Beginnen muss man die Geschichte von Atletico Calcio aber eigentlich im Jahr 2014. Angelo Castro, mit Sonnenbrille auf der Nase und Kulturbeutel mit „Italia“-Aufdruck unter dem Arm, steht am Spielfeldrand und erzählt von damals, als sich einige Spieler des Teams, darunter auch seine Söhne Rosario und Giuliano, regelmäßig zum Kicken in einer Erlanger Fußballhalle treffen. Die Gruppe besteht bis heute zu drei Vierteln aus Italienern. Sie fragen sich eines Tages: Warum gründen wir keine eigene Mannschaft? Mit dieser Idee treten sie an den heutigen sportlichen Leiter der Mannschaft, Angelo Castro, heran.
Starten wollen sie in der Privatliga mit dem Namen Atletico Calcio. Atletico steht in Italien für athletisch, Calcio für Fußball. Das Wappen, das sich die Spieler auf ihre Trikots drucken lassen, sieht ein wenig aus wie das von Rekordmeister Juventus Turin. Die Kicker hatten mit Luna Rossa sogar einen eigenen Sponsor, bis heute steht der Name der italienischen Diskothek auf den Trikots.
Zurück auf der Sportanlage Willstätter Straße, Sonntagmittag um zwölf Uhr: Plötzlich klatscht Angelo Castro in die Hände und schreit: „Ecke, Ecke Jungs.“ Der Ex-Trainer der Jungs ist mittlerweile sportlicher Leiter, er lebt das Spiel an der Auslinie. Im Verband wird das Team von Castro nie als Atletico Calcio geführt. Zunächst schließen sie sich dem SV 73 Süd an. Dort erreichen sie in der Freizeitliga einen respektablen vierten Platz. Durch die Fusion der „Süder“ mit dem ATV Frankonia läuft Atletico Calcio seit 2014 dort auf.
Aber es wird noch komplizierter: Eigentlich wollten die Freizeitkicker in der Saison 2015/16 ganz unten in der B-Klasse anfangen. Frankonia hatte aber nicht genügend Spieler für eine dritte Mannschaft in der A-Klasse, also sprang Atletico Calcio ein – allerdings bloß eine halbe Saison. In der Winterpause löste sich die zweite Mannschaft in der Kreisklasse auf, wieder rückte Atletico Calcio nach. Doch diesmal gab es ein Problem: Die Kicker um ihren neuen Trainer Asadi Sohel mussten mit den Punkten des ATV II weitermachen. „Naja“, sagt Atletico-Pressesprecherin Sarah Tülek, „wie viele Punkte hatten sie denn? Null oder einen?“ Es war ein Punkt. Und bei diesem sollte es für den Verein bis Saisonende auch bleiben. „Der Sprung in die Kreisklasse war einfach zu groß“, sagt Castro. 25 Niederlagen, 143 Gegentore kassierten Frankonia II und seine Jungs. Die ständigen Sprünge von Atletico mit all seinen Verantwortlichen quer durch die Ligen wirken, als sei die Mannschaft wie ein Verein im Verein. Trotzdem bekräftigt Castro die „gute Zusammenarbeit mit dem ATV“ und stellt klar: „Wenn wir mal Leute brauchen, dann geben sie uns auch welche.“
Die sind dann aber nicht immer freundliche Helfer: Danny Karajic etwa wird gefragt: „Hey 17ner, gibts dich auch in gut?“ Frankonia kämpft mit seiner ersten Mannschaft ebenfalls gegen die Dauerpleiten, mit null Punkten stehen sie am Tabellenende der Kreisklasse. Athletisch ist der Fußball von Atletico trotz des Namens eher selten, dafür aber halten die Kicker fest zusammen. „Wir haben Höhen und Tiefen, aber wir sind eine Kämpfermannschaft“, sagt Coach Sohel. Trotz der vielen Niederlagen existiert der Stamm des Teams noch immer. „Die gehen nicht“, ist sich Castro sicher. Aber wie hält man das eigentlich aus, Woche für Woche zu verlieren? „Die lieben sich“, weiß Sarah Tülek. Ein weiterer Grund dürfte die Familie sein, die meisten Spieler sind miteinander verwandt.
Atleticos Stärke ist die mannschaftliche Geschlossenheit, die Spieler geben nie auf. Das sieht man auch beim Punkspiel auf der Sportanlage Willstätter Straße, am Sonntagmittag um Zwölf: Gegen die DJK Eintracht Süd dreht Calcio den 0:2-Pausenrückstand durch Tore von Angelo D’ Alterio und Antonino Scarcella, der erst eine Minute vor Schlusspfiff zum umjubelten und gleichzeitig erlösenden Ausgleich trifft.
Trainer Asadi Sohel gibt zu, dass die Negativ-Serie „nur schwer aus den Köpfen rauszukriegen ist“. Trotzdem sei die Motivation bei seiner Elf immer da, sie lassen sich nicht kleinkriegen, niemals, von niemandem. Viel später, schon am Parkplatz, hört man Sohel noch einmal rufen. Er klingt ein wenig wie der Vorarbeiter auf einer Baustelle: „Jungs“, sagt er, „macht Feierabend.“