2024-06-14T14:12:32.331Z

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Zocken ums bestmögliche Salär: Manche Akteure in unteren Klassen fordern monatlich einige hundert Euro. Foto: yiorgosgr - stock.adobe.com
Zocken ums bestmögliche Salär: Manche Akteure in unteren Klassen fordern monatlich einige hundert Euro. Foto: yiorgosgr - stock.adobe.com

Zeit der Zocker: „12 von 18 auf Geld aus“

Amateurkicker teils mit utopischen Forderungen +++ Frauenstein-Trainer Dennis Ilsemann über Verhandlungspoker und Prämien

WIESBADEN. Geld regiert die Welt. Auch im Amateurfußball – besonders während der Sommerwechselperiode. Zwar pflegen etliche Vereine abseits monetärer Aspekte tatsächlich den puren Amateurstatus, andere köcheln im Finanziellen auf kleiner Flamme, während aber diejenigen, die einzelne Gönner oder gar einen Pool an Förderern im Rücken wissen, ihre Möglichkeiten ausreizen. Daraus ergeben sich vielschichtige Umstände. Manche Spieler, die ihre fußballerischen Fähigkeiten in eine bestmöglich sprudelnde Nebenerwerbsquelle münden lassen wollen, orientieren sich entsprechend. Versuchen dort, wo entweder temporär oder dauerhaft Milch und Honig fließen, Anker zu werfen.

Dennis Ilsemann (32) kennt die Gepflogenheiten in höheren und unteren Amateurklassen. Von seinem Stammverein TuS Dotzheim war er zum damaligen Hessenligisten TSG Wörsdorf gewechselt, um sich danach – weil die Ausbildung als Maler und Lackierer es zeitlich nicht mehr zuließ – zur SG Walluf zu verändern, die seinerzeit in der Verbandsliga kickte. Über Biebrich 19 gelangte er zum SV Frauenstein, bei dem er in der Rolle des Trainers im Sommer – quasi als Reality-Show – miterlebt hat, wie sehr der Faktor Geld bei der Suche nach Zugängen eine Rolle spielt. Seine Aussage, „eine Frechheit, was einige abrufen“, löste Diskussionen aus.

Herr Ilsemann, können Sie das konkretisieren, was Sie als Frechheit empfanden?

Ein Spieler hat als Beispiel 50 Euro Auflaufprämie angeführt. Plus eventueller Siegprämien würden da im Monat etwa 300 Euro zusammengekommen. Das ist gegenüber der Mannschaft nicht tragbar. Wir setzen auf freundschaftliche und familiäre Atmosphäre. Unsere Spieler können dienstags die eigene Sauna im Vereinsheim nutzen, donnerstags bekommen sie ein Essen. Weiterhin gibt es im Rahmen unserer Möglichkeiten eine Siegprämie. Fakt ist: Jeder bekommt dasselbe.

Wodurch sich die Suche nach Zugängen offenbar schwierig gestaltet. Vier sind gekommen, sieben
gegangen.

18 Spieler habe ich angesprochen. Bei sechs davon ging es nicht ums Geld, bei den restlichen zwölf schon. Einige Spieler denken wohl, dass es in Frauenstein etwas zu holen gibt, weil das früher vielleicht der Fall war. Doch diese Zeiten sind vorbei.

Wie war das bei Ihnen als Spieler? Haben Sie gefeilscht?

Ich war als junger Spieler einfach nur stolz, als mich mit der TSG Wörsdorf ein Oberligist angesprochen hat. Es hätte auch gar keine Möglichkeit und gar keinen Grund zum Feilschen gegeben.

Hätten Sie eine Idee, wie sich der Markt regulieren ließe?

Nur wenn sich die Vereine zusammenschließen und alle den gleichen Weg gehen würden – doch das wird nicht zustande kommen. Es wird immer Gönner geben, die auch bereit sind, utopische Summen zu zahlen.

Legitim?

Wer Sponsoren hat, hat Glück und profitiert. Das sehe ich ohne Neid. Das sind dann auch oft die Mannschaften, die oben mitspielen.

