den sich die ganze Schinderei gelohnt hat". Als B-Jugendlicher wechselte er vom Offenburger FV zum SC Freiburg, fuhr viermal pro Woche zum Training nach Freiburg, wo ihn Christian Streich empfing. "Er hat mir auch beigebracht, worauf es außerhalb des Platzes ankommt", sagt der zweifache deutsche U-17-Nationalspieler über Streich. Lerandy hieß damals noch Zehnle. Er nahm erst später den Namen seines französischen Vaters, der aus Martinique stammt, an. 19-jährigen Talenten, für die sich die Tür ins Profigeschäft nicht sofort öffnet, empfiehlt er dringend, ihre berufliche Ausbildung nicht zu vernachlässigen. Berater würden da vielen die Sinne vernebeln. Sein Studium könne man sich dann über den Fußball finanzieren, "wie viele das hier in Bahlingen machen", hat Lerandy erkannt.

Ach ja. Dann gab es noch dieses "Doping-Missverständnis", wie er es ausdrückt. Nach seinem ersten Regionalligaspiel für Pfullendorf wurde er 2007 positiv auf Reproterol getestet und für sechs Spiele gesperrt. Der Asthmatiker Lerandy inhalierte diesen Wirkstoff aber schon als Zehnjähriger - und seitdem täglich. "Der Spray gehört für mich zum Alltag wie für andere die Tasse Kaffee", sagt er. Seit diesem Vorfall besitzt er ein ärztliches Attest.

Das Café in Bahlingen ist etwas voller geworden, als Lerandy zum Training aufbrechen muss. Auf seinem Teller sind die überkreuzten Schlingen der Brezel übrig geblieben. Im Leben muss man nicht alles runterschlucken. Auch wenn dabei vielleicht etwas unvollendet bleibt.
Aufrufe: 027.2.2014, 22:00 Uhr
Matthias Kaufhold (BZ)Autor