2024-06-04T08:56:08.599Z

Allgemeines
Abschied beim SV Bad Tölz: Hicham Aqabli (Mitte) bekommt ein von allen Spielern unterschriebenes Trikot
 von SVT-Vorsitzendem Sebastian John (re.).
Abschied beim SV Bad Tölz: Hicham Aqabli (Mitte) bekommt ein von allen Spielern unterschriebenes Trikot von SVT-Vorsitzendem Sebastian John (re.). – Foto: SVT

„Das kann mir keiner nehmen“: Hicham Aqabli verabschiedet sich nach 19 Jahren vom SV Bad Tölz

44-Jähriger verlässt Herzensverein

Er wollte ganz hoch hinaus. Und wollte dann doch niemals weg vom SV Bad Tölz: Kein Tölzer bestritt mehr Spiele für den SVT als der Marokkaner Hicham Aqabli, der die Mannschaft aktuell in der Kreisklasse kürzlich noch trainiert hat und selbst mit 44 Jahren noch ab und zu als Spieler einspringt. Jetzt verabschiedet sich Aqabli: Er bricht nach 19 Jahren seine Zelte ab und geht mit seiner Frau in die Schweiz nach Solothurn.

Bad Tölz – Er kam aus dem Profibereich. Marokkos 2. Fußballliga. Im Nachwuchsbereich war er in der „Mannschaft des Königs“. Und landete in Deutschland im Amateurfußball. Erst beim SV Wackersberg. Dann beim SV Bad Tölz. Nach kurzer Visite beim BCF Wolfratshausen wurde er schließlich zum Rekordspieler auf der Flinthöhe. Und hier fand Hicham Aqabli, wohin kein Geld auf der Welt ihn gebracht hätte: „Freundschaft, Begeisterung, Unterstützung. Der SV Bad Tölz ist meine Heimat, der wird nie weggehen aus meinem Herzen.“

Und doch verlässt der 44-Jährige den Verein nach nun 19 Jahren. Schweren Herzens. Aber voller Zuversicht. Auf einen neuen Abschnitt in seinem Leben, das durch viel Bewegung geprägt war. Aqabli geht mit seiner Frau nach Solothurn in die Schweiz. Näher an ihre Familie, ihre Freunde. Er findet dort einen Job bei einem Medizintechnikunternehmen. Und hat auch schon einen Fußballverein im Auge: Den FC Hägendorf ganz in der Nähe seines Arbeitgebers. Denn so ist der sympathische Marokkaner: Er schaut nicht zurück, möchte klare Verhältnisse schaffen, keine offenen Baustellen hinterlassen. „Ich komme sicher mal wieder zu Besuch, und andersherum ist bei mir Besuch jederzeit willkommen.“ Doch seine Entscheidung ist in Stein gemeißelt, der Abschied auf Dauer angelegt.

Aqabli kann auf vieles zurückschauen. Da ist Franz Erhard, der ihm wie ein Vater geworden ist im Laufe der Jahre. Genau wie Michael Zauner, der immer zu ihm gehalten, ihn unterstützt habe. Oder SVT-Coach Daniel Heidemann, der ihn bei seiner Trainerlaufbahn unterstützt, mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat. Und natürlich die vielen Spieler beim SV, die er im Laufe der Jahre kommen und gehen gesehen hat. „Willibald, Reisböck, Schmitz, mit denen konnte man Spaß haben ohne Ende.“

Er hat unglaublich viel erlebt in Tölz und Umgebung. Aqabli, eines von sechs Geschwistern, hatte zwei große Ziele: Er wollte professionell Fußball spielen. Und er wollte nach Europa. Nach Deutschland. „Ich habe nur eines davon erreicht, aber dafür habe ich Menschen kennengelernt, Kontakte geknüpft, die sind unbezahlbar.“ Die Begeisterung für Fußball kam zu Teilen von seinem Onkel, einem der besten Fußballer Marokkos. Auch sein älterer Bruder war sehr sportbegeistert.

Dass er im Tölzer Land landete, lag an seiner Schwester Khadouj. Die spielte Tennis, richtig gut, damals für den SV Wackersberg, war schon seit 1993 in der Region. Und der Verein, mit dem Fußball-Team damals in der Kreisliga, drängte darauf, den Bruder herzuholen. Er kam 2002, hatte schnell Spaß, lernte Deutsch und stieg mit der damaligen Top-Mannschaft in die Bezirksliga auf. „Tolle Zeit damals.“ Der damalige Erfolgstrainer Hans Rest holte ihn wenig später zum SV Bad Tölz, wieder Kreisliga, wieder ein Aufstieg für Aqabli, der aus Tarundant in der Nähe von Agadir stammt.

Sein Ziel Profifußball hat er anfangs weiterverfolgt. Doch nach einem Jahr beim BCF Wolfratshausen war Schluss mit der Karriereleiter. Eine der wenigen unerfreulichen Episoden in Aqablis Laufbahn. Ein Scout der Münchner Löwen hatte sich angekündigt. Er wollte den Marokkaner in Augenschein nehmen. Doch der damalige Coach Andi Brunner ließ ihn nicht spielen. Schickte ihn mehrfach zum Aufwärmen – nur um ihn dann wieder auf die Bank zurückzubeordern. „Habe ich damals nicht verstanden, hatte danach aber keine Lust mehr“, sagt Aqabli. „Profi-Fußball war für mich erledigt.“

Jahrelang nicht wegzudenken aus dem SVT-Mittelfeld: Der Tölzer Rekordspieler Hicham Aqabli. Jetzt bricht er seine Zelte in Tölz ab. Auf Dauer, wie er sagt. Aber nicht endgültig.
Jahrelang nicht wegzudenken aus dem SVT-Mittelfeld: Der Tölzer Rekordspieler Hicham Aqabli. Jetzt bricht er seine Zelte in Tölz ab. Auf Dauer, wie er sagt. Aber nicht endgültig. – Foto: UVA Press/Archiv

Aber nicht der Sport an sich. Er hatte sehr viel Spaß beim SVT. Hatte immer wieder Erfolgserlebnisse. Acht Jahre Bezirksliga mit dem SVT. Der Höhepunkt: Schnuppern am Relegationsplatz unter Trainer Heidemann. „Das war Wahnsinn, wir waren eine großartige Mannschaft.“ Dazwischen nahm er noch ein Angebot aus der Landesliga im österreichischen St. Johann für den FC Lustenau an. „Das war eine neue Rolle für mich. Auch eine coole Zeit.“

Zurück beim SVT begannen die schwierigen Jahre des Niedergangs. Und des Durchmarschs bis runter in die A-Klasse. Viele Leistungsträger beendeten ihre Karriere oder Söldner wanderten ab. Der Zusammenhalt, unter Heidemann Erfolgsgarant, bröckelte unter seinen Nachfolgern. Wegen des ausbleibenden Erfolgs gingen weitere Leistungsträger, und wieder ging es abwärts. Es blieb ein Neustart. Mit Aqabli. Nach Rudi Reupolds Intermezzo als Trainer fragten Erhard und der SVT bei Aqabli nach, ob er sich vorstellen könne, das Ruder als Feuerwehrmann und Spielertrainer herumzureißen. Aqabli, damals noch gar nicht im Besitz eines Trainerscheines, fackelte nicht lange. „Ich habe kurz überlegt und zugesagt: Ich mache das.“

Er versuchte wieder ein Team auf. Mit jeder Menge neuer Spieler – aus dem eigenen Nachwuchs, von den Stadtrivalen Rot-Weiß und Genclikspor, wuchs der Kader an. Und der SV Bad Tölz reüssierte mit einem knappen Sieg in der Relegation gegen Sachsenkam in der Kreisklasse. Und es gab Aqabli ein Gefühl, das er vielleicht beim Profi-Fußball nie gefunden hätte. „Die Leute brauchen dich, schauen auf zu dir, nehmen etwas von dir an, du kannst sie weiterbringen. Ein unbeschreibliches Gefühl.“ Wenn die Jugendspieler im Verein sich um ein Aqabli-Trikot reißen, kann man nicht viel falsch gemacht haben.

Aqabli schluckt und denkt, dass sein Entschluss trotz allem der richtige ist. Denn eines weiß er gewiss: „Meine Zeit beim SV Bad Tölz – sie war auf jeden Fall etwas Besonderes, hat mir so viel gegeben, ich werde sie nie vergessen, das kann mir keiner mehr nehmen.“

Aufrufe: 018.11.2022, 21:11 Uhr
Nick SchederAutor