2024-05-08T14:46:11.570Z

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Jakob Scheller hat bei TuRa Brüggen viel geschafft.
Jakob Scheller hat bei TuRa Brüggen viel geschafft. – Foto: Heiko van der Helden

Erfolg nach Scheller Art

TuRa Brüggen und Jakob Scheller sind sich seit Jahren treu.

2018 übernahm Jakob Scheller bei TuRa Brüggen in prekärer Lage seinen ersten Trainerposten – und hätte beinahe nur eine kurze Verweildauer gehabt. Vier Jahre später steht der Verein vor dem Sprung in die Landesliga. Über einen Trainer, der das Risiko liebt, sich selbst als „anstrengend“ bezeichnet – und bei einem Landesliga-Aufstieg durchaus seine Bedenken hat.

Das mit der Tabellenführung hat nicht lang gehalten. Genau eine Woche, dann war der Spitzenplatz für TuRa Brüggen nach einer Niederlage gegen die Reserve des TSV Meerbusch wieder futsch. Das nervt, natürlich, Jakob Scheller geht es da nicht anders. Ein paar Tage später kann der Trainer jedoch schon gelassener damit umgehen. „Wir sind nicht durchgedreht, als wir Tabellenführer waren, und drehen auch jetzt nicht durch“, sagt Scheller. Andersherum steht dem Verein derzeit etwas bislang Einmaliges in Aussicht: Der Aufstieg in die Landesliga – etwas, dass vor einigen Jahren noch als undenkbar in Brüggen galt. Fünf Partien sind noch zu spielen, drei Punkte rangiert TuRa derzeit hinter Spitzenreiter Fortuna Dilkrath. Alles noch drin. Das löst auch bei Scheller positive Aufregung aus, allerdings auch ein paar Bedenken. Weil er weiß, was die Landesliga von einem Verein erfordert, und weil er weiß, wo TuRa Brüggen herkommt und was der Verein durchgemacht hat.

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Dafür reicht alleine ein Blick auf die Zustände, in denen er im Sommer 2018 das Traineramt übernahm. Damals warf Markus Steffens nach nur sieben Monaten das Handtuch – Unruhe in der Mannschaft und im Verein, Steffens wollte nicht mehr. Und er war beileibe nicht der einzige Trainer, der nur ein kurzes Gastspiel auf dem Brüggener Vennberg verlebte: In den Jahren davor kam der Verein kaum eine Spielzeit ohne Trainerwechsel aus, trotz Aufstiegs in die Bezirksliga. „Die Idee, Trainer zu werden, war schon da – aber nicht in diesem Moment“, sagt Scheller rückblickend auf jene Zeit.

Seit der Jugend ein Teil von TuRa

Verlockend war die Aufgabe in Brüggen nun nicht wirklich: Eine Mannschaft mit hohem Trainerverschleiß, knapp besetzt, und ergänzt mit Spielern aus zweiten und dritten Mannschaften. Allerdings wollte sich das auch kein anderer Trainer antun. Also übernahm Jakob Scheller – ein Brüggener, seit der Jugend bei TuRa aktiv und zuvor Kapitän der ersten Mannschaft – mit 28 Jahren seine erste Cheftrainerrolle. Seine aktive Karriere hatte er zuvor aufgrund einer Schambeinentzündung aufgeben müssen.

Und Scheller wäre beinahe der nächste Kurzzeittrainer geworden: Zehn Punkte nach 19 Spielen, im Winter sah alles nach einer Rückkehr in die A-Liga aus. „Ich hätte es damals verstanden, wenn der Verein gesagt hätte: Jakob, du machst es gut, aber wir versuchen noch einmal etwas anders.“ Der Verein hielt jedoch an ihm fest. Am Ende gelang nach einer wahnwitzigen Aufholjagd mit fünf Siegen aus den letzten fünf Spielen der Klassenerhalt.

Vieles vom aktuellen Erfolg der Mannschaft liegt in dieser Zeit begründet. Zum einen ist ein Teil des Teams seitdem zusammengeblieben, zum anderen hat jene Saison auch den Trainer geprägt. „Die zehn Punkte im Winter lagen womöglich auch an mir. Wir sind uns aber treu geblieben“, sagt er. Treu bleiben bedeutet: Mutig und offensiv Fußball spielen, trotz der prekären Lage. Scheller hätte die Saison damit voll gegen die Wand fahren können, dem ist sich der Trainer auch heute noch bewusst. Gegenwind kam intern ohnehin genug auf. Es ging jedoch gut. Das stärkte auch seine Position.

