2024-04-23T06:39:20.694Z

FuPa Portrait
Er ist aus Bonn, "aber sonst nicht vorbestraft". Das sagt Schiri-Legende Walter Eschweiler auf der Tour durch das Rhein-Energie-Stadion über sich selbst. TV-Foto: Marek Fritzen
Er ist aus Bonn, "aber sonst nicht vorbestraft". Das sagt Schiri-Legende Walter Eschweiler auf der Tour durch das Rhein-Energie-Stadion über sich selbst. TV-Foto: Marek Fritzen

Auf Abseitstour mit Walter Eschweiler

Ex-Schiedsrichter (78) leitet neuerdings Stadionführungen in Köln

Walter Eschweiler ist der vielleicht bekannteste deutsche Schiedsrichter der letzten 40 Jahre. Heute führt der 78-Jährige Besuchergruppen durch das Stadion des 1. FC Köln und erzählt dabei von früher. Der TV hat ihn auf einer Tour begleitet.

Köln. Die Szene ist legendär: Es ist der 18. Juni 1982. Fußball-Weltmeisterschaft in Spanien. Deutschlands Schiedsrichter-Legende Walter Eschweiler leitet das Vorrundenspiel zwischen Peru und Italien. Es ist ein heißer Sommertag in Vigo. Die Sonne brennt vom Himmel. Trotzdem läuft das Spiel ganz entspannt. Doch dann passiert es: Der Peruaner José Velásquez versucht in Höhe des Mittelkreises einen Ball zu erlaufen. Er hat nur Augen für das runde Leder und nicht für den deutschen Referee, der plötzlich vor ihm auftaucht – es macht rumms, und Velásquez wälzt den Bonner wie eine Dampfwalze um. Eschweiler fliegt mit Schwung nach hinten. Seine Pfeife und die Karten schleudern im hohen Bogen durch die Luft. Der Referee muss kurz behandelt werden, dann beißt er auf die Zähne und pfeift das Spiel routiniert zu Ende – ein echter Rheinländer eben. „Ich habe Velásquez vor ein paar Jahren noch mal getroffen“, erzählt der heute 78-jährige Ex-Fifa-Schiri. „Natürlich haben wir über die Szene gesprochen und uns köstlich darüber amüsiert.“ Böse sei er ihm natürlich nicht. „So was kann doch passieren“, betont er.


286 Bundesligaspiele gepfiffen


Während Eschweiler das erzählt, steht er im Rhein-Energie-Stadion, der Heimspielstätte des 1. FC Köln. Organisiert von der Kölner Sportstätten GmbH, führt der Ex-Schiri zweimal im Monat auf seiner sogenannten „Abseitstour“ Besuchergruppen durch das ehemalige Müngersdorfer Stadion im Kölner Westen. Im Gepäck: jede Menge Anekdoten aus seinem Schiedsrichterleben und rund um den „EffZeh“ Köln. Auf einer dieser Touren hat ihn der TV nun begleitet.

Los geht’s im FC-Museum unter der Nordtribüne des Stadions – genauer gesagt vor den Bildern der FC-Traditionsmannschaft. „Ich kenne sie alle“, betont Eschweiler. Wer das nicht glaubt, bekommt im Anschluss ein Kurzreferat zu jedem Spieler. „In der Abwehr haben wir Harald Konopka, mit dem hatten wir Schiedsrichter immer jede Menge zu tun: der hat nach allem getreten, was sich bewegte“, erinnert sich der ehemalige Diplomat. Weiter geht es durch die Traditionself: Über Wolfgang Weber „ein super Typ“, und Wolfgang Overath „hatte über sich selbst immer die höchste Meinung“, kommt der Referee zu Thomas Häßler. „Der hat Flanken geschlagen, die heute noch unterwegs sind.“

Eschweiler erzählt seine Storys nicht, er singt sie in feinstem rheinischen Dialekt. Er sagt „jut“ anstatt „gut“, und bei ihm gibt es keinen „Wolfgang“, sondern nur den „Wolfjang“. Es macht Spaß ihm zuzuhören. Walter Eschweiler hat es in seiner aktiven Zeit auf 286 Bundesliga-Spiele an der Pfeife gebracht. Dazu 83 Länderspiele und sechs Europacup-Final-Spiele. Dazu Welt- und Europameisterschaften. Den 1. FC Köln hat er allerdings nur selten gepfiffen. Grund ist sein Heimatort: „Ich bin aus Bonn, aber sonst nicht vorbestraft“, betont er in seiner lockeren Art. Aus Gründen der Unparteilichkeit durfte er den FC nur gegen Aachen oder Leverkusen pfeifen - und bei Freundschaftsspielen.

