2024-05-02T16:12:49.858Z

Spielvorbericht
Rivalen, die sich respektieren: Die Langzeit-Präsidenten Manni Schwabl (SpVgg Unterhaching, l.) und Robert Reisinger (TSV 1860) bei einem Weißwurstfrühstück im Ayinger Bräustüberl.
Rivalen, die sich respektieren: Die Langzeit-Präsidenten Manni Schwabl (SpVgg Unterhaching, l.) und Robert Reisinger (TSV 1860) bei einem Weißwurstfrühstück im Ayinger Bräustüberl. – Foto: Stefan Matzke / sampics

Löwen-Präsident Reisinger: „Sechzig ist ein Verein in der manischen Depression“

Präsidenten-Treffen vor dem S-Bahn-Derby

Am Sonntag tritt der TSV 1860 bei der SpVgg Unterhaching an. Das S-Bahn-Interview mit den beiden Präsidenten Manfred Schwabl und Robert Reisinger.

Aying – Sie sind die Urgesteine auf den Präsidentensesseln der 3. Liga: Manfred Schwabl steht bald zwölf Jahre an der Spitze der SpVgg Unterhaching, Robert Reisinger vor seinem verflixten siebten Jahr als Oberlöwe. Beide pflegen einen respektvollen Umgang miteinander, das war schon 2018 so, als wir die beiden erstmals an einen Tisch gebracht haben.

Nun, vor dem Derby im Sportpark, haben wir Schwabl (58) und Reisinger (60) erneut zum Interview gebeten, wie üblich an einem neutralen Ort. Bei einem Weißwurstfrühstück im Bräustüberl Aying kamen beide schnell ins Plaudern – über die Last ihrer Ehrenämter, die finanziellen Herausforderungen der 3. Liga, das Duell am Sonntag (19.30 Uhr, wir berichten live aus dem Stadion) und eine nicht eingelöste Wette. Lesen Sie heute Teil eins unseres großen Doppelinterviews.

„Ich habe im Sommer schon angemahnt, dass diese Saison hart wird.“

Robert Reisinger

Herr Reisinger, Haching hat als Aufsteiger sechs Punkte mehr als 1860 auf dem Konto, steht drei Tabellenplätze besser da und bekommt mehr Geld aus dem Nachwuchsfördertopf des DFB. Wie gerne würden Sie mit dem Kollegen Schwabl tauschen?
Reisinger: Gar nicht, weil jeder für sich selbst verantwortlich ist. Ich habe im Sommer schon angemahnt, dass diese Saison hart wird. Aber ein Tausch käme für mich nie infrage.
Und für Sie, Herr Schwabl? Was haben die Löwen, was der Haching-Präsident vermisst?
Schwabl: Mehr Mitglieder. Mehr Leute im Stadion, aber das kann sich ja irgendwann ändern (grinst).

„Sechzig ist ein Verein in der manischen Depression. Da gibt es bloß himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt. Derzeit haben wir wieder eine Zu-Tode-Betrübt-Phase.“

