2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
Nach dem Sieg von Haching und dem somit verbundenen Klassenerhalt gab es im Vereinsheim der Ansbacher kein Halten mehr.
Nach dem Sieg von Haching und dem somit verbundenen Klassenerhalt gab es im Vereinsheim der Ansbacher kein Halten mehr. – Foto: Stefan Dehm

Erst »Genickschlag«, dann Extase: Bei Ansbach »läuft nix normal«

Ohnehin schon irre 24 Monate hat die SpVgg Ansbach mit den beiden zurückliegenden Wochen noch einmal gesteigert: Die Nullneuner bleiben Regionalliga, obwohl sie es selber nicht mehr für möglich gehalten haben.

Die "Achterbahn der Gefühle" (Christoph Hasselmeier) der SpVgg Ansbach fand auf Mallorca ihren berauschenden Abschluss. Die kurzfristig einberufene Saisonabschlussfeier im Bierkönig oder wahlweise im Megapark war noch einmal eine körperliche Herausforderung, wohingegen die stark geforderte Festplatte nach der mentalen Dauerbelastung zuletzt schon etwas formatiert werden konnte. "24 Stunden durchfeiern ist in meinem Alter gar nicht mehr so einfach", stellt Teammanager Stefan Dehm (inzwischen wieder) nüchtern fest.

Es klingt alles so locker leicht. Einfach eine intensive Spielzeit auf der spanischen Partyinsel feiern. Gemeinsam zurückblicken, gemeinsam loslassen, gemeinsam neu motivieren. Doch ganz so einfach ist es dann doch wieder nicht – vor allem im Falle der SpVgg Ansbach. Denn das, was die Mittelfranken in den vergangenen 24 Monaten erlebt haben, passt auf keinen Bierdeckel mehr. Zumal die zurückliegenden zwei Wochen das noch einmal getoppt haben, was eigentlich vorstellbar ist. Stefan Dehm möchte das alles in Worte fassen, schafft es aber auch mit etwas Abstand noch nicht - und das hat in diesem Fall gar nichts mit Mallorca zu tun.

Seit 2019 ist der ehemalige Bezirksliga-Keeper Teammanager der Nullneuner. Wobei sein Aufgabenbereich arg an das eines Sportlichen Leiters erinnert. Und Zeit, sich einzuarbeiten, blieb ihm wahrlich nicht viel. Erst kam der Trainerwechsel von Robert Kovacic zu Christoph Hasselmeier, dann die Corona-Pandemie mit all ihren Folgen für den Amateurfußball, die ausführlichst beschrieben worden sind. Diese Zwangspause nutzten Dehm und Hasselmeier für ihre inzwischen legendäres Küchen-Meeting. "Wir haben da einerseits unser Profil geschärft, also unsere Philosophie, auf eigene Talente aus der Region zu setzen. Andererseits haben wir ausgearbeitet, was wir von den Spielern verlangen – aber auch vom Verein."

Und es waren wohl die richtigen Ideen. Denn von da an ging es aufwärts. Es stellte sich nicht nur der Erfolg ein. 21/22 stieg Ansbach über die Relegation in die Regionalliga auf. Dort schafften Dietrich & Co. in der vergangenen Spielzeit wiederum über den Umweg Relegation den ersten Viertliga-Klassenerhalt der Vereinsgeschichte. Es entwickelte sich gleichzeitig ein Team, das diese Bezeichnung auch verdient hat, generell zog der ganze Verein verstärkt an einem Strang. Die komplette Vorstandschaft, die freiwilligen Helfer, das Rasenteam. "Der Spirit und Zusammenhalt ist einzigartig", macht Dehm deutlich. Das ist auch der Grund dafür, warum sich der 45-Jährige in Rekordzeit eingefunden hat - und sich mittlerweile durch und durch mit dem Verein identifiziert. Genauso wie die Spieler und die Region rund um die mittelfränkische Stadt.

Wechselbad der Gefühle: Nach der Pleite gegen Memmingen war der Abstieg in die Bayernliga eigentlich fix. Eigentlich.
Wechselbad der Gefühle: Nach der Pleite gegen Memmingen war der Abstieg in die Bayernliga eigentlich fix. Eigentlich. – Foto: Sportfoto Zink / A. Schlirf

Das ist die eine, die positive Seite der jüngsten Vergangenheit. Es gibt aber auch die andere. Die negative Seite, die, die genannte Achterbahn erst so richtig in Fahrt bringt. "Rückschläge gehören bei uns wohl dazu", erklärt Patrick Kroiß. Der Torjäger selbst musste das spüren, als ihm Ende 2022 das Kreuzband riss – genauso wie seinem Sturmkollegen Michi Sperr wenige Wochen davor. "Aber wir haben es geschafft, immer gestärkt zurück zu kommen." Er meint mit den Rückschlägen die Verletzungen, die jede Mannschaft zu verkraften hat. Aber auch Ereignisse, die Ansbach exklusiv hat.

21/22 musste man trotz der erstaunlichen Punkteanzahl (81 – punktgleich mit Meister Vilzing) in die Saisonverlängerung. Damals reichten zwei Begegnungen mit Eltersdorf dafür, dass man diese Nerven-Spiele überstand. Heuer wurde es dann richtig extrem. Oder, wie Stefan Dehm es nennt: "sehr, sehr, sehr, sehr schwer" - mental und körperlich. Erst am letzten Spieltag der Saison 22/23 war klar, dass die Nullneuner in die Relegation müssen. Fünf Spiele innerhalb von 13 Tagen standen dann an. Die zweite Sommerpause, die ihren Namen nicht verdient hat.

"Gott sei Dank haben es die Jungs geschafft, das Negative schnell aus den Köpfen zu bekommen", blickt Dehm zurück. Wieder einmal wurden Wehwehchen ignoriert. Wieder einmal wurde der eigene Geist überrumpelt. Es wurde noch einmal enger zusammengerückt. Selbst verletzte Spieler wie Patrick Kroiß waren selbstredend bei jedem Spiel, bei jeder Trainingseinheit dabei. "Natürlich wurde es mit jedem Tag schwierig für mich, nur zuzuschauen. Aber ich wollte unbedingt eine Stütze sein für die Jungs." Und das alles mit Erfolg. Die Aufgabe Gebenbach wurde relativ souverän gelöst. Auch das Hinspiel der 1. Runde in Memmingen war in Ordnung. Dann allerdings das Rückspiel: 1:3 hieß es am Ende, was den Abstieg bedeutete.

"Ein Genickschlag. Der wohl heftigste von den vielen", beschreibt Stefan Dehm die Momente nach dem Spiel. Oder besser gesagt: Er versucht es. Bei Patrick Kroiß war "Tristesse angesagt". Und Eric Weeger war einfach nur "Game Over". Der 26-jährige Innenverteidiger ist der Spieler im Kader mit den meisten Einsätzen in den vergangene beiden Jahren. 68 Partien bestritt er ohne längere Pause. Und am Ende ohne Erfolg bzw. mit dem Gang zurück in die Bayernliga im Gepäck "Vor allem mental ein Dauerfeuer. Ich war einfach nur leer." Und das, obwohl Weeger als ehemaliger Profi Dauer-Druck gewohnt ist.

Doch, und das ist inzwischen bekannt und passt irgendwie zur SpVgg Ansbach, das war nicht die Pointe. Aus der Ernüchterung wurde innerhalb kürzester Zeit pure Freude – Stichwort: Achterbahn. Haching stieg in die 3. Liga auf, gleichbedeutend damit war der Klassenerhalt der Nullneuner. "Das Hinspiel. Die Führung im Rückspiel. Der drohende Spielabbruch. Das war noch einmal irre. Oder irgendeine andere Steigerung des Bisherigen, wenn das noch möglich ist", erzählt Dehm. Das Vereinsheim war während der Partie der Vorstadt gegen Cottbus, die im TV übertragen wurde, bis auf den letzten Platz gefüllt. Und am Ende wurde gejubelt, als hätte die Hasselmeier-Truppe selbst einen wichtigen Sieg eingefahren. Hat sie ja auch - aber nur indirekt. Patrick Kroiß tauschte seine legendäre Cola sogar gegen einen Longdrink.

"Es kann einfach nicht normal laufen, wenn es um uns geht", startet Stefan Dehm einen erneuten Versuch, alles irgendwie einzuordnen. Es gelingt ihm aber wieder nur bedingt. Es gibt wohl nicht die richtigen Worte für die vergangenen 24 Monate der SpVgg Ansbach – und erst recht nicht für die zurückliegenden zwei Wochen. Fest steht nur, dass sie alle – egal ob Stefan Dehm, Patrick Kroiß oder Eric Weeger – noch oft diese Geschichte erzählen müssen. So unwirklich ist sie. Und es steht auch fest, dass der nächste Tiefschlag für die Nullneuner folgt. Aber, keine Sorge: Das nächste Highlight ist ebenso nicht weit...

Aufrufe: 015.6.2023, 10:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor