2024-04-25T08:06:26.759Z

Allgemeines
"Die Jungs lieben sich": Trotz einer Niederlagense­rie von über 20 Spielen geben die Spieler von Atle­tico Calcio immer alles. Gegen Eintracht Süd hol­ten sie so sogar noch einen 0:2-Pausen-Rück­stand auf. F: Eduard Weigert
"Die Jungs lieben sich": Trotz einer Niederlagense­rie von über 20 Spielen geben die Spieler von Atle­tico Calcio immer alles. Gegen Eintracht Süd hol­ten sie so sogar noch einen 0:2-Pausen-Rück­stand auf. F: Eduard Weigert

Die kuriose Geschichte einer Handvoll Italiener

Alltag in der A-Klasse 7 - Teil 5: Mehrmals wurde Atletico Calcio durch die Ligen geschoben, verlor dabei Spiel um Spiel, aber die Spieler halten zusammen

Ein holpriger Sandplatz, in der Kabine eine Kiste Bier, das Trikot riecht nach Zigaretten - ja, man erzählt viel über die A-Klasse. Aber auch, dass man dort den Fußball noch so erleben kann, wie er ursprünglich einmal war. Wir wollen herausfinden, wie es wirk­lich ist, in den Niederungen des Amateurfußballs. Deshalb begleiteten wir die A-Klasse 7 - eine ganze Saison lang.
Sonntagmittag, zwölf Uhr: Auf der Sportanlage an der Willstätter Straße herrscht bereits vor dem Anpfiff gute Stimmung. Ein Spieler, „Atletico Cal­cio“ steht auf seinem Trikot, beschei­nigt dem Schiedsrichter Roland Pauly ein „stylisches Outfit“. Von hinten ruft der Trainer Asadi Sohel mit einem Grinsen: „Ich hab’ ihn einge­kleidet.“Drei Minuten später kann Sohel nicht mehr Lachen: Sein Team liegt 0:1 hinten. Ein Gefühl, das sowohl dem Trainer als auch seinen Spielern bestens bekannt ist, seit 20 Spielen gelang kein Sieg mehr.

Beginnen muss man die Geschichte von Atletico Calcio aber eigentlich im Jahr 2014. Angelo Castro, mit Sonnen­brille auf der Nase und Kulturbeutel mit „Italia“-Aufdruck unter dem Arm, steht am Spielfeldrand und erzählt von damals, als sich einige Spieler des Teams, darunter auch sei­ne Söhne Rosario und Giuliano, regel­mäßig zum Kicken in einer Erlanger Fußballhalle treffen. Die Gruppe besteht bis heute zu drei Vierteln aus Italienern. Sie fragen sich eines Tages: Warum gründen wir keine eigene Mannschaft? Mit dieser Idee treten sie an den heutigen sportlichen Leiter der Mannschaft, Angelo Castro, heran.

Starten wollen sie in der Privatliga mit dem Namen Atletico Calcio. Atleti­co steht in Italien für athletisch, Cal­cio für Fußball. Das Wappen, das sich die Spieler auf ihre Trikots drucken lassen, sieht ein wenig aus wie das von Rekordmeister Juventus Turin. Die Kicker hatten mit Luna Rossa sogar einen eigenen Sponsor, bis heute steht der Name der italienischen Diskothek auf den Trikots.

Zurück auf der Sportanlage Will­stätter Straße, Sonntagmittag um zwölf Uhr: Plötzlich klatscht Angelo Castro in die Hände und schreit: „Ecke, Ecke Jungs.“ Der Ex-Trainer der Jungs ist mittlerweile sportlicher Leiter, er lebt das Spiel an der Ausli­nie. Im Verband wird das Team von Castro nie als Atletico Calcio geführt. Zunächst schließen sie sich dem SV 73 Süd an. Dort erreichen sie in der Frei­zeitliga einen respektablen vierten Platz. Durch die Fusion der „Süder“ mit dem ATV Frankonia läuft Atletico Calcio seit 2014 dort auf.

Aber es wird noch komplizierter: Eigentlich wollten die Freizeitkicker in der Saison 2015/16 ganz unten in der B-Klasse anfangen. Frankonia hat­te aber nicht genügend Spieler für eine dritte Mannschaft in der A-Klas­se, also sprang Atletico Calcio ein – allerdings bloß eine halbe Saison. In der Winterpause löste sich die zweite Mannschaft in der Kreisklasse auf, wieder rückte Atletico Calcio nach. Doch diesmal gab es ein Problem: Die Kicker um ihren neuen Trainer Asadi Sohel mussten mit den Punkten des ATV II weitermachen. „Naja“, sagt Atletico-Pressesprecherin Sarah Tü­lek, „wie viele Punkte hatten sie denn? Null oder einen?“ Es war ein Punkt. Und bei diesem sollte es für den Ver­ein bis Saisonende auch bleiben. „Der Sprung in die Kreisklasse war einfach zu groß“, sagt Castro. 25 Niederlagen, 143 Gegentore kassierten Frankonia II und seine Jungs. Die ständigen Sprünge von Atletico mit all seinen Verantwortlichen quer durch die Ligen wirken, als sei die Mannschaft wie ein Verein im Verein. Trotzdem bekräftigt Castro die „gute Zusammenarbeit mit dem ATV“ und stellt klar: „Wenn wir mal Leute brau­chen, dann geben sie uns auch wel­che.“

Nicht nur freundliche Helfer

Die sind dann aber nicht immer freundliche Helfer: Danny Karajic etwa wird gefragt: „Hey 17ner, gibts dich auch in gut?“ Frankonia kämpft mit seiner ersten Mannschaft eben­falls gegen die Dauerpleiten, mit null Punkten stehen sie am Tabellenende der Kreisklasse. Athletisch ist der Fußball von Atleti­co trotz des Namens eher selten, dafür aber halten die Kicker fest zusammen. „Wir haben Höhen und Tiefen, aber wir sind eine Kämpfermannschaft“, sagt Coach Sohel. Trotz der vielen Nie­derlagen existiert der Stamm des Teams noch immer. „Die gehen nicht“, ist sich Castro sicher. Aber wie hält man das eigentlich aus, Woche für Woche zu verlieren? „Die lieben sich“, weiß Sarah Tülek. Ein weiterer Grund dürfte die Familie sein, die meisten Spieler sind miteinander ver­wandt.

Atleticos Stärke ist die mannschaft­liche Geschlossenheit, die Spieler geben nie auf. Das sieht man auch beim Punkspiel auf der Sportanlage Willstätter Straße, am Sonntagmittag um Zwölf: Gegen die DJK Eintracht Süd dreht Calcio den 0:2-Pausenrück­stand durch Tore von Angelo D’ Alte­rio und Antonino Scarcella, der erst eine Minute vor Schlusspfiff zum umjubelten und gleichzeitig erlösen­den Ausgleich trifft.

Trainer Asadi Sohel gibt zu, dass die Negativ-Serie „nur schwer aus den Köpfen rauszukriegen ist“. Trotz­dem sei die Motivation bei seiner Elf immer da, sie lassen sich nicht klein­kriegen, niemals, von niemandem. Viel später, schon am Parkplatz, hört man Sohel noch einmal rufen. Er klingt ein wenig wie der Vorarbeiter auf einer Baustelle: „Jungs“, sagt er, „macht Feierabend.“

Aufrufe: 028.9.2016, 11:47 Uhr
Bastian MühlingAutor