2024-05-02T16:12:49.858Z

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Der Oberligaabsteiger bereitet  sich auf die Saison in der Brandenburgliga vor. Foto: Matthias Haack
Der Oberligaabsteiger bereitet sich auf die Saison in der Brandenburgliga vor. Foto: Matthias Haack

Kein Häuptling für Jung-Indianer vom 1. FC Frankfurt

Der Neustart unter Trainer Jan Mutschler wird schwer, weiß Markus Derling: „Es ist schwieriger, sich von unten hochzuarbeiten als oben zu bleiben. Bis zu unserem Oberliga-Aufstieg 2015 hatte es ein Dutzend Jahre gedauert.“

Der 1. FC Frankfurt ist aus der Fußball-Oberliga abgestiegen. Zweimal sportlich eigentlich draußen und nur dank glücklicher Umstände dringeblieben, fehlte es dem Team trotz besserer Punkte- und Tore-Bilanzen als in den Vorjahren an der Qualität und auch am Quäntchen Glück.

Die Ausgangslage für das dritte Oberliga-Abenteuer war denkbar schlecht. Die sehr späte Entscheidung des NOFV-Präsidiums, das nach FCF-Anfrage den insolventen SV Schöneiche auf den letzten Tabellenplatz setzte und so die Frankfurter rettete, stellte den Club zugleich vor Riesenprobleme – auch für Neu-Trainer Peter Flaig. Er hatte bei seiner Verpflichtung ab 1. Juli 2017 nur für die Brandenburgliga und einen Neuaufbau geplant, zumal sich Stammspieler wie Tobias Fiebig, Dennis Hildebrandt und Pawel Zielinski sowie die Zwillingsbrüder Felix und Florian Matthäs vom vermeintlichen Absteiger abgemeldet hatten.

Der NOFV-Beschluss mit Präzisierung des Regelwerks nach Saisonschluss war ein herausforderndes Geschenk, hatte allerdings späte Konsequenzen für die eigene Nachrüstung. Die Suche nach Neuverpflichtungen mit Niveau gestaltete sich schwierig. Nach Mathias Reischert (Schöneiche) konnten so peu à peu mit Paul Karaszewski (Union Fürstenwalde) sowie den Polen Piotr Kasperkiewicz und Sebastian Zajka gestandene Akteure dazugewonnen werden. In der Winterpause leistete man sich noch den als „Wanderburschen“ bekannten José Raimundo Silva Magalhaes aus Charlottenburg. Der als Topstürmer gehandelte Brasilianer pausierte allerdings drei Monate wegen Zehenbruchs. Im Angriff lastete wieder zu vieles auf den Schultern von Artur Aniol, der immerhin 14-mal traf. „Er brennt für den Club“, urteilt Präsident Markus Derling.

Der Verein musste seiner Philosophie treu bleiben und verstärkt auf den eigenen Nachwuchs setzen. In der vergangenen Saison hatten mit Damian Schobert, John Lukas Sauer, Paul Peschke, Leon Herzberg, Lars Wiedenhöft und Matti Stamnitz bereits sechs U 20-Akteure ihr Männer-Oberliga-Debüt gegeben. Diesmal kamen noch Sandro Henning, Tobi Labes, Niclas Weddemar, Angelo Marcel Müller, Lukas Guttke, Ruven Bertel und Florian Schrape dazu. Von diesen 13 schafften es es zehn in die Stammformation – bemerkenswert. Die meisten zeigten gute Ansätze, allen voran Henning (18), Bertel (17) und Weddemar (18). „Für ihr Alter top, das konnte man so nicht erwarten“, schätzt Co-Trainer Fred Garling ein. „Aber keiner darf sich auf Talent ausruhen.“

Ja, mutig waren sie. Die Cleverness, die Abgebrühtheit freilich fehlte in vielen Situationen. Und die Konstanz wie beim technisch starken Cottbus-Rückkehrer Tobi Labes (19). „Der ist mit dem Ball schneller als andere ohne“, staunte man. Aber wer will, wer darf den Youngstern Fehler und Schwankungen groß ankreiden wie nach 2:0-Führung gegen Lichtenberg, wo man völlig die Kontrolle und das Spiel noch verlor (2:4). Oder die grottenschlechten Vorstellungen gegen Seelow und Staaken. Probleme bekam die Mannschaft immer, wenn sie selbst das Spiel gestalten musste. Nach Balleroberung schnell und präzise in die Spitze zu spielen gelang selten. Meist kickten sie ordentlich mit, belohnten sich jedoch nicht.

