2024-04-23T13:35:06.289Z

FuPa Portrait
Fußballspielen ist sein Leben ? trotz allem, was er deshalb erleben musste. Beim FC Scheuring kickt Mukey in der kommenden Saison und präsentiert seine Schuhe mit Namen.	F.: Margit Messelhäuser
Fußballspielen ist sein Leben ? trotz allem, was er deshalb erleben musste. Beim FC Scheuring kickt Mukey in der kommenden Saison und präsentiert seine Schuhe mit Namen. F.: Margit Messelhäuser

Auf dem Platz das Schicksal vergessen

Wegen eines Fußballspiels in Sierra Leone wurde die Mutter von Muctaru Mansaray getötet +++ Trotzdem spielt er weiter und will dem FC Scheuring zum Aufstieg verhelfen

Die tragischen Schicksale von Asylbewerbern gehen immer wieder durch die Medien. Und dennoch: Sitzt man einem Mann gegenüber, der sein Drama ganz unaufgeregt schildert, wird man erst mal sprachlos. Denn es ist eigentlich nicht nachzuvollziehen.

Wir treffen uns auf dem Fußballplatz beim FC Scheuring. Dort, wo Muctaru Mansaray, zumindest für kurze Zeit, abschalten kann. Mukey nennen ihn Trainer Christian Wanner und seine Mitspieler, denn „er hat sich gleich mit Mukey vorgestellt“, sagt Wanner. Erster Ansprechpartner für Mukey ist Scheurings Kapitän Sebastian Thoma, auch weil er perfekt Englisch spricht. Mukey hat vor zwei Monaten einen Deutschkurs begonnen, doch noch unterhält er sich lieber auf Englisch.

Er ist aus Libyen per Schiff nach Italien geflüchtet, aber „ich wollte schon immer nach Deutschland“, erzählt er. Und das hat einen sportlichen Grund: Mukey ist Fan des FC Bayern München. In seinem Heimatland Sierra Leone spielte er in der U17-Nationalmannschaft, doch seine Karriere dort fand ein jähes, tragisches Ende, das man kaum glauben kann.

„Ich habe bei einem Fußballspiel einen Elfmeter verschossen und wir haben verloren“, schildert er die damalige Situation. Die Menge war darüber so aufgebracht, dass der Mob zu seinem Haus zog. Mukey war nicht zu Hause, aber dessen Mutter, und „sie töteten meine Mutter“. Wegen eines verlorenen Fußballspiels.

Das sei vor etwa zehn Jahren gewesen. Mukey flüchtete deshalb mit seiner Familie nach Libyen – bis dort der Krieg ausbrach. Zusammen mit seiner Frau und dem jüngsten Kind schaffte er die Flucht nach Italien – doch zwei Kinder, fünf und acht Jahre alt, sind noch in Libyen. „Sie leben bei der jüngeren Schwester meiner Frau“, erzählt er. Mehrmals in der Woche telefoniert er mit ihnen. Ob er denn eine Idee habe, wie er sie auch nach Deutschland holen könne? „No“, antwortet Mukey und in diesem einzigen Wort spiegelt sich seine ganze Verzweiflung wider. Aber er wird nicht aufgeben. Sobald er einen Job finde, würde er eine Arbeitserlaubnis erhalten, da hat er sich im Landratsamt bereits erkundigt. Als Installateur oder Maler könne er arbeiten, erklärt er.

Auf dem Fußballplatz ist die Sprache kein Problem, sagt Trainer Wanner. „Mukey muss ich eine Übung nicht erklären, er sieht einmal zu und weiß genau, was er machen muss.“ Technisch sei Mukey sehr gut und als offensiver Mittelfeldspieler zeigte er auch gleich seine Gefährlichkeit: „Im ersten Spiel machte er sein erstes Tor, im zweiten Spiel sein zweites“, sagt Kapitän Sebastian Thoma. Für Mukey ist Fußball eine Möglichkeit, für kurze Zeit Ablenkung zu finden. Von den Sorgen darüber, wie er seine Kinder nach Deutschland bringen kann. Dass er nach dem Tod seiner Mutter überhaupt weiterspielte, erklärt er damit, dass er Fußball einfach liebe, „ich kann nicht einfach damit aufhören“.

Dennoch musste er in Deutschland eine Pause einlegen. Als er in Scheuring untergebracht war, kam schnell der Kontakt zum FC zustande. „Aber mit einem Mal war er weg“, erzählt Vorsitzender Rudi Aumüller. Niemand wusste, dass Mukey mit seiner Familie nach Landsberg verlegt worden war. „Als wir gegen Türkspor Landsberg spielten, sah er zu und wir haben ihn gefragt, warum er nicht mehr kommt“, sagt Aumüller. Schnell klärte sich die Lage auf und jetzt fährt Mukey mit dem Bus nach Scheuring ins Training – Team und Verein haben einen Fahrtdienst organisiert. Denn für Scheuring sei Mukey eine Verstärkung, ist man sich einig. „Er spielt auf einem Bierfilz drei, vier Spieler aus“, erklärt Rudi Aumüller. „Nur leider auch am eigenen Sechzehner“, fügt er mit einem Schmunzeln an. Aber das sei eben die afrikanische Spielweise. Was sich Mukey von der neuen Saison verspricht? „Ich will Scheuring helfen, aufzusteigen“, sagt er voll Überzeugung. Was sich Mukey am meisten wünscht, ist klar: „Ich möchte meine Familie nach Deutschland holen, hier mit ihnen zusammen leben und arbeiten.“ Wie das klappt, darüber grübelt er ständig nach – außer, er schaltet auf dem Platz kurz ab.

Aufrufe: 08.7.2015, 13:11 Uhr
Landsberger Tagblatt / Margit MesselhäuserAutor