In der Wechselperiode im Juni sind die Ablösebeiträge und Regularien klar in den Statuten gestaffelt. In der Winterwechselphase sind die Ablösebeträge frei verhandelbar....

...ich würde die Wechselphase im Winter abschaffen. Wenn ich zugesagt habe, war das stets für die gesamte Saison und nicht nur für sechs Monate. Genauso sehe ich den Vertragsamateur-Status als Auslaufmodell. Das ist mit enormen Kosten verbunden und von den meisten Vereinen gar nicht zu stemmen. Generell gilt: Wer als Spieler Geld mit dem Fußball verdienen will, muss in den Bereich von Verbands- und Hessenliga gehen.

Wie blicken Sie mit Ihrer Mannschaft der Saison entgegen?

Mit Vorfreude. Die Jungs sind froh, dass wir nicht Gewalt vermeintliche Hochkaräter geholt haben. Ich höre von den Spielern: „Dennis, es ist ein gutes Zeichen, dass hier keine Unsummen bezahlt werden“. – So soll und so muss das sein.

AM LIEBSTEN BONUS FÜR TORVORLAGEN

Mahlon Smith, Sportlicher Leiter des Kreisoberligisten SV Heftrich:

„Sicher gibt es Vereine, die mit Geld locken und Spieler, die Bedingungen stellen, als wären sie im Profibereich unterwegs. Oft sind das diejenigen, die regelmäßig im Winter und im Sommer wechseln. Die nur dort spielen, wo es gewisse Zuwendungen gibt. Dem entziehen wir uns in Heftrich. Es ist bekannt, dass es bei uns nichts zu holen gibt. Vielmehr brauchen wir die vorhandenen Mittel für unsere große Nachwuchs-Abteilung und den Kreisoberliga- Unterbau. Mit dem Ziel, noch besser unsere jungen Spieler von der zweiten in die erste Mannschaft nachschieben zu können.“

Frank Loy, Abteilungsleiter von B-Ligist SV Biebrich 19:

„Forderungen von 100 Euro pro Monat sind normal – neben den normalen Prämien. Es gibt wohl auch welche, die für Tore und sogar für Vorlagen etwas aushandeln wollen. Oder Torhüter, wenn sie zu null spielen. Wahnsinn. Ich weiß nicht, wo das noch hinführen soll. Aber es wird ja auf höherer Ebene vorgelebt. Dann gibt es regelrechte Völkerwanderungen von einem zum anderen Verein. Da kann von Vereinstreue nicht mehr die Rede sein. Ich versuche bei uns, immer alle gleich zu halten. Es gibt eine kleine Punktprämie.“

Josef Dietz, Organisator von Verbandsligist TSG Wörsdorf:

"Wer im Bereich Verbands- oder Gruppenliga spielt, hat Fahrkosten, für die er gegenüber dem Verein einen berechtigten Anspruch auf Entschädigung hat. Dazu wird leistungsbezogen vergütet, wie es im Verhältnis steht. Das alles wird im Rahmen eines 450-Euro-Jobs blitzsauber abgerechnet. Alles andere ist für uns nicht darstellbar. Wer bei uns mit überzogenen Forderungen kommt, dem sagen wir gleich: Das wird bei uns nichts. Insofern sehe ich die Thematik gar nicht so problematisch."

Malte Christ, Sportlicher Leiter FV Biebrich 02:

"Es ist fast leichter, für unsere Verbandsliga-Mannschaft junge, leistungswillige Zugänge zu bekommen. Im Gegensatz dazu geht unter 100, 150 Euro pro Monat fest nichts bei manchen Spielern, die wir für unser A-Liga-Team ansprechen. Dazu kommen Auflaufprämien und am besten noch Schuhe. Einige Spieler haben wohl den Schlag noch nicht gehört und wissen gar nicht, dass es für die Vereine immer schwieriger wird, Sponsoren an Land zu ziehen. Außerdem sind die Aufrücker aus unserer A-Jugend nicht bereit, in der Zweiten zu spielen – es sei denn, es gibt Geld."

Aufrufe: 05.7.2018, 12:00 Uhr
Stephan NeumannAutor