2024-03-18T14:48:53.228Z

Querpass

Die Frau mit den Mickeymaushänden

Arminias zweite Torfrau Ülkay Kollu über ihre Rolle als Reservistin und die damit verbundenen ungeahnten Perspektiven


Es ist 7.50 Uhr, als das Telefon klingelt. Etwas benommen registriert Ülkay Kollu den Anrufer: Markus Wuckel. Der Trainer. Das Herz fängt an zu wummern. „Ich spürte, es muss etwas Ungewöhnliches passiert sein. Sonst hätte er nicht das Telefon ausgewählt“, schildert die schwarzhaarige 19-jährige die Vorkommnisse. Sie kennt ihren Trainer, der die kurze und prägnante Kommunikation bevorzugt. Und ihr Gefühl täuscht sie nicht. Die Nachricht über die Trennung von Torwarttrainer Ralf Schmidt nimmt sie mit gemischten Gefühlen auf. Zum ersten Mal in ihrer noch jungen Karriere ist sie „Führerlos“. Doch das Gefühl währt nicht lange. Denn bis eine langfristige Lösung gefunden worden ist, stellt sich der Coach selbstlos und selbstverständlich zur Verfügung und übernimmt dieses Amt: 45 Minuten extra Schicht bedeutet dies für alle Beteiligten.
Neue Saison, neues Glück. Die kurzzeitig aufkeimende Hoffnung zur Nummer 1 zu avancieren wurden mit Bekanntgabe der Verpflichtung Vivien Brandts jäh zerstört. Kein Grund aber für die zierliche Dame mit den überdimensionalen großen Händen die Konkurrentin vom Nachbarsverein FSV Gütersloh 2009 mit Ressentiments zu begegnen. Eine große Chance, sich für die Startelf zu empfehlen, hatte Kollu, die als Mädchenspielerin schon zwischen den Pfosten für ihr Heimatland Türkei stand, eh nicht. Sie ist ein ganz anderer Typ auf dem Pfosten-Posten als ihre erheblich größere Kollegin. Selbstkritisch gibt sie zu, dass ihr auf natürlichem Wege einfach ein paar Zentimeter fehlen, um ganz oben mitmischen zu können. Außerdem zählt Vivien Brandt zum erweiterten Kader des U-20-DFB-Teams. "Und es ist ein offenes Geheimnis, dass den Spielern aus dem DFB-Tross mehr Spielzeit zugestanden werden muss", konstatiert sie mit einem schelmischen Grinsen. Und sie ergänzt: „Das ist auch nur logisch. Wie soll man sich denn ohne Spielzeit für die Auswahlmannschaft empfehlen können?“ Diese klaren Verhältnisse könnten so manch eine Spielerin wegen der vermeintlichen Aussichtslosigkeit der Situation in große Frustration stürzen. Nicht so Kollu, die sich als wahrer Rückhalt entpuppt. „Ich sehe meine Aufgabe in jedem Training, das Beste aus mir und aus meiner Torwartpartnerin herauszuholen. Von Machtkämpfen und Streitigkeiten halte ich nichts, das gibt nur böses Blut und schlechte Laune“.
Ein Motivations- und Trainingskonzept, das aufgeht und für ihre sportliche Reife spricht.
Arminias Edelreservistin weist trotz ihrer Jugend einen erheblichen Erfahrungsschatz auf. Seit U-17-Tagen genießt sie die Nationalförderung aus der Türkei und hat bereits bei den B-Mädchen des Herforder SV Bundesligaluft schnuppern können. Weil aber die erste Mannschaft des Herforder SV im Zuge des Erstligaaufstiegs 2015 gleich zwei Torhüterinnen verpflichtet hatte und mit Rike Abt eine Langzeitverletzte zurückgekehrt war, sah die ehrgeizige Abiturientin beim altersbedingten Wechsel zu den Damen keine Perspektive mehr für sich. So schloss sie sich im Sommer 2015 passend zu ihrem Wohnort Bielfeld dem DSC an, mit dem sie den Durchmarsch in die 2. Bundesliga Nord absolvierte und mit ihrem positiven Wesen Vivien Brandts Vorgängerin zu Höchstleistungen pushte. Manch Unbeteiligter mag angesichts dieses gefühlten Rückschritts verständnislos mit dem Kopf schütteln. Selbstironisch nimmt Kollu diese Bedenken auf: „Seien wir ehrlich. Torhüter sind auch nicht ganz normal im Kopf. Das liegt vielleicht daran, dass wir uns über jeden Ball freuen, den wir abbekommen. Egal wie hart er ist.“ bekennt sie lachend.
Ülkay Kollu hat den unkonventionellen Rollenwechsel von der Stammkeeperin zur zweiten Geige nicht bereut. »Ich bin froh, es gemacht zu haben. Das Training bei Arminia ist sehr intensiv, die Trainingsumfänge sind detailliert und abwechslungsreich. Es macht einfach super viel Spaß“, würdigt sie das Engagement. So mutig und unverfroren sie sich in die Bälle wirft, so forsch wagt sie die Prognose für die kommende Saison: Die 19-Jährige ist sich sicher, dass trotz der Auftaktniederlage gegen den Aufstiegsfavoriten SV Werder Bremen das Potenzial des Aufsteigers ausreicht, um sorgenfrei durch die zweite Liga zu kommen.
Auch Trainer Markus Wuckel ist von seiner zweiten Torhüterin überzeugt: „Ülkay ist sehr ehrgeizig und zuverlässig. Aufgrund ihres hohen Trainingspensums kann ich immer auf sie zählen.“ Gerne wäre Arminia mit drei Torhüterinnen in die Saison gegangen, doch dafür reichte das Budget nicht. Darin sieht der Cheftrainer keinen Nachteil, sondern eher einen Vorteil. „Ülkay ist 100 % loyal, das erleichtert die gemeinsame Zusammenarbeit ungemein", fügt der Coach hinzu, der sehr viel Wert auf diese Tugenden legt.
Vielleicht wird Kollu schon bald für ihren unermüdlichen Einsatz - nämlich Mitte November, wenn Vivien Brandt eventuell auf Reisen ist - belohnt. Dann wird sie ihr Können unter Beweis stellen (müssen) und zeigen (müssen), dass sie trotz der geringen Spielpraxis ihre Vorgängerin würdig vertreten kann. Markus Wuckel hegt keine Zweifel: Denn das Training ist immer so angelegt, dass die Torhüter unter Wettkampfbedingungen Gelegenheit haben, sich auszuzeichnen.
Ein Ligaeinsatz wäre das gleiche, nur mit wesentlich größerem Publikum!

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Aufrufe: 031.8.2016, 21:19 Uhr
Romina BurgheimAutor