2024-04-24T07:17:49.752Z

Interview
Im ersten Testspiel unter Rüdiger Fuhrmann (links, rechts daneben: Sein "Co" Christian Ranzinger) verlor der ASV Cham mit 0:3 gegen den 1. FC Bad Kötzting.
Im ersten Testspiel unter Rüdiger Fuhrmann (links, rechts daneben: Sein "Co" Christian Ranzinger) verlor der ASV Cham mit 0:3 gegen den 1. FC Bad Kötzting. – Foto: Simon Tschannerl

Besondere Zeiten für einen besonderen Trainer

Rüdiger Fuhrmann legt bei seiner alten und neuen Liebe, dem ASV Cham, unter erschwerten Bedingungen los +++ Das 59-jährige Trainer-Urgestein im großen FuPa-Interview +++

Es gibt, wie es im Fußballer-Jargon so schön heißt, die Art von Trainer, die bereits alles gesehen hat. Dazu gehört zweifelsohne das oberpfälzische Urgestein Rüdiger Fuhrmann. Der 59-Jährige kann auf eine bisher sehr vielschichtige Karriere zurückblicken. Die aktuelle von Corona und dessen Folgen geprägte Phase ist jedoch selbst für den Geschäftsleiter der Gemeinde Altenstadt an der Waldnaab eine außergewöhnliche Situation - zumal der B-Lizenz-Inhaber gerade jetzt beim ASV Cham einen neuen Posten angetreten hat...

Rüdiger, wie hast Du persönlich Deine Rückkehr zum ASV Cham wahrgenommen. War es ein "Nach-Hause-kommen" oder agierst Du völlig losgelöst von derartigen Gefühlen?
Ich agiere nie losgelöst von Gefühlen (schmunzelt). Ich habe hier noch viele Gesichter aus meiner ersten Zeit gekannt - u.a Arthur Pongratz (Sportlicher Leiter; Anm. d Red.) und Christian Groitl (U19-Trainer, Anm. d. Red). Meine Rückkehr kann man als 'Wiedersehen alter Bekannter' beschreiben. Mich hat es sehr gefreut, dass sich der ASV Cham bei seiner Trainersuche an mich erinnert hat und mir auf meine alten Trainertage noch einmal die Gelegenheit gibt, Bayernliga zu trainieren.

Erklär uns doch bitte noch einmal: Was war ausschlaggebend für ein neuerliches Engagement bei den Kreisstädtern?
Obwohl ich knapp eine Stunde einfache Fahrzeit bis nach Cham auf mich nehmen muss, war ich sofort bereit, das Angebot anzunehmen. Mich hat diese Herausforderung einfach gereizt auf meine alten Tage. (überlegt) Natürlich bin ich als Geschäftsleiter und Kämmerer der Gemeinde Altenstadt an der Waldnaab beruflich stark eingespannt. Deshalb ist es für mich immer sehr wichtig, dass meine Frau hinter mir steht und meine Freizeit-Gestaltung akzeptiert. Familienplanung gibt es ja als 59-Jähriger nicht mehr (lacht).

Wie lässt sich das alles unter einen Hut bringen?
Alles eine Frage der Disziplin. Zurzeit haben wir viermal die Woche Training. Gestern hatten wir jedoch auch Gemeinderatssitzung bis weit nach 21 Uhr. Für mich ist es selbstverständlich, dass ich dennoch um 6.30 Uhr wieder im Büro bin. Und um 17.15 Uhr fahre ich nach Cham. Was macht man nicht alles für seine große Liebe, das Trainerdasein (schmunzelt)?

»Der Christian, der kann was, keine Angst«


Du warst von 2011 bis 2013 beim ASV engagiert. Was hat sich in der Zwischenzeit getan?
2013 bin ich immer am Kunstrasen vorbeigefahren und habe mir gedacht: Dort möchte ich mal trainieren und spielen dürfen. Ich habe damals den Arthur Pongratz immer geschimpft, weil der nicht rechtzeitig fertiggestellt worden ist. Die Wintervorbereitung war damals von Improvisation geprägt - wir sind auf der Straße gelaufen, haben in der Tanzakademie trainiert. Und jetzt? Jetzt steht eine top Anlage da, kein Vergleich zu vorher. Auch das fußballerische Niveau der Mannschaft ist natürlich deutlich höher als vor - ja (atmet tief aus) - fast schon wieder zehn Jahren.

Mit Christian Ranzinger ist ein Spieler aus Deiner ersten Chamer Zeit nun Dein Assistent. Ist das bewusst so gewählt?
Der Christian war ja schon Co-Trainer meines Vorgängers Andi Lengsfeld. In meiner Zeit war Christian sogar im Kapitänsrang und einfach ein Mensch, auf den man sich verlassen konnte. Das kann man auch noch heute. Und er ist nicht nur der Typ, der die Hütchen aufstellt. Ich binde ihn voll mit ein - egal in welchem Bereich. Ein Lehrbua ist er nicht. Der Christian, der kann schon was, keine Angst (schmunzelt). Kann ich das Training - beispielsweise wegen einer Gemeinderatssitzung - mal nicht leiten, übernimmt einfach er und ich weiß, es passt alles.

