2024-05-02T16:12:49.858Z

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Mit dem Löwen auf der Brust aus der Karriere-Sackgasse: Offensiv-Hoffnung Eroll Zejnullahu.
Mit dem Löwen auf der Brust aus der Karriere-Sackgasse: Offensiv-Hoffnung Eroll Zejnullahu. – Foto: sampics / Christina Pahnke

Eroll Zejnullahu: Vom Flüchtlingskind zum Fußballprofi – „War sehr hoch, bin tief gefallen“

Zweite Chance

Wenn jetzt nichts mehr dazwischenkommt, wird am Samstag beim FC Wemding ein weiterer 1860-Profi seinen Einstand feiern.

München – Eroll Zejnullahu (28), formal seit Ende Juni ein Löwe, hat noch keine Testspielminute in den Beinen. Kurz nach seinem Wechsel aus Bayreuth setzten ihn muskuläre Probleme außer Gefecht. Eine hartnäckige Geschichte, aber nichts, was einen leidgeprüften Fußballer wie Zejnullahu aus der Bahn wirft.

Mit Rückschlägen kennt sich der Kosovare aus, denn wäre seine Karriere stringent verlaufen, seinem Talent entsprechend, würde er nächste Saison mit Union Berlin in der Champions League spielen – und nicht 3. Liga mit 1860.

TSV 1860 als zweite Chance für Zejnullahu

Rückblende: In einem Flüchtlingsheim in Berlin geboren, hat der Straßenkicker schon in jungen Jahren einen steilen Aufstieg hingelegt – bis in den Profikader von Union Berlin. „Ich bin der letzte Jugendspieler, der es dort gepackt hat“, berichtete der Neulöwe bei einer Vorstellungsrunde. Damals, gute zehn Jahre her, hatte Zejnullahu den für sich passenden Verein gefunden. Union entwickelte sich stetig weiter, ebenso das junge Offensivtalent. Sein fünftes von insgesamt 79 Zweitligaspielen bestritt er gegen 1860 (1:1 im Mai 2014) – da war Zejnullahu gerade mal 19 Jahre alt. „Ich hatte mir in jungen Jahren ein tolles Standing erspielt“, blickt er zurück.

Dann, aus Gründen, auf die er nicht näher eingehen will, folgte ein Karriereknick. Gesundheitliche Probleme, falsche Berater, die ersten Vereinswechsel. Die Geschichte vom Flüchtlingskind, das es zum Fußballprofi geschafft hatte – sie war nun kein Märchen mehr. Sandhausen, Jena, FC Nitra (Slowakei), Berliner AK. Die Vereine, für die Zejnullahu spielte, wurden immer unbedeutender. Bayreuth, seine letztjährige Station, wurde zum Wendepunkt. Die SpVgg stieg ab, doch für Zejnullahu ging es wieder aufwärts. Nach einer Saison mit sechs Toren und sieben Assists klopfte 1860 an. Er hat sich die Chance erarbeitet, findet er: „Von außen betrachtet, ging’s nur noch runter, runter, runter. Ich nehme keinem übel, wenn er mich abgeschrieben hat. Ich hab’s als Herausforderung gesehen: Harte Arbeit und ein bisschen Glück – dann geht’s auch wieder nach oben.“

TSV 1860: Zejnullahu will Chance nutzen

Pragmatismus, angeeignet auf einem steinigen Lebensweg. Die Probleme fingen schon an, da war Zejnullahu noch gar nicht richtig auf der Welt. „Meine Mutter war schwanger mit mir, als wir nach Berlin geflüchtet sind. Wir haben knapp zehn Jahre in einem Asylheim gewohnt. Das war für meine Eltern eine harte Zeit. Sie durften nicht einmal arbeiten, du warst da gefangen wie in einem Käfig.“ Schlimm für den Vater, der wegen des Bürgerkriegs ein Unternehmen aufgab, schlimm auch für seine Mutter, die Chemie studiert hat – für den noch kleinen Eroll nicht ganz so schlimm, denn im Rückblick überwiegen bei ihm die positiven Erlebnisse: „Es waren hunderte von Kindern da – einer hatte immer einen Ball, wir haben gebolzt, bis die Sonne unterging.“ So leidenschaftlich, dass der technisch versierte Bolzplatzkicker für den Profifußball gecastet wurde. Tasmania, Hertha Zehlendorf – bis er bei Union landete.

Dass sich die Unioner über die Spitzengruppe der Bundesliga bis nach Europa vorgearbeitet haben, gönnt Zejnullahu seinem Ex-Verein. „Wahnsinn, was da passiert“, sagt er: „Ich glaube, die wenigsten hätten ihnen diesen Weg zugetraut.“ Für ihn selbst ist Drittligist 1860 jetzt der zu beschreitende Weg in eine bessere Zukunft. Sein Ehrgeiz ist ungebrochen: „Ich war sehr hoch, bin tief gefallen – und ich will auf jeden Fall zurück.“ (ulk)

Aufrufe: 017.7.2023, 06:20 Uhr
Uli KellnerAutor