2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
– Foto: Wolfgang Birkenstock
Sparkasse

„Das Codewort für die Saison lautet: Zusammen!“

Für Alemannia Aachens neuen Trainer Stefan Vollmerhausen ist der reduzierte Etat kein Grund zur Klage. Im Interview spricht er über die Kaderplanung in Corona-Zeiten, Saisonziele und seine Spielphilosophie.

Ein paar Stunden nachdem er seinen Vertrag bei Alemannia Aachen unterschrieben hatte, stellte die Fußball-Regionalliga West den Betrieb ein. Stefan Vollmerhausen konnte sich kein Bild mehr von seiner neuen Mannschaft machen, die auseinanderflog und in Kurzarbeit ging. Die lange Leidenszeit für Alemannias neuen Trainer und seine Spieler endet nun am heutigen Montag, wenn der Ball wieder rollt am Tivoli. Unsere Redakteure Benjamin Jansen und Christoph Pauli trafen sich vorab mit dem 47-Jährigen.

Herr Vollmerhausen, wie wird man Alemannia-Trainer?

Stefan Vollmerhausen: Aachens Sportdirektor Thomas Hengen hat mich angerufen, danach hat es zeitnah ein erstes Treffen gegeben. Wir hatten ein tolles Gespräch, beide Seiten sind mit einem guten Gefühl aus dem Büro gegangen. Beim zweiten und dritten Treffen haben wir dann auch über inhaltliche Dinge gesprochen und uns Schritt für Schritt angenähert.


Was hat Sie dazu bewogen, die Jugendabteilung von einem Bundesligisten wie Bayer Leverkusen zu verlassen und den nächsten Schritt in Aachen zu gehen?

Vollmerhausen: Erstmal muss man ja schauen, wie ich zum Fußball gekommen bin. Ich habe mich sozusagen von unten nach oben gearbeitet. In Wuppertal habe ich fast drei Jahre erfolgreich gearbeitet. Danach hatte ich den Wunsch, ein Nachwuchsleistungszentrum kennenzulernen, um mich weiterzuentwickeln. Für diese Möglichkeit bin ich sehr dankbar. Trotzdem war mir schon nach der ersten Saison klar, dass ich wieder in den Seniorenbereich zurück möchte. Ich habe dann Gespräche mit verschiedenen Vereinen geführt, der Austausch mit Thomas Hengen hat mir am besten gefallen. Wir denken sehr ähnlich über Fußball. Und die Perspektive, für Alemannia zu arbeiten, hat mich sehr gereizt.


Was macht den Reiz aus?

Vollmerhausen: Der Verein hat eine unglaubliche Strahlkraft. Ich erinnere mich noch gut an die beeindruckende Kulisse hier am Tivoli in den Spielen mit Wuppertal, die leider nicht so erfolgreich verlaufen sind (lacht). Natürlich weiß ich um die Ansprüche, die dieser Traditionsverein hat. Da ich ähnlich ehrgeizig und ambitioniert wie Thomas Hengen bin, haben wir relativ schnell zusammengefunden.


Ansprüche haben oft auch mit finanziellen Möglichkeiten zu tun. Wurde bei den Gesprächen im März auch über den Etat gesprochen?

Vollmerhausen: Das war sicherlich ein Thema, aber kein Hauptthema.


Das ist es dann schnell geworden, weil die unfreiwillige Corona-Auszeit die Möglichkeiten reduziert hat.

Vollmerhausen: Ich habe da eine etwas andere Einstellung zu. Es gibt viele Menschen, die richtige Probleme haben. Ich würde unsere nicht als die wichtigsten sehen. Wir müssen nach vorne schauen und mit den Möglichkeiten arbeiten, die wir haben. Das sind keine schlechten. Ich glaube, dass wir eine super Infrastruktur haben. Und die gilt es zu nutzen. Ich denke, dass wir alle ein Stück weit Zugeständnisse gemacht haben. Aber das sind für mich keine Argumente, um von unseren Zielen abzurücken. Wir wollen das Beste aus unseren Möglichkeiten
machen.


Offiziell haben Sie Ihre Arbeit erst am 1. Juli aufgenommen, inoffiziell sind Sie schon seit Wochen auch im direkten Austausch mit Ihrem Sportdirektor. Wie ist diese Phase ohne konkrete Optionen verlaufen?

Vollmerhausen: Wenn diese Zeit überhaupt irgendetwas Gutes mitgebracht hat, dann die Tatsache, dass wir mehr Zeit zum Planen hatten. In Leverkusen bei meiner U 15 ist zwar noch einiges an Arbeit angefallen, es blieb mir aber genug Zeit, um in Aachen Gespräche zu führen. Ich habe viele Leute kennengelernt und schon einige Dinge aufgeschnappt. Die Kaderplanung war natürlich nicht einfach. Ich glaube aber, dass wir sie mittlerweile auf einen guten Weg gebracht haben.


Ist das nun ein vorläufiger Kader, der im Laufe der nächsten Wochen je nach Lage der finanziellen Mittel noch weiter ergänzt wird?

Vollmerhausen: Mitte August steht mit dem FVM-Pokal-Halbfinale in Pesch schon ein sehr wichtiges Spiel für uns an. Das wollen wir natürlich erfolgreich gestalten. Wenn wir die Dinge so auf den Weg bringen, wie wir uns das vornehmen, dann wird es vielleicht nochmal die eine oder andere Möglichkeit geben, den Kader zu verändern.


Im Kern bleibt das Team der Vorsaison zusammen. Ist das ein Zeichen dafür, dass die Struktur dieser Mannschaft in Ordnung ist und Sie den Spielern noch mehr zutrauen?

Vollmerhausen: Auf jeden Fall. Wir können froh sein, dass wir die Verträge der Jungs, die wir unbedingt halten wollten, ausdehnen konnten. Auch mit André Wallenborn sind wir in guten, finalen Gesprächen. Ich denke, dass die Mannschaft Potenzial hat. Viele Spieler sind in einem guten Alter und können jetzt die nächsten Schritte machen.


Noch nicht verabschiedet wurden bislang David Bors und Jonathan Benteke. Wie ist der Stand der Dinge?

Vollmerhausen: David Bors kenne ich schon seit vielen Jahren, in denen sich unsere Wege immer wieder gekreuzt haben. Er gehört zur Sorte Spieler, die mir regelmäßig Kopfschmerzen bereitet haben (grinst). Zweifellos ist er ein guter Stürmer. In der derzeitigen Situation mussten wir aber Abstriche machen. Wir mussten uns entscheiden, und Vincent Boesen hat nachweislich eine gute Saison gespielt. Natürlich haben wir auch mit David gesprochen. Klar ist aber auch, dass er noch andere Möglichkeiten hat. Man muss klar sagen, dass es schwierig für uns ist, finanziell mit anderen Vereinen mitzuhalten. Mit Jonathan Benteke gibt es keinen Kontakt, das Thema ist erledigt.


Sie haben relativ früh durchblicken lassen, dass es zwischen den Pfosten Veränderungen geben soll. Warum gibt es einen Neustart bei den Torhütern?

Vollmerhausen: Nach einer Analyse der Gesamtsituation haben wir uns relativ zeitig entschieden, dass wir auf der Torhüter-Position etwas anderes machen möchten. Das war keine Entscheidung gegen Ricco Cymer, der alles gegeben und ein super Tor geschossen hat. Aber aus unserer Sicht war es an der Zeit, etwas zu verändern. Erkennbar gefehlt hat Ricco auch die Rückendeckung des Publikums nach einer schwierigen Saison.


Zwei neue Keeper wurden bereits unter Vertrag genommen, ein dritter soll folgen. Von wem werden die Schlussmänner trainiert? Ist Stephan Straub nach wie vor ein Kandidat?

Vollmerhausen: Wir sind in Gesprächen. Mit Stephan Straub hatten wir auch Kontakt.


Ihr Co-Trainer steht dagegen fest. Wie war der erste Kontakt mit Kristoffer Andersen?

Vollmerhausen: Kris ist in Aachen ja kein Unbekannter, und auch ich kannte ihn natürlich schon vorher. Wir haben uns hier irgendwann zusammengefunden, die ersten Gespräche waren positiv. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihm.


Gibt es eine klassische Aufgabenteilung?

