2024-04-25T14:35:39.956Z

Allgemeines
FC Bayern München: Linda Dallmann behauptet den Ball im Spiel gegen Real Sociedad San Sebastian
FC Bayern München: Linda Dallmann behauptet den Ball im Spiel gegen Real Sociedad San Sebastian – Foto: Ulrich Gamel/dpa

FCB-Star Dallmann über Mega-Summen im Männerfußball: „Mbappé? Der ist fern der Realität!“

Interview

Im tz-Interview spricht Linda Dallman über den FC Bayern, die Bundesliga, die vergangene EM mit der DFB-Elf und die Perspektiven des Frauenfußballs.

München – Linda Dallmann (28) kam im Sommer 2019 aus Essen nach München, mit vier Treffern in sechs Bundesliga-Spielen ist die Mittelfeldspielerin derzeit die gefährlichste Torschützin der Bayern-Frauen. Im Interview mit unserer Zeitung spricht die Nationalspielerin über den Rückstand auf Wolfsburg, den Hype um Frauenfußball nach der EM und die Belastung durch die englischen Wochen.

Linda Dallmann, beim 3:1-Sieg gegen Meppen am Wochenende haben Sie Ihr 100. Spiel für den FC Bayern gemacht. Was bedeutet Ihnen diese Zahl?
Dallmann: Das ist echt eine Menge, bei den Frauen kann man nicht so viele Bundesliga-Spiele in einer Saison sammeln wie bei den Männern. Deshalb macht mich das stolz, dass ich für den FC Bayern so oft auf dem Platz stehen konnte. Das ist schon eine Marke.
In den bisherigen elf Pflichtspielen dieser Saison haben Sie acht Tore erzielt und vier Vorlagen gegeben. Was sind die Gründe für Ihre starke Form?
Dallmann: Ganz genau kann ich es nicht sagen, aber vielleicht ist es ein Stück weit der Positionswechsel. Ich spiele jetzt weiter außen, was mich häufiger in Eins-gegen-Eins-Situationen bringt und mir ein bisschen mehr Raum gibt. Ich bin auch näher am Tor, teilweise musste ich aber nur noch Querbälle reinschieben. Die waren gut vorbereitet, das ist nicht alleine meine Sache.
Für den Positionswechsel ist der neue Trainer Alexander Straus verantwortlich, auch Lina Magull spielt unter ihm offensiver. Wie ist Ihr Eindruck von Straus?
Dallmann: Er hat einen anderen Blickwinkel als andere Trainer, er sieht uns mit anderen Augen. Weil er den deutschen Fußball noch nicht ab den U-Nationalmannschaften verfolgt hat, ist er unvoreingenommener. Er sieht Lina und mich etwas offensiver und ich finde es gut, dass es umgesetzt wird. Man merkt, ob der Trainer einem das Vertrauen schenkt und wie seine Spielidee ist. Ich glaube, das passt mit ihm ganz gut.
Straus legt sehr viel wert auf Spielkontrolle. Wie gut kann die Mannschaft seine Spielidee schon umsetzen?
Dallmann: Noch nicht zu 100 Prozent. Das liegt aber nicht an ihm, sondern auch an uns. Wir versuchen seine Ideen umzusetzen, dabei verliert man manchmal die einfachen Dinge aus den Augen. Wir haben noch zu viele Fehlpässe, einfache Fehler drin. Das sind so Kleinigkeiten, an denen wir als Team arbeiten müssen. Wir verstehen, was er möchte und wollen es sehr gerne umsetzen. Aber ich glaube, es ist normal, dass die Umsetzung in der Anfangsphase noch ausbaufähig ist.
Zum Bundesliga-Auftakt gab es ein 0:0 in Frankfurt, das Spitzenspiel in Wolfsburg wurde verloren. Wie würden Sie die Lage in der Bundesliga aktuell einschätzen?
Dallmann: Die Saison ist noch zu jung, um zu sagen, dass der Titel nach Wolfsburg geht. Wir wissen natürlich, dass wir das Heimspiel gegen Wolfsburg in der Rückrunde gewinnen müssen. Aber ich glaube, dass die vermeintlich kleineren Gegner in dieser Saison Frankfurt, Wolfsburg und uns mehr Probleme bereiten können. Wolfsburg hat sich am Wochenende in Bremen schwergetan, genauso wie wir gegen Meppen. Das hat mit den vielen englischen Wochen, mit der Belastung zu tun. Wir haben noch genug Chancen, das wieder- gutzumachen. Aber nach sechs Spieltagen fünf Punkte hinter Wolfsburg zu liegen, ist natürlich doof.
Giulia Gwinn und Hanna Glas fallen mit Kreuzbandrissen lange aus, generell sind viele Spielerinnen derzeit verletzt. Die Folgen des EM-Jahres?
Dallmann: Das ist sehr schwer zu beurteilen. Aber es ist schon auffällig, dass es auch in den anderen Nationen wie England oder Frankreich sehr viele schwere Verletzungen gibt. In einer Statistik war kürzlich von 30 Kreuzbandrissen in den Top-5-Ligen die Rede, Frauen sind dafür genetisch anfälliger. Das zeigt, dass die Belastung enorm ist und es wird in den nächsten Jahren nicht besser. Es ist aber auch die Verantwortung der Spielerinnen, ehrlich zu kommunizieren, wenn etwas sein sollte, um die Belastung in Zusammenarbeit mit dem Verein bestmöglich zu steuern.

