2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Simon Falke hat sein Team auch auf dem Feld immer im Blick
Simon Falke hat sein Team auch auf dem Feld immer im Blick – Foto: Mehmet „Dedepress“ Dedeoglu

„Das schafft diese riesige Identifikation“

Steigen Simon Falke und Polar Pinguin in diesem Jahr in die Berlin Liga auf? Der Spielertrainer sieht das Potential jedenfalls. Für den Verein wäre ein „Meilenstein“. Doch ob er dann in der Funktion weiterhin bleiben kann, steht nicht fest. Er sucht auch im Profifußball einen neuen Verein.

Interview von Marcel Peters - https://www.facebook.com/AmateurberichterstattungMarcelPeters/- regelmäßig Berichte über Berliner und Brandenburger Amateurfußballer oder Vereine. Gesprächspartner: Simon Falke, #535

Simon, der Knoten ist geplatzt. Nach fünf Spielen ohne „Dreier“ konntet ihr am letzten Wochenende endlich wieder einen Sieg feiern. Verdient?

Du hast das richtig gesehen, für uns war das eine sehr schwierige Zeit davor, verlängert durch die spielfreie Zeit, wo wir auch ein Testspiel gegen Al-Dersimspor nicht gut gestalten, nicht gewinnen konnten. Insgesamt haben wir das Gefühl, dass die Saison schlecht läuft vom Faktor Glück-Pech. Wir sind der Meinung, wir könnten schon besser dastehen. Wir haben auch das Gefühl, dass wir mit Hohen Neuendorf klar die beste Mannschaft in der Liga sind, das bekommen wir oft genug bestätigt, zumindest von dem Ansatz den alle Teams gegen uns fahren.

Inwiefern?

Alle spielen super defensiv, stehen sehr tief gegen uns. Ich glaube da tun sich viele schwer Tore zu machen, es ist nicht leicht und wir sind dann eventuell nicht die Besten im Konter verteidigen und haben schon deutlich zu viele Gegentore in dieser Saison bekommen. Jetzt gegen Friedenau würde ich sagen, war es ganz klar unser Spiel, wir hatten mehr Ballbesitz, mehr Chancen und trotzdem steht es dann 2:0 für TSC. Das unterstreicht auch ganz gut, wie die Saison bisher läuft. Das kann man ja nachschauen, wir haben sicher in 12, 13, 14 Spielen zurückgelegen, es könnten auch mehr sein. Dafür, dass wir so häufig zurückliegen haben wir schon unfassbar viele Spiele gedreht. Die Chancen gegen Hohen Neuendorf waren am Ende da wie gegen Friedenau, nur jetzt haben wir sie auch genutzt. Das war für uns natürlich eine mega Sieg, einer der Top-Momente in der Polar-Zeit, weil alles so spät war. Und es war wichtig, ich glaube Friedenau bekommt noch drei Punkte am grünen Tisch zurück und wäre dann punktgleich, beziehungsweise mit einem Sieg sogar drei Punkte vor uns gewesen.

Und wieso gab es vorher die Negativserie?

Viele Gründe kann man hier gar nicht nennen. Wir haben schon eine hohe Fluktuation im Kader, nicht vom Kommen und Gehen, sondern vom Anwesend sein. Dass ist bei Polar wohl auch der Altersstruktur geschuldet, viele Ältere die dann teilweise Job oder Familie dem Vorzug geben und nicht so viele junge Spieler, die dann immer da sind. Verletzungen spielen auch eine Rolle, aber da ist ja bei jedem so. Ich glaube diese Mannschaft, diese Einheit, die jede Woche mit der gleiche Aufstellung aufstellt ist, können wir halt nicht bieten und deswegen ist auch die Leistung fluktuierend. Aber in den letzten Wochen lief es auch einfach schlecht, da haben wir einfach Pech gehabt. Gegen Friedenau haben wir das Glück dann endlich mal wieder auf unserer Seite gehabt.

Du hast Rückstände und schlechte Konterverteidigung angesprochen. Das muss dich doch als Trainer auch extrem wurmen. Was kann man dagegen tun, dass in der Schlussphase der Saison die Fehler minimiert werden?

Um das jetzt nochmal kurz korrekt auf Papier zu bringen. Wir haben jetzt 23 Ligaspiele absolviert in denen wir insgesamt 16 Mal zurückgelegen haben. Acht Mal haben wir die Partie dann noch zu einem Sieg gedreht. Aber insgesamt ist das schon ein Thema. Wir haben unseren Ansatz von extremen Pressing, extremen Gegenpressing zu einem kontrollierten Ansatz umgestellt. Wir haben auch in der Hinrunde zweimal 6:0 und einmal 4:0 verloren, das haben wir jetzt schon besser unter Kontrolle, können es aber weiterhin noch verbessern. Allgemein ist es so, dass wir gegen die meisten Gegner mehr Ballbesitz haben und viele gegen uns Konter fahren und wir so eben viele Gegentore bekommen. Wir könnten den Ball auch mal kontrolliert ins Aus schießen, tief stehen, aber das ist auch nicht unbedingt unser Ansatz. Das ist so ein bisschen die Krux der Saison. Wir sind gut mit dem Ball, aber nicht so wie Bayer Leverkusen, dass wir dann jedes Spiel klar für uns entscheiden. Wir haben viel den Ball, Torchancen werden herausgespielt, auch wenn das noch mehr sein könnten. Mit unserem Stürmer Valdrin Dakaj haben wir auch einen, der die Chance nutzt, aber wenn er nicht da ist, dann fehlt es dahinter an Spielern, die richtig Torgefahr mitbringen. Das könnte man ebenfalls noch verbessern.

Trotz der ganzen genannten Probleme: wollt ihr hoch in die Berlin-Liga? Hat deine Mannschaft das Potenzial und was muss dafür besser laufen?

Wir haben uns im Winter dafür ausgesprochen, dass wir alles für den Aufstieg geben. Jetzt bedeutet auch der zweite Platz den direkten Aufstieg. Ob wir in die Berlin-Liga gehören, vor allem dann auch dauerhaft, ist eine andere Geschichte. Aber den Aufstieg dahin zu schaffen, wäre für den Verein ein richtiger Meilenstein. Berlin-Liga ist dann auch nochmal was ganz besonderes für einen Verein unserer Größe.

Mach den Verein nicht kleiner, als er ist…

Man muss ja nur mal schauen, dass wir extrem weit weg oder generell nie Gehälter und Prämien zahlen werden. In der Berlin-Liga ist man dann schon eher die Ausnahme. Es wird sicherlich spannend dort mitzuspielen. Das Potential für den Aufstieg haben wir, auch in der Liga bleiben kann man schon, langfristig gesehen müsste sich der Kader aber schon wieder verbessern.

Aber daran wird ja schon seit längerem gearbeitet. Es wurde immer wieder Spieler dazu gewonnen.

Ja, das machen wir schon seit Jahren, dass wir darauf achten Spieler mit Qualität auf dem Platz, als auch menschlich, die dann gut ins Gefüge passen, zu addieren. Dass hat uns dann über die letzten Jahre geholfen, eine sehr gute Transferpolitik zu fahren. Wir haben immer Leute zu uns geholt, die den Geist, den wir alle haben, teilen und wir dadurch diese Einheit geblieben sind, die wir schon vor 10, 15 Jahren waren. Das hat sich eigentlich nicht groß geändert.

Du bist seit 2009 dem Verein treu. In verschiedenen Position. Was hat dich an den Verein gebunden und wie blickst du auf die Entwicklung zurück?

Für mich har Polar etwas ausgemacht, was ich aus dem Fußball nicht kannte. Ich komme eigentlich aus München, habe dort in der Jugend nur Leistungsorientiert gespielt. Als ich nach Berlin kam, war ich dann noch ganz kurz bei Hertha Zehlendorf, aber ohne Spiel. Als ich bei Polar vorbeigeschaut habe, damals noch in der Freizeit-Liga, hatte das eigentlich nichts mit leistungsorientierten Fußball zu tun, dafür war es eine riesen Gemeinschaft. Der Unterschied extrem, wie man das Training und Spiel angeht, kaum Konkurrenz zwischen den Leuten, man freut sich über Tore der anderen. Ich kann mich aus der Jugend erinnern, wenn man verloren hat, saß man auf der Bank, war weniger glücklich. Einfach mal Fussball aus so einer positiven Richtung zu erleben war toll für mich.

War es in der Jugend anders, gab es nicht dieses Mannschaftsdenken?

In der Jugend hatte ich eigentlich nie Freunde aus meinen Mannschaften, nur aus der Schule. Jetzt ist das komplett anders, alle meine Freunde aus Berlin spielen auch bei Polar oder haben etwas mit dem Verein zu tun. Das schafft diese riesige Identifikation. Die Väter meiner Freunde haben den Verein gegründet, viele von uns haben mittlerweile Kinder und können sich vermutlich vorstellen, dass diese irgendwann auch hier auflaufen werden. Das beschreibt, wie gut und eng das Verhältnis ist.

Jetzt hast du in den vergangenen zwei Jahren das Geschehen nur aus der Schweiz verfolgen können und bist erst zum Sommer zurückgekehrt. Hat dieser Abstand auch mal ganz gut getan um eine neue Leidenschaft zu entfachen?

Als ich in der Schweiz war, habe ich das schon stark gemerkt. Ich habe auch dort Fußball gespielt, aber es war ein riesen Unterschied. Es war auch eine coole Mannschaft, keine Frage, aber es war einfach anders als mit den eigenen Freunden auf dem Feld zu stehen. Es war ganz nett. Als ich damals gegangen war, stand noch nicht fest, ob ich zurückkehre oder nicht, der Abschied war sehr emotional. Alle haben sich viel Mühe gegeben, ich habe ein Abschiedsvideo bekommen, da habe ich schon gemerkt, wie viel mir das bedeutet. Auch in der Zeit wo ich jetzt nicht da war, wurde mir klar, wie sehr mir das Team, der Verein fehlt und wie wichtig mir das in meinem Leben ist. Kann man schon sehen, dass mir der Abstand auch gut getan hat.

Die „Auszeit“ hast du für einen Job bei einem renommierten Fußball-Verein genutzt. Was waren deine Aufgaben?

Ich war in der Zeit Co-Trainer beim FC St Gallen in der Schweizer Super League, davor war ich bei Hertha BSC Analyst. Als Praktikant hatte ich damals als Filmer bei den Profis von Hertha angefangen, später war ich dann bei der U23 und U19 Analyst, und nur in der Rolle, habe kaum etwas auf dem Platz gemacht. In der Schweiz war es anders, das war auch mein Ziel, in diese Rolle hineinzuwachsen. Ich meine bei Polar bin ich Cheftrainer, im Profifußball bin ich eher als Analyst angesehen.

Also siehst du dich auch weiterhin Profifußball?

Meine nächsten Schritte sind, so hoffe ich, alle in Verbindung mit einem Platz. Da muss man im Sommer einfach mal schauen, was sich entwickelt. Ich habe jetzt in dem Jahr schon Kontakt zu mehreren Vereinen gehabt, das hat dann immer nicht so gepasst wegen der Familie. In Berlin und Umgebung gibt es jetzt auch nicht so viele Optionen. Natürlich wäre ich auch bereit woanders hinzugehen, merke aber auch, dass meine Base schon immer hier bleiben sollte. Ich habe mein ganzes Leben im Fußball gearbeitet, habe gar keinen anderen Beruf gehabt, auch wenn ich Sport und Wirtschaft studiert habe und etwas anderes machen könnte.

Welche Erfahrungen konntest du sammeln?

Es ist einfach super spannend mit so einem Profiteam zu arbeiten. Natürlich war ich auch bei Hertha BSC immer beim Training dabei, aber jetzt war ich viel näher am Team, immer im Bus, habe jede Auswärtsfahrt, alle Hochs und Tiefs der Spieler mitgenommen.

Gab es sportlich besondere Momente?

Wir waren im Pokalfinale der Schweiz haben dort leider verloren, sonst wäre die Stadt wohl komplett ausgerastet. St. Gallen ist in den Top-5 der ewigen Tabelle, aber Titel gab es in der langen Geschichte sehr wenig. Wenn ich mich recht erinnere zwei Meistertitel und ein Pokalsieg. Das Stadion war zu 80% mit unseren Fans besetzt, wir haben dann 4:1 gegen Lugano verloren, das war schon ziemlich enttäuschend. Auf der anderen Seite war es auch eine super Erfahrung, die mich geprägt hat, da kann ich mir schon viel raus nehmen.

Erst Analyst, jetzt mehr Co-Trainer. Wohin soll es eher gehen?

Es ist sehr, sehr viel Arbeit als Analyst. Auch die Trainer unterschätzen es, wenn sie uns beten „mal eben schnell“ nochmal ein Video zu machen. Ich glaube, jeder der mit Videos, Videoschnitt arbeitet, weiß, wie viel Zeit da rein geht. Das ist auch ein Grund, warum ich mir denke, eher Richtung Trainer zu gehen, weil das geht besser ins Zeitmanagement ein Training zu gestalten oder alles rundherum, als eine Videositzung vorzubereiten.

Wenn man so einen Job inne hat, sieht man das Fußball spielen mit anderen Augen?

Ich weiß nicht, ob ich den Fußball anders sehe. Ich gehe eigentlich schon mein ganzes Leben sehr analytisch an den Fußball heran. Man fragt dann immer, ob ich, wenn ich Fußball schaue, nur in taktischen Chematas denke. So ist es nicht, ich kann ein Spiel auch als Fan schauen. Auch wenn ich dem Fußball nah und Analyst bin, bin ich nicht der Laptop-Taktik-Nerd, sondern sehe das eher pragmatisch.

Aufrufe: 019.4.2024, 16:40 Uhr
Marcel PetersAutor