Scheller hat eine klare Idee

Scheller ist ein Mann mit klaren Ansichten und Prinzipien, keiner, der Dinge heute so, morgen so beurteilt. Fußball hat für ihn vor allem mit Haltung zu tun, einer offensiven Haltung. Das gilt sowohl im Umgang mit der Mannschaft als auch für seine Idee von Fußball. „Es geht um Emotionen und Bock, Fußball zu spielen. Mutig agieren, rangehen, viel über uns sprechen. Das ist besser, als zu verwalten, weil wir nichts zu verwalten haben“, sagt Scheller. Diese Grundüberzeugung besteht seit Tag eins, die Mannschaft ist daran über die Jahre gewachsen – nach Scheller Art. „Ich glaube, ich bin extrem anstrengend als Trainer“, sagt er lachend, „ich stehe aber für Werte und Ideen und habe eine Mannschaft zusammen, die das teilt.“

In der Vorsaison reichte das bereits zu Platz zwei in der Bezirksliga, wobei Meister Victoria Mennrath uneinholbar war. In diesem Jahr performt Brüggen noch einmal eine Stufe höher: 77 Tore bedeuten die mit Abstand beste Offensive der Liga, in der Torjägerliste stehen Nils Bonsels und Daniel Kawohl mit 27 und 18 Treffern auf Platz eins und vier – Ausdruck von Schellers Spielidee.

Probleme in der Defensive

Während vorne Treffer in Serie fallen, ist Brüggen defensiv allerdings anfällig. Das begünstigt torreiche Partien wie ein 6:3 gegen Schiefbahn, ein 4:6 gegen Wickrath, ein 4:4 gegen Uerdingen oder einen 4:3-Erfolg zum Rückrundenauftakt gegen Spitzenreiter Dilkrath. Ist der Spielstil zu riskant? Scheller will das nicht überbewerten. „Defensiv sind wir nicht so schlecht, wie wir teilweise gesehen werden. Oft bestrafen wir uns selbst, weil wir nicht konsequent genug sind“, sagt er, ehe er lachend anfügt. „Vielleicht liegt es teilweise auch daran, wie wir spielen.“ Würde er in entscheidenden Partien für mehr Sicherheit vom Offensivstil abrücken? „Nein, ich würde nichts ändern“, sagt Scheller. Ein Weg, eine Überzeugung.

Womit wir wieder beim Thema Aufstieg wären. Die Landesliga sei zu Saisonbeginn nicht als Ziel ausgegeben worden. Für Scheller kommt der Schritt ohnehin zu früh: „Das kann ehrlicherweise nur funktionieren, wenn es nachhaltig ist. Das ist nicht negativ gemeint, aber der Verein hat da noch Arbeit zu leisten. Der sportliche Erfolg kam schneller als die nachhaltige Entwicklung von unten.“ Die Konkurrenzsituation in der Landesliga ist eine andere als in der Bezirksliga. Und dem Verein fehle die Finanzkraft, um den Kader für dieses Niveau anzupassen, so Scheller. In Brüggen funktioniert die Landesliga für ihn nur über eine gute Jugendarbeit, in der sich der Verein die nötigen Spieler selbst heranzieht. Selbst in der Bezirksliga müsse man aktuell bei Spielerverpflichtung oft „kreativ“ sein, also vor allem nach Spielern schauen, die irgendwo unter Potenzial laufen oder unzufrieden sind. „Wir sind im Moment eine gute Bezirksliga-Mannschaft, damit ist viel geschafft“, so Scheller. Der Trainer fügt zum Thema Aufstieg jedoch an: „Die Wahrheit ist aber auch: Wenn es möglich ist, dann machen wir es. Denn aus sportlicher Sicht will man es natürlich.“

Richtungsweisende Partie am Sonntag

Das habe er auch in der Mannschaft gemerkt. Im März kam sein Team nur zu einem 1:1-Remis bei Abstiegskandidat ASV Süchteln II. „Da waren es plötzlich fünf Punkte Rückstand zu Dilkrath. Da habe ich die Enttäuschung in der Mannschaft gesehen, dass Dilkrath nun in der Tabelle wegzieht“, sagt Scheller. Inzwischen ist der Aufstiegskampf jedoch wieder offen, auch da Dilkrath sich überraschend einige Patzer leistete. Scheller will in dieser Phase nun vor allem auf Sachlichkeit setzten – die Emotionen sind ohnehin überall am Lodern. „Es geht darum, zu gucken und zu analysieren, was die Mannschaft akut braucht. Wir müssen bei uns bleiben und dürfen uns von den Ergebnissen nicht blenden lassen“, so Scheller.

Der Gradmesser, ob Brüggen bis zuletzt um den Aufstieg mitspielt, steht an diesem Wochenende an. Die Sportfreunde Neuwerk sind zu Gast, die sich als bestes Rückrundenteam etwas unter dem Radar an die Tabellenspitze herangepirscht haben – Neuwerk liegt einen Punkt hinter Brüggen und vier hinter Dilkrath. „Das Spiel bringt eine kleine Vorentscheidung. Der Gewinner wird wahrscheinlich mit Dilkrath um den Aufstieg spielen“, sagt Scheller.

Aufrufe: 029.4.2023, 21:00 Uhr
RP / Daniel BrickweddeAutor