Linda Dallmann über Auswirkungen der EM: „Bei unseren Heimspielen ist viel mehr los“

In diesem Jahr fand die Europameisterschaft in England statt, im nächsten Sommer ist die WM in Australien und Neuseeland, dann 2024 die Olympischen Spiele in Paris und 2025 wieder EM. Der nächste richtige Sommerurlaub für die Nationalspielerinnen könnte also 2026 sein. Trainer Straus hat angesichts dieser Belastungen ein Umdenken gefordert. Sehen Sie es ähnlich?
Dallmann: Ich bin ein Fan davon, zu zocken. Ich will immer schnell wieder spielen. Wir bekommen immer zwei, drei Wochen nach der Saison frei, in denen man in den Urlaub fahren kann. Komplett ausfallen muss der Urlaub also nicht. Aber ich kann die Vereine verstehen, die Bedenken haben wegen ihrer Spielerinnen. Unser aktueller Stand an Verletzungen spiegelt das wider.
Bei der EM konnten Sie mit der Nationalmannschaft Werbung für den Frauenfußball machen. Wie spüren Sie persönlich das gestiegene Interesse?
Dallmann: Bei unseren Heimspielen ist viel mehr los, das Stadion ist voll und die Stimmung ist da. Ich finde es sehr schön, dass wir durch die EM etwas bewegen konnten. Wir werden häufiger erkannt und anders wahrgenommen, beim Einkaufen, oder wenn man in der Stadt unterwegs ist. Wenn Mädels mit offenen Haaren unterwegs sind, ist das vielleicht anders. Aber ich sehe in der Freizeit genauso aus wie auf dem Platz. Da gibt es schon einen Wiedererkennungswert und man wird häufiger angesprochen.
Also Haare auf, wenn Sie anonym bleiben wollen?
Dallmann: Genau! (lacht)
Am 7. Dezember wird das Heimspiel in der Champions League gegen den FC Barcelona in der Allianz Arena ausgetragen. Wir sehr freuen Sie sich schon darauf?
Dallmann: Das ist natürlich ein Highlight-Spiel. Der Rahmen ist ein anderer, das Spiel findet während der Männer-WM in Katar statt. Vielleicht schauen sich dann auch Fans der Männer unser Spiel an. Das könnte der optimale Zeitpunkt sein, um die Allianz Arena möglichst voll zu kriegen. Aber ich freue mich auf jedes Spiel gleich und noch ist das Spiel in weiter Ferne.
Trotz des gestiegenen Interesses am Frauenfußball sind die Zahlen noch weit von denen der Männer entfernt. Zuletzt wurde bekannt, dass Kylian Mbappé bei Paris Saint-Germain 630 Millionen Euro in drei Jahren verdienen soll. Was denken Sie als Profi-Fußballerin und als Fußball-Fan darüber?
Dallmann: Das ist fern der Realität. Für mich hat das wenig mit Fußball zu tun oder mit dem normalen Leben. Das ist nichts, worum ich ihn beneide. Das ist ein Geschäft, mit dem man sich nicht identifizieren kann. Damit haben wir im Frauenfußball nichts zu tun und da sind wir auch nicht unglücklich drüber.

Interview: Christian Stüwe

Aufrufe: 04.11.2022, 07:59 Uhr
Redaktion tzAutor