Vollmerhausen: Ich bin ein Teamplayer. Einen Hütchenaufsteller brauche ich nicht, im Gegenteil: Ich bin jemand, der das Team mitnehmen will. Sowohl Mannschaft als auch Funktionsteam versuche ich immer an der Arbeit teilhaben zu lassen.


Verraten Sie uns, was Sie Ihrer Mannschaft heute zur Begrüßung sagen werden?

Vollmerhausen: Mit vielen Spielern habe ich ja schon gesprochen. Ich glaube, dass jeder gemerkt hat, dass ich nicht alles auf den Kopf stellen will und alles verändern möchte. Ich habe festgestellt, dass in der vergangenen Saison einige Sachen gut gelaufen sind. Nichtsdestotrotz sehe ich das Potenzial, den Abstand nach oben zu verringern. Und ich werde der Mannschaft mit auf den Weg geben, dass wir das auf jeden Fall schaffen können. Das Codewort für die Saison lautet: Zusammen! Gerade jetzt in dieser Zeit.


Gibt es Hygiene-Vorgaben im Trainingsbetrieb?

Vollmerhausen: Wir werden mehrere Kabinen nutzen, es wird auch Vorgaben beim Duschen geben. Die Details besprechen wir heute Mittag mit dem Hygienebeauftragten.


Und dann endet auch die Zeit der Kurzarbeit.

Vollmerhausen: Die Mannschaft ist komplett aus der Kurzarbeit zurück.


Das Auftakttraining findet coronabedingt unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Werden Sie später freiwillig von dieser Option Gebrauch machen?

Vollmerhausen: Nein. Wenn die Situation es zulässt, kann jeder gerne mein Training anschauen. Ich habe keine Berührungsängste.


Was werden die Kiebitze sehen? Wie lässt sich Ihre Idee vom Spiel skizzieren?

Vollmerhausen: Ich habe immer gesagt, dass wir darüber sprechen können, wenn der Kader feststeht. Klar ist aber: Jede Taktik lässt sich nur dann umsetzen, wenn die Basics da sind. Zweikampfführung, Umschalten in beide Richtungen, Leidenschaft auf dem Platz. Wenn das alles stimmt, dann können wir den Fußball spielen, den die Fans sehen wollen. Meine Aufgabe ist es, den richtigen Weg zu finden. Wie der aussieht, werden wir nach der Vorbereitung wissen. Wir orientieren uns an den Möglichkeiten, die der Kader hergibt.


Welches Saisonziel werden Sie ausgeben?

Vollmerhausen: In der vergangenen Saison betrug der Rückstand auf Spitzenreiter Rödinghausen 28 Punkte. Den zu reduzieren, das wäre doch ein schönes Ziel. Die Mannschaft hat häufig gezeigt, dass sie gerade gegen Teams aus dem oberen Tabellendrittel Leistungen abrufen kann, die jeden Trainer freuen. Im Umkehrschluss wurden aber zu viele Zähler gegen Mannschaften aus der unteren Region liegengelassen. Ich muss einen Weg finden, die spieltaktischen Dinge, die mir aufgefallen sind, umzusetzen, damit sich das ändert.


Haben Sie sich mit Ihrem Vorgänger Fuat Kilic über die vergangene Saison ausgetauscht?

Vollmerhausen: Ich kenne Fuat schon sehr lange, und wir hatten immer ein gutes Verhältnis. Deshalb habe ich ihn auch kontaktiert, wir haben viel über das Umfeld gesprochen. Zu den Spielern hat er sich nicht geäußert, da er niemandem etwas verbauen möchte, was ich sehr fair finde. Ich hätte ihm auf jeden Fall einen schöneren Abgang gewünscht, das hätte er verdient gehabt.


Viele Regionalligisten legen ein Trainingslager ein. Plant Alemannia auch ein paar Tage außerhalb der Stadt?

Vollmerhausen: Nein. Wir haben hier in Aachen wunderbare Verhältnisse, haben eine super Infrastruktur. Da wir jetzt ja auch einen zweiten Trainingsplatz dazu bekommen haben, kann ich mit der derzeitigen Situation sehr gut leben.

Aufrufe: 016.7.2020, 05:00 Uhr
Benjamin Jansen/Christoph Pauli | AZ/ANAutor