2024-05-08T14:46:11.570Z

FuPa Portrait

Von der türkischen Riviera ins Westend

Der ungewöhnliche Wechsel des Giorgio Beltau

Giorgio Beltau (17) trägt in dieser Saison das Trikot der Mönchengladbacher U19 und misst sich mit seinem Team in der A-Jugend Bundesliga. Groß geworden in der Jugend des ruhmreichen FC Twente Enscheide, musste er sich zur aktuellen Spielzeit neu orientieren und war auf Vereinssuche. Doch dann folgte ein Familienurlaub, dessen Folgen sein Leben verändert haben.
Hardenberg, Enschede, Side, Venlo, Mönchengladbach. Mit Reisen kennt sich Giorgio Beltau mittlerweile bestens aus. Bei den Geschehnissen aus seinem jüngeren Leben ging es in Vergangenheit häufiger von A nach B, nun weilt er in MG. Die Geschichte beginnt mit einem namhaften, aber schwer kranken Patienten aus den Niederlanden.

Dem zweimaligen niederländischen Meister geht es nicht gut. Der FC Twente Enschede soll Verbindlichkeiten von circa 90 Millionen Euro Schulden angehäuft haben. Als Antwort darauf wurde vorallem im Jugendbereich gespart. Trainer und Scouts wurden entlassen, auch die Kader im Nachwuchsbereich wurden drastisch "entlastet". Ein leidtragender Akteur war der 17-Jährige Giorgio Beltau. Nach sechs Jahren beim Club aus der Eredivisie entschloss sich der Verein, ihn nicht in die A-Jugend hochzuziehen. "Im ersten Moment war das natürlich ein Schock", erinnert sich der leidenschaftliche Fan seines ehemaligen Vereins.
Doch der Sommerurlaub mit seinen Eltern verschaffte dem Blondschopf eine neue Perspektive, und zwar in Deutschland. Thomas Welzer, seines Zeichens Trainer des SV Mönchengladbach II, befand sich zur gleichen Zeit mit Ehefrau Nadja und Sohn Philip in Side.
Beide Familien lernten sich in der Hotelanlage kennen und vor allem schätzen, wie Thomas Welzer berichtet: "Wir haben uns sofort gut verstanden, unsere Familien sind mittlerweile gut befreundet. Zwangsläufig sind wir im Urlaub natürlich auf das Thema Fußball zu sprechen gekommen", erinnert sich der ehemalige Landesliga-Spieler: Der Abgang vom FC Twente verleitete Welzer zu einer spontanen Idee: "Ich bot ihm an, dass ich nach dem Urlaub sein Manager werde. Giorgios Eltern haben zuerst gelacht, ich habe das aber hundertprozentig ernst gemeint."
Wie der Zufall es will, spielt Welzers Sohn Philip in der U17 des 1.FC Mönchengladbach, sodass Welzer um ein dreitägiges Probetraining bei Coach Marcel Winkens bat. Dieser akzeptierte und erinnert sich an die ersten Trainingseindrücke: "Auf einmal ist er bei uns aufgetaucht. Da wir auf der Innenverteidiger-Position quantitativ eher dünn besetzt sind, haben wir uns ihn angeschaut. Er ist für seine Position ziemlich schnell und haut sich im Training immer zu hundert Prozent rein, da können sich andere eine Scheibe von abschneiden", so der Coach. Giorgio nächtigte während seiner ersten Trainingseinheiten im einen Hotel ganz in der Nähe der Ernst-Reuter-Anlage, während seine Familie weiter im angrenzenden ostniederländischen Hardenberg blieb.
Das niederländische Talent überzeugte nach den Trainingseinheiten und erhielt eine Zusage für die aktuelle Saison. Da sein alter Verein aus dem Ausland kommt, muss in solchen Fällen die FIFA eine Spielgenehmigung erteilen. Eine solche ist bislang noch nicht auf der Geschäftsstelle der Westender eingegangen, sodass die Neuverpflichtung sein Können bislang nur im Training und in Testspielen unter Beweis stellen kann. "Das ist für uns natürlich sehr ärgerlich", beklagt Trainer Winkens. "Wir hoffen, dass die FIFA in einigen Tagen ein Signal sendet und wir ihm dann endlich Spielpraxis geben können."
"Spielerberater" Welzer griff in Vergangenheit häufiger zum Handy und telefonierte mit dem DFB, um sich bei dieser Problematik beraten zu lassen. "Das hat mir mittlerweile den Spitznamen "Herr DFB" eingebracht", so Welzer, der seinem Schützling eine kleine Wohnung im Mönchengladbacher Stadtteil Windberg organisierte. In regelmäßigen Abständen kommen Giorgios Eltern zu Besuch. "Wenn wir hier sind, fühlen wir uns sehr wohl. Die Mentalität der Menschen hier ähnelt sich sehr zu derer aus unserer Heimat", erklärt Giorgios Vater Andrew.
Mobilität bleibt im Alltag des Innenverteidigers das wichtigste Credo: Jeden Morgen geht es in aller Frühe mit dem Zug nach Venlo, wo er eine Ausbildung zum Mechatroniker absolviert. Am späten Nachmittag geht es dann in seine neue Heimat, ehe dann vier mal in der Woche am großen Traum gearbeitet wird. "Der Traum, Fußballprofi zu werden, begleitet mich seit meiner Kindheit. Ich will es unbedingt schaffen. Natürlich ist eine Ausbildung für einen "normalen" Beruf wichtig, aber der Fokus liegt für mich ganz klar beim Fußball." Was er für die Erfüllung des Traums benötigt, kommt bei Nachfrage schnell und präzise: "Natürlich viel arbeiten, mehr als die anderen. Dazu kommen eine gute Ernährung, die richtige Lebensweise und auch gute Leistungen in der Schule. Ich will gute Leistungen für den FC bringen und es irgendwann in den Profifußball schaffen."
Erst damit hätte er nach einer langen Reise sein Ziel erreicht.


Aufrufe: 018.9.2015, 17:04 Uhr
Sebastian EußemAutor