Der erste Test nach ewiglanger fußballloser Zeit ging mit 0:3 gegen Landesligist Bad Kötzting in die Hose. Ein besorgniserregendes Ergebnis - oder nur ein erster Schritt zurück in die Normalität?
Der erste Schritt zurück in die Normalität, wobei mir insbesondere die zweite Halbzeit gar nicht gefallen hat. Was genau, ist allerdings nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, sondern nur für die Mannschaft.



Wie schätzt Du nach der Corona-Zwangspause generell den aktuellen Zustand der Mannschaft ein. Wie weit sind Lieder, Brandl & Co. von einer anständigen Bayernliga-Form entfernt?
Noch ein gutes Stück. Es liegt noch Arbeit vor uns. Ich gehe jedoch davon aus, dass wir uns Anfang September in einem annehmbaren Zustand befinden werden.

Du bist gerade in der langen, langen fußballfreien Zeit zum ASV Cham gekommen. Startest Du deshalb unter erschwerten Bedingungen?
Zwei Dinge. Trainerwechsel sind ja ganz normal. Auch ich bin schon öfter neu zu einem Verein gekommen. Keine außergewöhnliche Situation also. Das andere: Natürlich ist die aktuelle Situation außergewöhnlich. Es gibt keinen Vergleich in meiner 31-jährigen Laufbahn. Man kann also durchaus von erschwerten Bedingungen sprechen, keine Frage.

Du bist einer der ältesten Trainer der Bayernliga Nord. Ein Vor- oder Nachteil?
Ich werde kommenden März 60 Jahre alt, habe viele Auf- und auch Abstiege mitgemacht, war Bayernliga- und Landesliga-Trainer - Erfahrung zu haben ist zweifelsohne gut. Man darf jedoch nicht auf alten Mustern sitzenbleiben. Eine stetige Weiterentwicklung ist selbst in meinem Alter unabdingbar. Insofern ist mein Alter weder Vor- noch Nachteil. Warum soll ein 60-Jähriger nicht eine Fußballmannschaft trainieren können?

Bereits von 2011 bis 2013 war Fuhrmann (am Mikro) Trainer bei den Kreisstädtern. Diese Szene stammt aus der Pressekonferenz nach dem Derby gegen Vilzing am 29. September 2012.
Bereits von 2011 bis 2013 war Fuhrmann (am Mikro) Trainer bei den Kreisstädtern. Diese Szene stammt aus der Pressekonferenz nach dem Derby gegen Vilzing am 29. September 2012. – Foto: Roland Dachauer


Bist Du dann eher der väterlich tadelnde Freund oder der - überspitzt dargestellt - autoritäre Diktator?
(lacht herzlich) Ich höre immer wieder, ich sei ein harter Hund. Ja, ich bin der Meinung, dass es gewisse Regeln, die meiner Meinung zum Anstandsbereich gehören, geben soll und diese auch eingehalten werden müssen. Mein Anliegen ist es schon, die Spieler mitzunehmen, aber Entscheidungen trifft das Trainerteam. Ich trage die Verantwortung und muss auch meinen Kopf hinhalten. Ich dulde aber durchaus andere Meinungen und lasse sie auch in meine Entscheidung einfließen, solange sie der ganzen Mannschaft was bringen.

14 ehemaliger Spieler von mir sind inzwischen Spielertrainer oder nur Trainer. So ganz falsch kann also meine Vorgehensweise nicht sein. Wobei ich auch diese kritisieren muss. Bitte macht eine Trainerausbildung. Dieses Wissen ist sehr wichtig.

Wir beurteilst Du ganz allgemein die aktuelle Lage? Klappt es heuer noch mit einem geordneten Spielbetrieb?
Man muss die Ferienzeit mit den zurückkehrenden Urlaubern abwarten. Irgendwie verstehe ich die Zusammenhänge nicht so ganz. Warum dürfen sich 200 Leute treffen, aber bei einem Spiel "11 gegen 11" dürfen nicht ein paar Hansel zuschauen? Meine Meinung.

»Wir dürfen das Große und Ganze nicht aus den Augen verlieren«


Erzähl weiter.
Läuft der Spielbetrieb wieder komplett und wie wir ihn gewohnt sind, ist jedes Wochenende eine enorme Anzahl an Personen unterwegs. Die Durchmischung ist sehr groß. Es ist Corona-Potenzial da, obwohl es bei uns im Landkreis Neustadt an der Waldnaab und der Stadt Weiden aktuell keine Infizierten gibt. Man muss sich wappnen.

Hört sich sehr skeptisch an.
Eher realistisch. Wir trainieren seit 18. Juli, machen Vorbereitungsspiele, wollten fit werden. Unser Hobby macht uns Freude. Dennoch dürfen wir das Große und Ganze nicht aus den Augen lassen. Deshalb lege ich es den Verantwortlichen des Bayerischen Fußballverbandes nahe, im Fall der Fälle Größe zu zeigen und die Saison abzubrechen. Ich betone noch einmal: Das wäre keine Niederlage, sondern ein Zeichen von Größe.

Schönes Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft.

Aufrufe: 06.8.2020, 13:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor