2024-05-28T14:20:16.138Z

Spielbericht
– Foto: Jörn Kutschmann
Sparkasse

Brutaler Blutdruck

Hertha BSC Amateure Zwee – Sportfreunde Johannisthal II 0:6

27.Spieltag Kreisliga A Berlin Staffel 1 Saison 2023/2024

Sonntag, 12.05.2024 10:30 Uhr

Sportplatz Lüderitze

34 Zuschauer

Kurz nach 6 Uhr morgens.

Mit zwei Mülltüten in der Hand, einem Thermos-Becher Kaffee und dem großen Rucksack auf dem Rücken verlasse ich das Haus.

Der Blutdruck (ja, ich muss jeden Tag messen) war schon um kurz nach 5 viel zu hoch.

Die Gedanken rasen: Gestern bin ich mit 30 ungelesenen E-Mails aus dem Büro gegangen.

Ich muss Liefertermine anfragen, Anwender zurückrufen und Unmengen an Alternativen ausfindig machen. Dann pünktlich Feierabend machen, um rechtzeitig an der Kita zu sein und anschließend mit dem Lütten einkaufen gehen. Zu Hause wären wir dann gegen 17 Uhr. - Aufräumen, kochen, Wäsche, Spüler, etc. Dann den Muschelpo müde spielen und zusehen, wie er sich bis 21 Uhr gegen das Einschlafen wehrt.

Dann fix den Laptop aufgeklappt und noch zwei Stunden Hobby-Joby malochen.

Das schlaucht unheimlich und wenn das Kind einen dann am Sonntagmorgen nicht weckt, sondern bis fast halb Zehn schläft, verpennt man natürlich brutal. Daher musste ich mich ganz schön beeilen, um pünktlich an der Lüderitze zu sein.

Ich hasse es, wenn man so verschlafen losrennen muss. Das war schon zu Schulzeiten ätzend und auch heute noch hasse ich solche Situationen.

Zehn Minuten vor dem Kick-off hechelte ich durch den Eingang des Sportplatzes.

Der Anzeigehauptmeister und der Teilzeitassi quittierten mein spätes Erscheinen mit einem nonverbalen, demonstrativen Blick auf die Uhr und dem Hochziehen der Augenbrauen.

Fix wurde unser Stammplatz, für den sich langsam der Begriff “die Mecker-Ecke der Tetzlaff Erben etabliert, hergerichtet und dann hätte es eigentlich auch schon losgehen können.

Doch die Mannschaft von Hertha BSC kam verspätet aus der Kabine und ein Spielball war auch noch nicht da. Die zu überbrückende Zeit nutzte Donni, um mir eine große Freude zu machen: Er hatte in den letzten Monaten ordentlich für Fupa getickert und wusste nicht so recht, was er mit seinen Prämienpunkten machen sollte. Da er aber wusste, dass ich seit gefühlten Jahren versuche, genug Punkte für einen Hoody zu erknausern, hatte er einen für mich bestellt. Tausend Dank dafür.

Zu diesem Zeitpunkt ließ sich auch noch nicht erahnen, dass dieses schöne Präsent, mit Abstand, das Beste am heutigen Spieltag sein sollte.

Normalerweise vergesse ich den Alltagsstress, wenn ich am Pitch stehe, das Spiel im Zoom der Kamera verfolge und versuche, im richtigen Moment auszulösen.

Ich spüre dabei förmlich, wie sich der Körper entspannt, obwohl er eigentlich angespannt ist. Der Herzschlag und der Blutdruck beruhigen sich und der Fokus zieht sich von Arbeit und Alltag zurück und ist nur damit beschäftigt, dem Ball zu folgen.

Heute war aber irgendwie der Wurm drin. Kennt ihr das, wenn ihr mit einer Gruppe auf einer Party seid und eigentlich alle nach Hause wollen, aber nicht können, weil z.B. reingefeiert wird? Dann sind alle genervt und gereizt und es herrscht generell eine miese Stimmung.

So fühlte sich das heute an. Man spürte regelrecht, dass jeder diese Saison endlich ad acta legen und sich auf die neue Spielzeit konzentrieren wollte.

Da machte selbst das Fotografieren kaum Spaß, zumal es für die Gäste noch um den Aufstieg geht. Und für diesen brauchten sie nicht nur drei Punkte, sondern auch viele Tore.

Hertha hatte dem Ansturm der Kleeblätter kaum etwas entgegenzusetzen und lag schnell mit 0:2 zurück. Und hätte der Schiedsrichter, der eine unfassbare Ähnlichkeit mit Olaf Scholz hatte, nicht einige Male Abseits gepfiffen, wären wir vermutlich schon mit einer dicken Packung in die Halbzeit gegangen. Die kam dann nach dem Seitenwechsel. Insgesamt folgten noch vier Pillen an unserem Keeper vorbei ins Netz, sodass wir am Ende ein halbes Dutzend Gegentore fressen mussten.

Der Sieg ging, auch in der Höhe, völlig in Ordnung. Und auch wenn die Saison lang, anstrengend und unbefriedigend war. Auch wenn der Kader heute nur sehr dünn besetzt war und daher wenig gewechselt werden konnte. Und auch wenn der Gegner ein brutales Pressing spielte, muss man doch mal an die Einstellung der Herthaner appellieren. Unsere Fahne auf der Brust ist nicht einfach ein Logo. Sie ist etwas Besonderes und für sie sollte man immer versuchen, über die Grenzen zu gehen… auch wenn es eigentlich um nichts mehr geht. Lasst uns die letzten drei Spiele einfach mit Spaß am Fußball und mit Stolz auf unsere Farben angehen. Donni kann mir ja nicht jeden Spieltag etwas schenken, um meine Laune aufzubessern.

Nach dem Schlusspfiff packten wir schnell alles zusammen, da jeder von uns noch Termine hatte. Ich bekam im Gehen noch ein Wechselangebot von den Sportfreunden, schlug es aber aus. Grün steht mir einfach nicht so gut wie Blau. Aber danke für das Interesse.

Schnellen Fußes ging es zur Familie, denn schließlich war heute auch Muttertag.

Der Blutdruck am nächsten Morgen war übrigens weit weg von „in Ordnung“

Ha Ho He Amateure Zwee

der Kutteln König

Aufrufe: 013.5.2024, 21:16 Uhr
Jörn KutschmannAutor