Das Durchschnittsalter hat sich in den drei Oberliga-Serien ständig verjüngt: von 25,2 über 24,7 auf 23,8 Jahre. Ein Antreiber, eine Führungspersönlichkeit oder gar ein Motivationskünstler wie einst Garling, der immer gewinnen will, fehlt nach wie vor auf dem Platz, ebenso der kreative Spielgestalter. „Viele Indianer, aber kein Häuptling“, könnte man salopp sagen. Routiniers wie Reischert und Karaszewski konnten sich im ersten Frankfurt-Jahr nicht zum Leitwolf aufschwingen. „Aber sie machten ihr Ding“, wie Flaig urteilt. „Aus Reischis Freistößen und Eckbällen wurde jedoch zu wenig gemacht.“ Auch Zajka und Kapitän Erik Huwe gaben dem Team etwas Stabilität. Verletzungen von Robin Grothe, Huwe, Weddemar, Guttke, Herzberg und Magalhaes allerdings erforderten immer wieder Positionswechsel im System. Sie machten zugleich das Dilemma eines zu kleinen Kaders ohne echte Alternativbesetzung sichtbar.

Der Klassenerhalt war trotz schwankender Leistungen drin. Abgesehen von einigen leichtfertig vergebenen Punkten waren die Oderstädter nach den Erfolgen in Rostock (4:1) und gegen den CFC Hertha (1:0) zu Ostern noch im Plan. Dann war die Luft raus, gab es zum Schluss acht Niederlagen und nur ein torloses Remis im Nachholespiel in Schwerin. „Möglich, dass wir taktisch manchmal zu viel wollten, anstatt uns mit einem Unentschieden zu bescheiden“, merkt Flaig selbstkritisch an. Eine kleine Sieg-Serie gelang nicht. „Vielleicht haben wir die Jungs nach einem Erfolg zu sehr gelobt“, sucht Garling nach Gründen.

Dann das überraschende Cheftrainer-Ende eine Woche vor Schluss. Vorausgegangen waren Gerüchte, Flaig habe Frankfurter Spieler zum Wechsel nach Seelow angesprochen und überreden wollen. Diese Abwerbeversuche allerdings kamen vom SV Victoria selbst, wie ein Club-Vorstandsmitglied nach der Trennung einräumte. Die Differenzen blieben, man sprach von Vertrauensbruch. Zwar hat der 1. FCF im Umfeld einiges auf den Weg gebracht, arbeitet professioneller (Pressegespräche, Sponsorenbetreuung ...), aber offensichtlich noch nicht professionell genug. Verträge mit Trainern – wie anderswo längst üblich – statt Handschlag könnten hilfreich sein für mehr Stabilität.

Mit dem Oberliga-Abstieg hat der 1. FCF zwar etwas an Strahlkraft für die Region und für den Nachwuchs verloren. Aber eine Klasse tiefer ist auch eine Chance, sich zu entwickeln, zu festigen und mit mehr Siegen vor allem das Selbstbewusstsein der jungen Akteure zu fördern. Daran mangelte es – und nach vielen Nackenschlägen auch am unbedingten Siegeswillen.

Der Neustart unter Trainer Jan Mutschler wird schwer genug, weiß Markus Derling: „Es ist schwieriger, sich von unten hochzuarbeiten als oben zu bleiben. Bis zu unserem Oberliga-Aufstieg 2015 hatte es ein Dutzend Jahre gedauert.“ Diesmal hoffentlich nicht so lange. Am 25. August startet die Brandenburgliga mit langjährigen Kontrahenten wie Mitabsteiger Victoria Seelow sowie FC Eisenhüttenstadt und Preußen Eberswalde. Frankfurts Nichtabstieg im Vorjahr und die damit verbundene Aufstockung der Oberliga auf 17 Mannschaften hatte auch den Tabellenvorletzten „Hütte“ vor dem Abstieg gerettet. Die Dankbarkeit ein Jahr später wird sich in Derby-Grenzen halten...

Aufrufe: 015.7.2018, 09:30 Uhr
Hans EberhardAutor