Robert Reisinger

Fast sechs Jahre ist es her, dass Sie beide sich letztmals mit unserer Zeitung zum Doppelinterview trafen. 1860 war damals Aufsteiger aus der Regionalliga, Haching schon ein Jahr länger in der 3. Liga. Ihr Fazit dieser Jahre?
Reisinger: Wir sind gut durch die Corona-Zeit gekommen. Da war eigentlich alles, würde ich sagen, gut geplant. Wir haben keinen großartigen Schaden erlitten, weder im Profifußball noch im Gesamtverein. Die letzten eineinhalb Jahre haben mir dann nicht so gefallen. Aber jetzt sind wir wieder auf einem guten Weg, das in die richtigen Bahnen zu lenken.
Schwabl: Für uns waren die letzten sechs Jahre ein Auf und Ab, sportlich, wirtschaftlich, auch strukturell. Vor Corona waren wir zwischenzeitlich auf Aufstiegskurs, danach sind wir sportlich völlig abstürzt. Bis heute ist mir das unerklärlich. Trotzdem habe ich viele Erfahrungen gesammelt. Früher sind wir häufig in Rückrunden eingebrochen, jetzt sind wir auch da stabiler.
Damals hätte man vermutlich prognostiziert, dass zumindest einer der beiden Vereine bis 2024 aufgestiegen ist. Was ist falsch gelaufen in den Jahren seit dem Aufstieg 2018?
Reisinger: Mit zwei vierten Plätzen waren wir ja zweimal ganz knapp an der 2. Liga dran. Danach sind wieder die für unseren Verein üblichen Mechanismen eingetreten: Jeder meinte, er hat die besseren Konzepte oder Ideen. In der Folge ging der Zusammenhalt verloren, das Gemeinsame, das wir während Corona sehr gut gelebt hatten. Ich sage immer: Sechzig ist ein Verein in der manischen Depression. Da gibt es bloß himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt. Derzeit haben wir wieder eine Zu-Tode-Betrübt-Phase. Aber auch aus der Phase werden wir wieder rauskommen.

„Wir müssen schaffen, dass wir wirtschaftlich stabil auch in der 3. Liga funktionieren können.“

Manni Schwabl

Mit dem von den neuen Geschäftsführern vorgestellten Sparplan, der Löwen-Biss und Rudel-Denken voraussetzt?
Reisinger: Die Geschäftsführer dürfen sich den Berg-und-Talfahrt-Emotionen nicht hingeben. Sie müssen rational an Problemstellungen herangehen. Christian Werner und Oliver Mueller machen das sehr gut, nehmen Mitarbeiter, Fans, Sponsoren und das ganze Umfeld super mit.
Wird das Ziel Aufstieg nun wieder ernsthaft verfolgt?
Reisinger: Wie von fast allen Vereine in der 3. Liga auch. In dieser Liga will keiner bleiben.
Schwabl: Ich habe schon beim Börsengang gesagt, dass die 3. Liga sportlich total attraktiv ist, aber wirtschaftlich halt, wie auch Robert sagt, das Gegenteil. Eigentlich musst du ganz schnell raus aus dieser Liga. Wir haben aber jetzt den Kurs dahingehend geändert, dass ich sage: Wir müssen schaffen, dass wir wirtschaftlich stabil auch in der 3. Liga funktionieren können. Den Aufstieg kannst du mitnehmen, wenn du einen Lauf hast, aber es sollte keine wirtschaftliche Notwendigkeit sein. Bei uns in Haching müssen viele Dinge zusammenpassen, dass wir oben angreifen können. Sportlich verlieren wir das Ziel natürlich nie aus den Augen, aber wir sind auch realistisch.

„Allen Unkenrufen zum Trotz sehe ich keine Stagnation.“

Robert Reisinger

Sie, Herr Schwabl, werden im Sommer zwölf Jahre Präsident der SpVgg sein. Sie, Herr Reisinger, sind immerhin seit fast sieben Jahren der Oberlöwe. Wie wichtig ist Kontinuität in der Chefetage?
Reisinger: Soll ich anfangen? Also gut. Ich denke, dass es bei Sechzig ein Novum ist in den letzten 20 Jahren, also seit Wildmoser, dass ein Präsident das so lange aushält. Das macht schon was aus, wenn im Präsidium oder auf der Funktionärsebene Kontinuität herrscht. Das sieht man ja auch bei uns, denn allen Unkenrufen zum Trotz sehe ich keine Stagnation. Dafür sprechen allein schon die wirtschaftlichen Kernzahlen, also die KPIs, die wir in der KGA haben. Auch im e.V. haben wir super Zahlen.
Es gibt aber auch Leute, die sagen: Jetzt ist es mal gut mit Reisinger. Keine 2. Liga, kein ausgebautes Stadion, dafür ein Verein, der nie gespaltener war. Was entgegnen Sie Ihren Kritikern?
Reisinger: Dass es offenbar zwei Welten gibt, eine virtuelle und die reale. Wenn ich bei Fanclubs bin, erlebe ich ein ganz anderes 1860 München. Nicht das Zerstrittene, wo Hate Speech an der Tagesordnung ist, sondern da treffe ich Leute, die sich vernünftig mit Themen auseinandersetzen können. Klar gibt es Kritikpunkte, denen stellen wir uns auch. Aber so eine Zerrissenheit, wie sie in den sozialen Medien rüberkommt, die gibt es in der realen Welt nicht.

„Auf dem Platz darf es gerne scheppern, aber nicht außerhalb.“

Manni Schwabl.

Und Sie, Herr Schwabl, wie nehmen Sie Ihren ehemaligen Verein wahr?
Schwabl: Man verfolgt natürlich die Nachbarvereine, vor allem, wenn man selber mal da gespielt hat – und jetzt wieder in der gleichen Liga angesiedelt ist. Ich werde ja oft gefragt: Was sagst du zu 1860 und zu dem und dem Thema? Ich mag das aber nicht, irgendwelche Urteile abzugeben, ohne mir vorher zu 100 Prozent ein eigenes Bild gemacht zu haben. Am Ende kommen nur Stammtischparolen raus, und die möchte ich auch nicht hören, wenn es um unseren Verein geht. Lieber rufe ich den Robert direkt an und kläre ein Thema im direkten Gespräch. Auf dem Platz darf es gerne scheppern, aber nicht außerhalb.
Viel Leute sähen auch in Ihnen, Herr Schwabl, einen geeigneten Löwen-Präsidenten . . .
Schwabl: Die Frage hat sich nie gestellt.
In Haching herrscht gefühlt heile Welt. Kein Gegenwind, keine Opposition . . .
Reisinger: Ich glaube jetzt nicht, dass der Manni keinen Gegenwind hat.
Schwabl: 2016 hatte auch ich mal eine Opposition. Gegenwind hat man in Haching natürlich genauso, aber von der Dimension her ist es bei 1860 sicher extremer. Ein bisschen Gegenwind gehört ja auch dazu.. Aber wenn einem was nicht passt, dann soll er mir das bitteschön direkt sagen. Ich gebe da gar nichts drauf, wenn dir jemand nach drei Flaschen Wein irgendeinen Kommentar übers Internet herknallt. Also Kritik Auge in Auge ja, aber nicht über die sozialen Medien.

„Langfristig gesehen werden wir auf jeden Fall eine Stadionlösung brauchen.“

Robert Reisinger

Wäre das Grünwalder schon ausgebaut, wenn der Präsident Schwabl hieße? Sie hatten ja damals einen berühmten Plan in der Schublade…
Schwabl: Ich bin mir sicher, dass der damals umsetzbar gewesen wäre. Mittlerweile ist es aber so, dass sich Gesetzgebung und Vorschriften in unserem Land komplett verschärft haben. Ich glaube, dass es in der Dimension mit 32.000 Zuschauern an diesem Standort nicht mehr gehen würde.
Das Stadion als ewiger Bremsklotz. Gibt es Hoffnung, dass sich dieses Thema so lösen lässt, dass am Ende alle zufrieden sind?
Reisinger: Die für alle befriedigende Lösung werden wir nicht hinkriegen. Es gibt Leute, die der Allianz Arena hinterher trauern. Andere favorisieren einen Neubau. Und dann gibt es die Ultra-Orthodoxen, die sagen: Giesing und sonst gar nichts. Das ist die Quadratur des Kreises. Ich habe immer gesagt, ich will eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung für die KGA. Wir fühlen uns im 60er-Stadion wohl. Wir würden uns sehr freuen, wenn es die Stadt zu wirtschaftlich vernünftigen Konditionen für uns umbaut. Langfristig gesehen werden wir auf jeden Fall eine Stadionlösung brauchen. Aber jetzt sind wir Tabellen-14. in der 3. Liga. Da will ich nicht über einen Neubau philosophieren.

Aufrufe: 026.4.2024, 08:14 Uhr
Uli KellnerAutor