Was das Wichtigste bei seinem ersten Trainingslager mit den Profis ist, hat Steffen Eder schnell begriffen: Demut. Am Ende der ersten Trainingseinheit in Algorfa schnappt sich der 19 Jahre junge Innenverteidiger das Ballnetz und räumt auf. Noch ist er hier Sammler. Und nicht Jäger.
Hat ihm jemand einen Tipp gegeben oder ist er selbst auf diese Idee gekommen? „Das war für mich selbstverständlich, dass ich das Ballnetz trage“, sagt Eder – „bei der U21“, flachsen Abdelhamid Sabiri und Dominic Baumann, „macht er das ja auch“.
Die Stimmung unter Nürnbergs Nachwuchsspielern ist gut in Südspanien, auch wenn sich Ramon Castellucci, der aus dem Trio ab Mitte der Woche später ein Quartett macht, das Wetter ein wenig anders vorgestellt hatte. „Ich hatte mich gefreut, dass ich in wärmere Gefilde komme, nun ist es anders gekommen“, sagt er, während sich vor der Glasfassade des Teamhotels große Pfützen bilden.
Am Dienstagmorgen entdeckte er mehrere verpasste Anrufe auf seinem Handy, gleich dreimal hatte Michael Köllner, der Trainer der U21, versucht, seinem Torhüter mitzuteilen, dass die beiden Trainingseinheiten mit dem Nachwuchs nicht die einzigen Aufgaben des Tages bleiben würden. Raphael Schäfer war in Alicante mit einem grippalen Infekt aus dem Flugzeug gestiegen und weil abzusehen war, dass Nürnbergs ewige Nummer eins, im Trainingslager nicht einmal eine gesunde Nummer zwei würde abgeben können, buchten sie noch schnell einen Flug für den 19 Jahre jungen Castellucci. „Die Umstände kann ich nicht beeinflussen“, sagt er zu Schäfers Erkrankung, „insofern freue ich mich, dass ich hier erste Erfahrungen sammeln darf.“ Sonne, Schnee, Platzregen, Blitz, Donner, Hagel – die vier jungen Fußballer haben viel erlebt bei ihrem ersten längeren Ausflug zu den Profis. Entscheidender waren aber natürlich die Einheiten auf dem Platz, die Momente, in denen sie sich von den älteren Kollegen Kritik anhören mussten oder vom Trainer gelobt wurden.
Der Ton, das haben sie schnell gemerkt, ist etwas rauer als in ihrem gewohnten Umfeld, das Tempo höher, die Zweikämpfe intensiver, „hier“, sagt Dominic Baumann, „gelten andere Gesetze“. Baumann, 21, auffällige Frisur, auffällige Tätowierungen, ist im Juli 2015 von Dynamo Dresden zum 1. FCN gewechselt und eigentlich hatte er erwartet, dass er dann immer mit der ersten Mannschaft trainiert. Aktuell ist der Stürmer Kapitän der zweiten und hofft wie einige andere darauf, dass der Umbruch beim Club vielleicht auch ihm eine neue Perspektive bietet. „Man merkt, dass gerade Chancen da sind und jetzt“, sagt er, „will man sie natürlich auch nutzen.“
Wie Erras, Mühl und Teuchert
Patrick Erras, der nach einer schweren Knieverletzung in Alicante zum ersten Mal wieder richtig mit der Mannschaft trainieren durfte, hatte seine Chance bereits genutzt, auch Innenverteidiger Lukas Mühl und Angreifer Cedric Teuchert sind derzeit mehr als Aushilfskräfte – die Durchlässigkeit ist beim Club gegeben. Auch weil sie nicht mehr so viel Geld für neues Personal ausgeben können.
Der Abgang von Guido Burgstaller hat den Konkurrenzkampf zusätzlich befeuert, vor allem der gebürtige Marokkaner Abdelhamid Sabiri könnte davon profitieren. Den 20-Jährigen haben sie vor ein paar Monaten bei den Sportfreunden Siegen in der Oberliga entdeckt, am Valznerweiher wollten sie ihn in der Regionalliga in Ruhe weiterentwickeln, aber möglicherweise kommt die Beförderung nun schneller als gedacht. Im Trainingslager hat er bei Trainer Alois Schwartz einen guten Eindruck hinterlassen, in den Testspielen bekam er oft den Vorzug vor dem 37-fachen Nationalspieler Rurik Gislason. „Manchmal denke ich immer noch: Krass, so schnell geht das, plötzlich bin ich einfach hier“, sagt er über seinen Sprung zu den Profis. Demnächst könnte es vielleicht noch ein bisschen krasser kommen.
Seine jungen Mitstreiter werden sich vielleicht noch etwas länger gedulden müssen, die entsprechende Demut haben sie in Südspanien bewiesen. „Noch tragen wir nach dem Training gerne die Bälle und Tore“, sagt Sabiri. Bald wollen sie aber Jäger sein. Und keine Sammler mehr.
Am liebsten nach New York: Steffen Eder
Ein Dank auch an die Oma: Dominic Baumann
Vorbild Zidane: Abdelhamid Sabiri
Die Bundesliga als Ziel: Ramon Castellucci