2024-05-24T11:28:31.627Z

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Ist das ein schmerzverzerrtes oder ein angestrengtes Gesicht? Wenn Kinder köpfen geht das kaum mit Verletzungen einher, da sind sich die Experten einig. F: Zink
Ist das ein schmerzverzerrtes oder ein angestrengtes Gesicht? Wenn Kinder köpfen geht das kaum mit Verletzungen einher, da sind sich die Experten einig. F: Zink

Wird das Köpfen bald auch in Deutschland verboten?

Regeländerung in den USA: Wenn Kinderkopf auf Fußball trifft

Sind Kopfbälle gefährlich? In den USA sorgte jüngst eine Regeländerung des amerikanischen Fußballverbands für Aufregung. Demnach sind jetzt Kopfbälle für Fußballer unter zehn Jahren gänzlich verboten, und Kinder zwischen elf und 13 Jahren dürfen zumindest im Training nicht köpfen. Die NZ hat nachgefragt, ob ein solcher Vorstoß auch in Deutschland sinnvoll wäre.
„Viel Aufregung ohne ausreichende Basis“: Tim Meyer, der Mannschaftsarzt der deutschen Nationalelf, hält die amerikanische Regeländerung für überzogen. Der amerikanische Fußballverband rea­giert damit auf eine Sammelklage besorgter Eltern. Die Kopfballgegner stützen sich dabei vorwiegend auf die Ergebnisse einer Langzeitstudie des US-Fußballverbandes. „Und diese Studie bezieht sich bestenfalls in einem Nebenaspekt auf die eigent­liche Problematik der Kopfbälle bei Kindern“, gibt Meyer zu bedenken.

Für ihn jedoch reicht die Datenlage nicht aus, um eine solche grund­legende Entscheidung zu treffen. Und, wo solle das dann enden? „Wür­den dann auch die Freistöße abge­schafft?“, fragt der Ärztliche Direktor des Instituts für Sport- und Präventiv­medizin der Universität des Saarlan­des. „Ich jedenfalls sehe keinen aku­ten Handlungsbedarf“, was den deut­schen Fußball betrifft. Zudem sei die Regeländerung nicht mit dem Weltfuß­ballverband FIFA abgesprochen wor­den, „was ich persönlich für schlecht halte“, erzählt Meyer weiter.

Auch der Chefarzt der Neurochirur­gie des Klinikums Nürnberg sieht das ähnlich: Die besagte Studie liefert „keine statistisch signifikante Aussa­ge“. Denn sie liefere laut Hans Steiner Ergebnisse über gerade mal ein paar Dutzend Amateur-Fußballer, die Gehirnschädigungen infolge von Kopf­bällen erlitten haben sollen.

Lieber eine bessere Technik als ein Verbot

Hinzu kommt, dass Kopfbälle im Kinder- und Jugendtraining nach Meyers Erfahrung nicht häufig geübt werden, sie müssten also nicht gänz­lich verbannt werden. „Man könnte auch die Meinung vertreten, dass eine vernünftig erlernte Kopfballtechnik besser ist als eine komplette Vermei­dung von Kopfbällen.“ Außerdem, so Steiner, handelt es sich hier ja um die Schüsse von Gleich­altrigen. Und die können nicht so stark schießen, als dass es ernsthaft gefährlich werden könnte. „Klar, wenn man jemanden auf dem Kopf haut, ist das nicht gesundheitsförder­lich“, erklärt der Neurochirurg wei­ter. Dass jemand wegen der Folgen eines Kopfballs zu ihm die Klinik gekommen sei, habe er aber noch nie erlebt. Zwar sei ein Kopfball so etwas wie ein Schlag gegen den Kopf. Ob die­ser aber mit einer Verletzung einher­geht, hängt davon ab, ob der Schlag den Kopf bewusst oder unbewusst trifft. Bei einem Kopfball ist ersteres der Fall: Da kann der Spieler den Kopf aktiv gegensteuern. Anders sieht das etwa bei einem Auffahrunfall von hinten aus. Da ist die Krafteinwir­kung auf den Schädel größer, weil das Ereignis unvorhersehbar eintritt und der Betroffene diesen dann nicht mehr steuern kann.

Es ist weniger das Köpfen, das für Verletzungen bei den Fußballern sorgt, als der Zusammenprall mit Kon­trahenten. „Kopf gegen Kopf“ oder „Kopf gegen Knie“ geht meist schlim­mer aus, da sind sich die beiden Exper­ten einig. Der Ball ist beim Aufprall verformbar, der Knochen des Kontra­henten dafür weniger. Was ein solcher Unfall auslösen kann, zeigte sich beim WM-Finale 2014, als Christoph Kramer nach dem Zusammenstoß mit einem anderen Spieler wegen Orientierungslosigkeit vom Platz genommen werden musste. Steiner erklärt deshalb: „Ein Rest­risiko bleibt, das kann ich nicht ver­neinen.“

„Kopfverletzungen sind im Fußball leider nicht ganz zu vermeiden, auch wenn sie sehr selten sind – zum Bei­spiel deutlich seltener als beim Eis­hockey oder American Football“, erzählt auch Meyer aus seiner Erfah­rung – seit 2001 gehört der Sportmedi­ziner zum Ärzteteam der National­mannschaft. Wichtig sei dann auch, dass die Betroffenen nicht wieder vor­eilig zurück ins Spiel geschickt wür­den.

Im Amateurfußball sind nicht immer Mannschaftsärzte vor Ort. Des­halb beschäftigt sich die medizinische Kommission des DFB seit zwei Jahren verstärkt mit dem Thema Kopfverlet­zungen. „Deswegen haben wir für Trainer und medizinische Laien Inhal­te entwickelt, die über die Ausbildung oder das Internet verbreitet werden.“ Außerdem hat der Verband Fortbil­dungen angeboten, um auch die Mann­schaftsärzte im Profibereich „auf den neuesten Stand zu bringen“.

Aufrufe: 09.12.2015, 10:01 Uhr
Meike Kreil (NZ)Autor