2024-04-30T13:48:59.170Z

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Der Banner des SV Sauerland. Foto: Theo Hendrikson
Der Banner des SV Sauerland. Foto: Theo Hendrikson

Zehn Mann und eine Frau

Nicole Gelleschun vom SV Sauerland sorgt regelmäßig für ungläubiges Staunen auf den Fußballplätzen

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WIESBADEN. Wenn Nicole Gelleschun das Spielfeld betritt, staunt der Gegner nicht schlecht. Die 29-Jährige ist die einzige aktive Spielerin in einer Herrenmannschaft im Umkreis. Seit vorletzem Jahr schnürt sie für den SVS die Schuhe und langsam gewöhnt man sich in der Kreisliga B der Reserve an dieses seltene Bild.

Der Herren- und Frauenfußball ist strikt voneinander getrennt. Ab der C-Jugend werden Spieler und Spielerinnen in reine Jungen- oder Mädchen-Teams gesteckt. Umso überraschender ist es, dass Nicole Gelleschun als Frau in einem Herrenteam spielt. Anfang der Geschichte: Die Verantwortlichen des Vereins wollten eine Damenmannschaft gründen. Jedoch bekamen sie nicht genügend Akteurinnen zusammen. Der SVS suchte akribisch nach einer Lösung. Der erste Vorsitzende des Vereins, Joachim Macholdt, arbeitet als Rechtsanwalt und fand nach den Durchwelzen von Satzungen eine Lösung: In den Satzungen für die Reserve Ligen ist nirgendwo erwähnt, dass keine Frauen in Reservemannschaften mitspielen dürfen. Macholdt weiß als Anwalt: „Was nicht geschrieben ist, gilt auch nicht!“ Die Gruppe von Frauen die zusammen mit den männlichen Reservisten trainierte, wurde jedoch immer kleiner. Übrig geblieben als einzige Frau in der Männerdomäne ist Nicole Gelleschun. Die 29-Jährige begeistert sich schon lange für Fußball und war selbst bei Schierstein 08 aktiv. Verletzungsbedingte Probleme in ihrem Bein zwangen sie dann zu einer längeren Pause vom Fußball. Jedoch konnte sie sich nicht lange vom Ball trennen. Gelleschun tastet sich wieder heran, spielte bei Hobby-Turnieren mit und entschloss sich dann der Truppe des Sportvereins anzuschließen. „Klar waren einige am Anfang skeptisch, aber diese Skepsis hatte sich bei allen wieder schnell gelegt. Ich wurde hier super aufgenommen“, so beschreibt die dreifache Mutter ihre Anfangszeit beim SVS. Die Linksverteidigerin wird von Mitspielern als gute Fußballerin beschrieben. Sie selbst sagt über sich, dass sie ihre Stärken in der Defensive sieht und sich dort auch am Wohlsten fühlt. Des Weiteren charakterisiert sie sich als sehr ehrgeizig und selbstkritisch. Ihre Gegner sind ab und an noch etwas irritiert. „Manche Kerle sagen mir nach dem Spiel, dass sie nicht wissen wie sie bei mir in den Zweikampf gehen sollen. Ich sag dann immer, ganz normal, wie bei jedem andren. Das mach ich ja auch“, sagt sie. Für ein Team mit Männern hat sich die gebürtige Wiesbadenerin entschieden, um sich fußballerisch noch weiter zu entwickeln. Sie erklärt: „Im Männerfußball besteht das Spiel aus viel mehr Körpereinsatz. Alles ist einfach robuster. Das gefällt mir.“


Gelleschun ist alles andere als ein „Weichei“, so schmiss sie einen am Boden liegenden Gegner mal folgende Worte an den Kopf: „Steh auf! Das ist Fußball und kein Kuscheln“ Die Frau im Mutterschaftsurlaub ist hart im Nehmen. In der vergangenen Saison spielte sie sogar schwanger. „Die ersten Monate habe ich nicht gemerkt, dass ich schwanger war und habe normal trainiert und gespielt. Wir waren also manchmal unerlaubt mit zwölf Mann auf dem Platz“, erzählt die Mutter eines Sohnes und zweier Töchter lachend. Der Fußball ist ihr Ausgleich und sie appelliert an andere Frauen: „Ich kann es wirklich nur jeder Spielerin empfehlen bei den Herren einzusteigen. Man muss sich nur trauen!“ Für die neue Saison wünscht sich die Spielerinn eine passable Leistung ihres Teams. In der vergangenen Spielzeit konnte die Reserve nur als Schießbude der Liga dienen. Gleich 135 Gegentore kassierte Sauerlands zweite. Auf die abschließende Frage, wie denn die Kabinen- und Duschsituation aussehe, antwortet sie keck: „Das ist kein Problem. Mal geh ich in die Schiedsrichterkabine, mal warten die anderen bis ich mit dem Duschen fertig bin oder wir duschen alle ganz normal zusammen. Alles schon vorgekommen. Ich sehe die Jungs als meine Kameraden und sie mich auch. Außerdem haben die ja nichts was ich ihnen abgucken könnte.“



Aufrufe: 09.8.2013, 13:00 Uhr
Theo HendriksonAutor