2024-04-25T14:35:39.956Z

FuPa Portrait
Dynamisch und torgefährlich: Haukur Eythorsson (links) entwischt Thomas Sennert vom TSV Höchst. Foto: Herbert Krämer
Dynamisch und torgefährlich: Haukur Eythorsson (links) entwischt Thomas Sennert vom TSV Höchst. Foto: Herbert Krämer

Austauschstudent mit Torgarantie

Der isländische Zweitliga-Stürmer Haukur Eythorsson ist der beste Schütze des Gruppenligisten RW Walldorf

Haukur Eythorsson, 23 Jahre alter isländischer Stürmer beim SV Rot-Weiß Walldorf, schießt viele Tore – und fühlt sich auch sonst wohl beim Fußball-Gruppenligisten.

Eisige Böen fegen über den Biebesheimer Kunstrasenplatz und kriechen durch jedes Schlupfloch. Selbst mehrere Lagen Winterkleidung halten den windigen Eindringling nicht ab. Wohlfühlwetter für Haukur Eythorsson, den einzigen Fußballer auf dem Platz, der sich in kurzer Hose und kurzärmeligem T-Shirt aufwärmt. Raues Klima ist der isländische Torjäger des SV Rot-Weiß Walldorf von zu Hause gewohnt, der Heimat des Island-Tiefs. Für ihn gute Bedingungen für ein sportliches Hoch, das er auch an diesem Abend erreicht: Zwei Tore trägt der 23 Jahre alte Nordländer zum 3:0-Pokalsieg bei Olympia Biebesheim bei.

Ende September kam Eythorsson als Austauschstudent nach Deutschland. Zu diesem Zeitpunkt lag schon Schnee in seinem Heimatort Mosfellsbær, eine Kleinstadt in der Region Höfuðborgarsvæðið, 17 Kilometer nördlich der Hauptstadt Reykjavík gelegen.

Bilanz seit 2010: 64 Spiele, 52 Tore

Im Angriff spielt Eythorsson schon von klein auf. Weder sei er technisch besonders versiert noch ein trickreicher Dribbler. Also habe ihn sein Trainer in die Spitze beordert – zum Toreschießen. Und das macht er seither in trefflicher Regelmäßigkeit. Seine Bilanz in den isländischen Seniorenteams, für die er seit 2010 gespielt hat: 52 Tore in 64 Spielen. Zuletzt stürmte er bei UMF Tindastóll, einen Zweitligisten aus dem Städtchen Saudarkrokur im Nordwesten Islands. Dort werde halbprofessionell Fußball gespielt. „Man wird bezahlt, aber man kann nicht davon leben“, sagt Eythorsson.

Überhaupt gebe es in Island lediglich fünf Ligen und eine Altherrenrunde. Trotzdem hat sich die Nationalmannschaft als Tabellenzweiter der Gruppe A hinter Tschechien und vor dem viertplatzierten WM-Dritten Niederlande erstmals für die Europameisterschaft qualifiziert. „Das ist absolut brillant“, sagt Eythorsson dazu: „Das gesamte Land ist so stolz darauf.“

Diesen Triumph führt er auf die Aufbauarbeit des schwedisch-isländischen Trainergespanns Lars Lagerbäck und Heimir Hallgrimsson zurück, die die Mannschaft seit 2011 anleiten. Eythorsson weist aber auch auf eine verbesserte Fußball-Infrastruktur hin, insbesondere auf sieben Fußballhallen, die für ganzjährig gute Trainingsbedingungen sorgen. Früher, ohne diese in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten gebauten Hallen, habe man von Dezember bis Februar nicht trainieren können. Wie so viele der nur 20000 registrierten isländischen Fußballer hat Eythorsson zugleich Handball gespielt, allerdings nicht als Torjäger, sondern als Torhüter. Erst als Achtzehnjähriger konzentrierte er sich auf Fußball.

Eythorssons Stammverein ist eine Mannschaft namens Hviti Riddarim (weißer Ritter). Beim Viertligisten aus seinem Heimatort spielte er mit einem Briten namens Bill Puckett. Dieser hatte zuvor in den USA studiert und auch Fußball gespielt – gemeinsam mit Daniele Campailla. Als der Brite hörte, dass sich Eythorsson für ein Studium der Wirtschaftswissenschaft in Frankfurt entschieden hatte, vermittelte er den Kontakt zu dem Walldorfer Offensivspieler.

Sein erstes Training beim SV Rot-Weiß war allerdings, wie der Isländer findet, eines zum Vergessen: „Ich war wirklich nicht gut.“ Trainer Kures Massali sah trotzdem, dass Eythorsson fußballerische Qualität mitbringe und eine vorbildliche Einsatzbereitschaft habe. Also behielt Massali ihn gerne.

Aber die internationale Freigabe zog sich hin. Erst Mitte November, bei der 1:4-Niederlage gegen die SG Unter-Abtsteinach, debütierte Eythorsson in Rot-Weiß – und schoss nach fünf Minuten sein erstes Tor. Mit sechs Saisontreffern aus vier Spielen führt der athletische Stoßstürmer die Torjägerliste des Gruppenligisten an. Dazu kommen vier weitere Treffer, die er beim Testspiel gegen die SKV Mörfelden und in der Kreispokalpartie in Biebesheim geschossen hat.

Genau ein solcher Spielertyp hatte Rot-Weiß zuvor gefehlt. Umso bedauerlicher findet es Massali, dass Eythorsson nur noch wenige Wochen beim Tabellenvierten spielt. Dann ist sein Auslandssemester vorbei, und er kehrt nach Island zurück.

„Der Zusammenhalt im Team ist sehr gut“

„Ich hätte die Saison gerne zu Ende gespielt“, sagt der Torjäger: „Aber es geht leider nicht.“ Der 23-Jährige fühlt sich wohl in Walldorf. Er lobt die Kameradschaft in der Mannschaft. „Ich war von Anfang an willkommen“, sagt der Isländer: „Der Zusammenhalt im Team ist sehr gut. Das ist eine der besten Erfahrungen, die ich bisher im Fußball gemacht habe.“ Auch die Verständigung sei kein Problem. Eythorsson spricht Englisch und etwas Deutsch.

Während des Spiels in Biebesheim aber wurde zuweilen Isländisch gesprochen. Ein Zuschauer feuerte ihn temperamentvoll an und bejubelte seine Tore. Es war Fannar Öru Kolbeinsson, sein Cousin und zugleich Teamkapitän von UMF Tindastóll, der für ein verlängertes Wochenende zu Besuch war. Gut möglich, dass beide demnächst wieder Mannschaftskollegen in Saudarkrokur sind.

Aufrufe: 013.2.2016, 06:07 Uhr
Dirk WinterAutor