Weiter geht’s auf der Abseitstour auf der Nordtribüne. Auch ohne Zuschauer wirkt das 50 000 Zuschauer fassende Stadion beeindruckend. Wie ist das eigentlich, vor so vielen Menschen ein Spiel zu pfeifen? „Wissen Sie“, holt der 78-Jährige aus, „natürlich ist man als Schiri vor den Spielen immer ein wenig aufgeregt, aber ich habe schon mal im Maracana-Stadion in Rio de Janeiro vor 200 000 Zuschauern gepfiffen“, erzählt er. „Wenn Sie das überstanden haben, kann Ihnen als Schiri nichts mehr passieren.“ Passiert ist trotzdem viel in Eschweilers Karriere. Meistens aber nur Positives. Insgesamt habe er in seiner gesamten Schiri-Laufbahn nur fünf Platzverweise erteilen müssen. „In drei Fällen haben sich Spieler geschlagen. Die anderen beiden Spieler haben mich beleidigt“, berichtet er. Einer von denen sei Rolf Rüssmann gewesen. „Der hat mich als ‚dumme Sau’ bezeichnet. Da habe ich noch mal nachgefragt. Darauf sagt der noch mal ‚dumme Sau’ zu mir. Da habe ich ihn vom Platz gestellt.“ Für Rüssmann hatte das Ganze ein ordentliches Nachspiel: „Für ‚dumme’ wurde er vier Wochen gesperrt und für ‚Sau’ noch mal sechs Wochen“, erinnert sich Eschweiler.

Station im PK-Raum

Nächste Station auf der Tour ist der Pressekonferenzraum. Eschweiler sitzt nun hinter dem Mikrofon, dort wo sich sonst FC-Trainer Peter Stöger den Fragen der Journalisten stellen muss. Auch Eschweiler stellt sich hier den Fragen und zwar denen der Führungsteilnehmer. Was er denn so über die Schauspielerei auf den Bundesligaplätzen denke, fragt ein Teilnehmer. „Das gehört sich natürlich nicht“, sagt der Ex-Schiri. Allerdings müsse man darauf als Schiri ganz locker reagieren. Natürlich hat er auch dafür ein Beispiel parat aus seiner aktiven Zeit. Diesmal ist der ehemalige Nationalspieler Bernd Hölzenbein der Protagonist. In einem Bundesligaspiel unter Eschweilers Leitung sei Hölzenbein im Strafraum „über drei Grashalme gestolpert“, wie es Eschweiler nennt. Er habe natürlich keinen Elfmeter gegeben und weiterspielen lassen, aber nicht, ohne dem am Boden liegenden Stürmer im Vorbeilaufen die folgenden Worte zuzurufen. „Stehen Sie bitte auf, Herr Hölzenbein, es sitzt noch nicht, wir müssen es üben.“

15 Promi-Spiele im Jahr

Eschweiler ist heute trotz seiner 78 Jahre viel unterwegs. Er ist nach wie vor noch für das Auswärtige Amt im Einsatz. Zudem pfeift er bis zu 15 Promi-Spiele im Jahr. „Gestern habe ich in Bonn ein Duell zwischen UN-Mitarbeitern und der deutschen Bürgermeister-Nationalmannschaft geleitet“, sagt er. Nach der Station im PK-Raum geht es durch den Spielertunnel raus aufs Feld. Dazu ertönt die FC-Hymne. Draußen gibt es noch ein paar Storys aus dem Schiri-Leben. Unter anderem erzählt er von einem Länderspiel zwischen Hongkong und Südkorea. Die Spieler seien so brav gewesen, erinnert sich der Referee, „so dass ich das Spiel auch vom Hochsitz aus hätte pfeifen können.“ Dann kommt der Alt-Referee zum Ende. Nach 90 Minuten ist Schluss. Doch ohne eine kleine Hommage an den 1. FC Köln pfeift Eschweiler die Tour nicht ab: „Ich hoffe“, sagt Eschweiler, „dass der FC bald wieder nach oben kommt, er wäre eine Bereicherung für die 1. Bundesliga.“

Neben der „Abseitstour“ mit Walter Eschweiler veranstaltet die Kölner Sportstätten GmbH auch eine „Meistertour“ mit dem ehemaligen FC-Star Harald Konopka. Zudem gibt es normale Stadionführungen mit einem Stadionführer der Sportstätten GmbH. mfr Alle Infos zu den Führungen gibt es im Internet unter: koelnersportstaetten.de

Aufrufe: 01.4.2014, 20:58 Uhr
Marek FritzenAutor