2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Urgestein, Legende, Kultfigur: Helmut Wirth kennt so ziemlich jeder, der sich mit dem Amateurfußball in Südostbayern beschäftigt.
Urgestein, Legende, Kultfigur: Helmut Wirth kennt so ziemlich jeder, der sich mit dem Amateurfußball in Südostbayern beschäftigt. – Foto: Werner Franken

»Durch die Hölle gegangen«: Trainer-Legende Helmut Wirth sagt Servus

Der 67-Jährige, der in Nieder- und Oberbayern sowie der Oberpfalz als Trainer im Einsatz war, beendet seine Karriere

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Aus is' und goa' is und schod is, dass' woa is. Zuletzt hat Helmut Wirth bereits kein Angebot mehr angenommen, obwohl einige Verein angefragt hatten. Der SV Neufraunhofen während der Corona-Saison 2019/21 war seine letzte Station - für immer. "Während der Pandemie habe ich verstärkt gemerkt, dass es wichtigere Dinge gibt als den Fußball", macht der 67-Jährige deutlich. So hat das in Günzkofen (Lkr. Landshut) lebende Trainer-Urgestein seine Karriere bereits langsam aber sicher ausklingen lassen. Nun zieht er einen kompletten Schlussstrich.

"Es ist einfach an der Zeit", gesteht sich die Amateurfußball-Legende, die auf Stationen in Nieder- und Oberbayern sowie der Oberpfalz zurückblickt, selber ein. Einerseits "bin ich gesundheitlich kein Weltmeister mehr". Andererseits hat es die Familie verdient, "dass ich mich jetzt komplett um sie kümmere. Gerade meine Lebensgefährtin hat mir immer den Rücken freigehalten", erzählt Helmut Wirth, der lange in Velden ein Fitnessstudio leitete, seit Kurzem aber Rentner ist. "Und nun steht einfach sie im Mittelpunkt. Das hat sie verdient."


Bevor sich „da Hele“ in den fußballerischen Ruhestand verabschiedet, blickt er mit FuPa auf die Highlights einer Karriere zurück...


...das generelle Resümee: „Karriere - das ist vielleicht etwas zu hoch begriffen. So etwas haben vielleicht Haaland oder Nagelsmann, aber nicht Helmut Wirth. Ich sage immer Laufbahn. Und diese hat mir viel Freude bereitet. Ich habe viele tolle Vereine trainiert und dort viele tolle Leute kennengelernt. Meist habe ich ja Teams verantwortet, die um den Klassenerhalt kämpfen. Da sind wir gemeinsam durch die Hölle gegangen. Und deshalb bedeutet ein Klassenerhalt für mich größere Freude als eine Meisterschaft.“


…ob irgendetwas gefehlt hat in seiner Laufbahn: "Vielleicht eine Auslandsstation. Ein Verein in Österreich, in den Bergen, wäre schon toll gewesen. Aber meine Lebensgefährtin wollte nicht umziehen, was deshalb nötig gewesen wäre."


...welches Spiel besonders in Erinnerung geblieben ist: "Bei fast 1.000 Spielen als Trainer ist es schwierig, da eins herauszustellen. Aber ja, das letzte Spiel der Saison 1985/86 hat es verdient, hier genannt zu werden. Ich war damals Co-Trainer von Karsten Wettberg bei der SpVgg Landshut. In dieser Partie haben wir durch ein 7:0 gegen den FC Bamberg die Meisterschaft in der Bayernliga fix gemacht. Ein einmaliges Ereignis. Insgesamt hatte allerdings jede Station ihre besonderen Spiele. Vor allem die jeweiligen Derbys waren klasse."

...welches Erlebnis er lieber aus seiner Trainer-Biographie streichen würde: "Den freiwilligen Verzicht auf die Aufstiegsrunde nach vorher genannter Bayernliga-Meisterschaft mit der SpVgg Landshut. Keiner weiß, was passiert wäre, hätten wir da teilnehmen dürfen. Uns hätten mindestens drei Spiele mit über 10.000 Zuschauern erwartet. Zudem hätten wir in die 2. Liga aufsteigen können. Noch heute hängt mir diese Sache, die mir damals viele schlaflose Nächte bereitet hat, nach."


Der größte Erfolg: Helmut Wirth (links) bestaunt mit Karsten Wettberg die Trophäe für die Bayernliga-Meisterschaft 1986.
Der größte Erfolg: Helmut Wirth (links) bestaunt mit Karsten Wettberg die Trophäe für die Bayernliga-Meisterschaft 1986. – Foto: Archiv SpVgg Landshut


...bei welchem Verein er die schönste Zeit verbracht hat: "Jede Station hat ihre schönen Seiten. Aber Traunstein war schon besonders – das liegt auch an der traumhaften Landschaft dort."


...welche Station vielleicht ein Fehler war: "Die Zusammenarbeit mit dem VfB Straubing war ein Missverständnis. Sie wollten einen erfahrenen Bayernliga-Trainer, sie wollten ihm aber auch permanent dreinreden. Und ich bin definitiv kein Trainer, der jede Entscheidung vor dem Manager rechtfertigen will."


