So feiert der MTV 100 Jahre Fußball in Himmelpforten

Als Samland zurückblickt, sitzt er am Waldsportplatz an einem Tresen, der legendärer nicht sein könnte. Die Theke hat die größten Geschichten der Himmelpfortener Fußballer erlebt. Pokalsiege, Meisterschaften und Aufstiege feierte man hier und beweinte Niederlagen und Abstiege. Samland ist von klein auf eng mit dem Verein verwurzelt und war bei unzähligen Storys hautnah dabei.

Erst als Jugendkicker, der sonntags zum Sportplatz pilgert, um heutige Vereinslegenden wie Rüdiger Lattmann, Holger Helmke und Stefan Schulz anzufeuern. "Ich denke gerne an die Jugendzeit beim MTV zurück", so Samland. Später spielt er mit ihnen zusammen. "Wir sind noch heute in Kontakt, fahren manchmal gemeinsam in den Urlaub", so der Großhandelskaufmann.

Benefizspiel zugunsten der Kinderkrebshilfe

Früher stand der Tresen in Witt’s Gasthof. Als das Vereinslokal nach 100 Jahren schließt, bauen die Fußballer ihre Kneipe in der Blockhütte wieder auf - und die ist bereit für neue Storys. Die nächste folgt bereits am Sonnabend. Himmelpforten empfängt um 14 Uhr die SV Drochtersen/Assel. Kreis- gegen Regionalliga. Freizeitkicker gegen Halbprofis. Der Verein rechnet mit rund 300 Zuschauern und vielen Treffern. "Wir wollen aber unter 15 Gegentoren bleiben", so Jan Samland. Der MTV will den Tag zudem nicht nur feiern, sondern auch etwas Gutes tun: Die kompletten Eintrittsgelder kommen der Aktionsgemeinschaft Kinderkrebshilfe Oste zugute.

Bereits in der kommenden Woche beginnt dann die Saisonvorbereitung. Coach Samland geht in seine vierte Spielzeit. Als ihn Abteilungsleiter Mirko Burfeindt Ende 2018 anspricht, trainiert Samland noch die U17 von Drochtersen/Assel, bildet heutige Regionalligaspieler wie Christian Rusch aus und organisiert große Jugendturniere. Der 34-Jährige wohnt in Drochtersen und fährt mit dem Fahrrad zum Training. Es gibt schlechtere Orte, um sich als ambitionierter Trainer auf hohem Niveau seine Sporen zu verdienen.

MTV spielte eine seiner besten Saisons

Dennoch reizt Samland das Projekt in Himmelpforten, nicht nur weil es eine Herzensangelegenheit ist. Er hat auch ein unkonventionelles Konzept, wie er der ersten Herren neues Leben einhauchen will. Der B-Lizenz-Inhaber geht einen Schritt zurück, um zwei nach vorne zu machen: Viele junge Spieler hätten heutzutage eher andere Interessen als früher und die älteren seien Väter. Die Trainingsbeteiligung sei entsprechend überschaubar gewesen. "Wir trainieren daher nur einmal die Woche und Heimspiele sind freitags. Da hat man das Wochenende meist freie Zeit", erzählt Samland, für den der Ball aber auch da rollt. Sohn Fjonn lässt keine Gelegenheit aus, um mit seinem Vater im Garten zu bolzen. Mama, Papa und die Großeltern leben es ihm vor. Im November bekommt der Dreijährige dann ein Geschwisterchen. "Ob Junge oder Mädchen, der Zwerg wird wohl nicht am Fußball vorbeikommen", scherzt Samland.

Der Plan mit wenigen, aber langen und intensiven Trainings und freien Wochenenden geht auf. Sorgen um konditionelle Defizite bewahrheiten sich nicht und die Trainingsbeteiligung steigt rasant. "Wir sind häufig mehr als 16 Leute. Da kann man sehr gut taktische Elemente trainieren", so der frühere Spielmacher. Himmelpforten spielt 2021/22 eine seiner besten Spielzeiten seit Jahren, hat nie etwas mit dem Abstieg zu tun - und Potenzial sich weiter zu entwickeln. Die Startelf ist im Schnitt mitunter 21 Jahre jung. Viele kommen aus der eigenen Jugend. Samland: "Geduld und Vertrauen haben sich ausgezahlt. Das Team ist zusammengewachsen." Die Basis für den nächsten Schritt (und eine zweite Trainingseinheit) ist geschaffen.

Tod des Obmanns erschüttert das ganze Dorf

"Wir verstehen uns als Breitensportverein, der bei den Männern, Frauen und in der Jugend natürlich erfolgreich sein will", nennt Abteilungsleiter Burfeindt das Credo, das man beim MTV seit der Vereinsgründung verfolgt. Vieles auf dem Sportplatz hat man über die Jahrzehnte selbst aufgebaut.

Dass Himmelpforten von sich behaupten kann, gut aufgestellt zu sein, stand noch vor wenigen Jahren auf der Kippe. Am 1. April 2017 stirbt der damalige Abteilungsleiter Tobias Rosendahl unerwartet und trifft ein ganzes Dorf bis ins Mark. Rosendahl war als engagierter Obmann das Gehirn der Sparte - und auch ihr Herz. Der 39-Jährige hatte bei privaten Sorgen für jeden ein offenes Ohr und stellte sich bedingungslos vor seine Schützlinge. Das wussten die Spieler zu schätzen. "Sein Tod hat eine tiefe Lücke in den Verein gerissen", ist man sich in Himmelpforten einig. Viele im Ort gingen damals sogar davon aus, dass sich die MTV-Fußballer von dem Schicksalsschlag kaum erholen würden. Es kam anders. "Wir werden den Fußball in Himmelpforten mit den Tugenden, die du uns vorgelebt hast, weiterführen", schwor man sich und trat das Rosendahlsche Erbe an.

Heute setzt man, angeführt von Burfeindt, Samland und Teammanager Lars Wagenknecht, die Arbeit erfolgreich fort. Wagenknecht schnürt ein mehrere Zehntausend Euro schweres Paket. "Wir wollten den Spielern eine Perspektive bieten", so der Teammanager. Im Rahmen von "Konzept MTV 2.0" statten sie unter anderem alle Spieler neu aus und erneuern den Waldsportplatz. Natürlich überwiegend in Eigenregie. Credo ist Credo.