...wer der beste Spieler war, den er unter seinen Fittichen hatte: "Puh, da gibt es viele. Rudi Stenzel, Stefan Reisinger, Stefan Lex, Ralf Klingmann, Marco Jordan und viele andere. Aber Harald Mothes sticht dann doch etwas heraus. Mit dem ehemaligen DDR-Nationalspieler habe ich gemeinsam in Ampfing gearbeitet. Er ist ja unter anderem in Aue eine absolute Legende. Und das vollkommen zurecht. Seine Pässe sind wie an der Schnur gezogen angekommen, sein Kopfball und Spielverständnis waren überragend. Zudem war er ein feiner Kerl, mit dem ich heute noch Kontakt habe."


...ob es einen typischen Wirth-Fußball gab: "Grundsätzlich habe ich mich am vorhandenen Spielermaterial orientiert. Aber das 4-4-2 war mein Lieblingssystem. Dabei habe ich auf den Außenbahnen gerne Stürmer spielen lassen. Generell habe ich eine laufintensive Spielweise bevorzugt. Deshalb wurde auch sehr hart trainiert, was mir oft als nicht ganz modern ausgelegt worden ist. Aber meine Mannnschaften waren immer bis zur letzten Minute und bis zum letzten Spieltag fit. Wichtig war mir auch, mit gutem Selbstvertrauen aufzutreten – selbst im Abstiegskampf."


...welcher Manager der beste war, mit dem er zusammengearbeitet hat: "Da gibt es gleich drei. Erstens: Werner Pekok. Als er Jugendleiter bei der SpVgg Landshut war, sind wir in die Junioren-Bayernliga aufgestiegen. Der Großteil dieser Mannschaft schaffte dann später bereits erwähnte Bayernliga-Meisterschaft bei den Herren. Zweitens: Lothar Osigus. Ein gebürtiger Bremer, der durch die Bundeswehr in Traunstein gelandet ist. Dort hat er den Verein praktisch im Alleingang geführt. Er hatte das große Talent, in die Köpfe der Spieler zu kommen. Drittens: Günther Grübl. Die Buchbacher Legende schlechthin. Mehr braucht man, glaube ich, da nicht zu sagen."


Angekommen im neuen Jahrtausend: Wirth am 30. Juli 2003 als Trainer der SpVgg Landshut.
Angekommen im neuen Jahrtausend: Wirth am 30. Juli 2003 als Trainer der SpVgg Landshut. – Foto: Walter Brugger


...welchen Verein er gerne noch trainiert hätte: "Außer dem dem FC Liverpool, den ich seit 30 Jahren verehre, keinen. Bei 17 Vereinen im gehobenen Amateurniveau war so ziemlich alles dabei, was ich mir vorgestellt habe."


...was sein größter Fehler war: "Ich habe oft erwartet, dass jeder Spieler mit dem gleichem Feuer und Engagement zu Werke geht – und war dann oft ungerecht."


…welche Regeländerung vorgenommen werden müsste: "Der VAR ist Käse. Zudem war die 10-Minuten-Strafe als Mittelweg zwischen Gelb und Rot ganz praktisch. Was mich unglaublich stört, ist das dauernde Reklamieren. Hier sollte man besser durchgreifen und sich den Handball und das Eishockey als Vorbild nehmen."


...ob früher alles besser war: "Nein. Jede Zeit hatte ihre Vor- und Nachteile. Es ist vieles professioneller geworden. Aber ich muss in der 6. Liga keine Videoanalyse machen. Viele Amateurspieler werden überfrachtet. Man darf aber nicht vergessen, dass selbst in der Regionalliga nebenher gearbeitet oder studiert wird. Und da ist es Unsinn, unzählige ewig dauernde Besprechungen abzuhalten. Ohnehin haben die Spieler zu wenig Freiheit. Lasst sie doch einfach spielen! Lasst sie auf dem Platz in gewissen Szenen selber entscheiden!"


...für wie viel Fußball in seinem Leben noch Platz bleibt: "Ich werde die Szenerie weiter verfolgen. Zudem bleibe ich bei meinem Herzensprojekt Bananenflanker aktiv. Die Arbeit mit behinderten Menschen finde ich sehr wichtig."

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Helmut Wirths (geb. 8.5.1956) Trainerkarriere begann 1976 bei der SpVgg Landshut im Nachwuchsbereich. Später wurde er bei der Spiele Co-Trainer unter Karsten Wettberg. Es folgten Stationen beim FC Emmering (88-92), TSV Ampfing (1992), VfR Garching (93 bis 95), 1. FC Traunstein (95 bis 97), BSG Taufkirchen (97), TSV Aindling (98), Freier TuS Regensburg (98-00), SpVgg Landshut (00-03), TSV Landshut-Auloh (03), SpVgg Landshut (03), FC Dingolfing (04), 1. FC Traunstein (04-06), TSV Buchbach (09-10), FC Pipinsried (11-12), TSV Bad Abbach (12-16), TSV Langquaid (17-18), VfB Straubing (19-20), SV Neufraunhofen (21)

Aufrufe: 026.2.2024, 07:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor