2024-04-30T13:48:59.170Z

Interview
TSV Ampfing-Cheftrainer Jochen Reil nach dem verlorenen Ligaspiel gegen den TSV Buchbach II. Der 0:2-Endstand gegen die Buchbacher bleibt die bislang letzte Saisonniederlage für den Überraschungszweiten. In den bisher 20 Liga-Spielen der Bezirksliga-Saison unterlagen die Mannen von Jochen Reil nur zweimal und holten satte 44 Punkte. Foto: Michael Buchholz
TSV Ampfing-Cheftrainer Jochen Reil nach dem verlorenen Ligaspiel gegen den TSV Buchbach II. Der 0:2-Endstand gegen die Buchbacher bleibt die bislang letzte Saisonniederlage für den Überraschungszweiten. In den bisher 20 Liga-Spielen der Bezirksliga-Saison unterlagen die Mannen von Jochen Reil nur zweimal und holten satte 44 Punkte. Foto: Michael Buchholz

"Wenn einer Scheiße spielt, muss ich das nicht kommentieren"

TSV Ampfing-Trainer Jochen Reil im großen Vorort-Interview

Jochen Reil ist mit dem TSV Ampfing auf dem Weg zurück in die Landesliga. Mit wenig Erwartungsdruck gestartet, befindet sich seine Mannschaft in der Bezirksliga Ost nun auf dem Aufstiegs-Relegationsplatz zwei.

Der TSV Ampfing ist einer der Überraschungen der Hinrunde in der Bezirksliga Oberbayern Ost. In der letzten Saison noch knapp der Abstiegsrelegation entkommen, überzeugt das Team von Coach Jochen Reil auf Ligaplatz zwei stehend die Konkurrenz. Im Vorort-Interview spricht der Erfolgstrainer über sein persönliches Hinrundenfazit, einen möglichen Aufstieg in die Landesliga, und was die Mannschaft seiner Meinung nach verinnerlichen muss.

Jochen, wie lautet dein Hinrundenfazit?

Schwierige Frage. Um diese zu beantworten, darf man nicht außer Acht lassen, woher wir kommen. In der vergangenen Saison sind wir mit zehn Punkten aus den letzten sechs Spielen der Relegation um den Abstieg noch knapp entkommen. Unser Ziel war es, uns zu stabilisieren und zwischen Platz 5 bis 7 zu landen. Nach der letzten Spielzeit wussten wir zu Beginn der Saison nicht, wie uns die neuen Spieler weiterbringen. Wir haben Jungs dazu geholt, die aus dem Nachwuchsbereich oder der Bezirksliga kommen. Jetzt mit der Truppe auf Platz 2 zu stehen, übertrifft all unsere Erwartungen.

Ist der direkte Aufstieg das neue Ziel?

An unserer Zielsetzung hat sich nichts geändert. Wir haben uns mit unseren Leistungen die Messlatte selbst hoch gelegt und diesen Stand hart erarbeitet. Wenn wir am Ende der Saison nicht aufsteigen sollten, werden wir intern nicht enttäuscht sein. Vielleicht können wir nächste Saison unsere Zielsetzung anpassen, wenn sich im Kader und in der Struktur nichts verändert. Was dem Verein jedoch nicht passieren sollte, ist, während einer Aufstiegssaison nur an die Euphorie zu glauben und sich in der Folgesaison daran zu klammern. Es wird nicht funktionieren, rur mit Euphorie an die Aufgaben zu gehen. Der Verein ist aber mit dem sportlichen Leiter Adrian Malec bereits für alle Fälle vorbereitet.

Reil bedauert Abgang von Kapitän Huber

Mit Marcell Arnold, Daniel Toma, Hamit Sengül und Michael Aigner kamen vier neue Spieler in der Winterpause dazu. Wie kamen die Verpflichtungen der einzelnen Spieler zu Stande?

Die Wechselperiode im Winter ist schwieriger als im Sommer. Neue Spieler zu bekommen, die dir sofort helfen können, ist nahezu unmöglich. Durch Mundpropaganda und ein wenig Glück konnten wir die Jungs von uns überzeugen. Hamit Sengül hat eine tragende Rolle in Wasserburg gespielt und will bei uns zeigen, was er kann. Bei Daniel Toma war klar, dass er in Rumänien nicht mehr für einen Stundenlohn von 2,50 € arbeiten möchte. Deswegen versucht er sein Glück in Deutschland. Und mit Michael Aigner und Marcell Arnold sind erfahrene Spieler hinzugekommen, die auch das Zeug haben, in der Landesliga zu spielen. Ganz ohne Geld funktioniert das natürlich nicht. Da muss man auch ehrlich sein. Wenn jemand nachweislich Leistung bringt und seine Aufgaben erfüllt, können wir im Verein das mit ruhigem Gewissen vereinbaren.

Matthias Huber pausiert aus beruflichen Gründen. Wann traf er diese Entscheidung und gibt es die Möglichkeit einer Rückkehr für ihn?

Natürlich ist es traurig, wenn der Kapitän von Bord geht. Die Entscheidung fiel ihm nicht einfach. Aber wir konnten ihm als verdienten Spieler keine Steine in den Weg legen. Ich glaube nicht, dass Matthias zurückkehrt. Ein Comeback ist für mich nicht vorstellbar. Er hat mit seiner Berufs- und Familienplanung zu viel um die Ohren.

Wie schwer treffen die Mannschaft die weiteren Verluste von Michael Cossu (nach Waldkraiburg), Emre Aykac und Hrvoje Buljan (beide SB DJK Rosenheim)?

Buljan gilt in seinem Alter (19 Jahre, d.Red.) als Talent. Er könnte es schaffen, sich in der Landesliga durchzusetzen. Bei Emre Aykac könnte das etwas schwieriger werden, regelmäßig auf seine Einsätze zu kommen. Ich gönne es ihm dennoch, eine Liga höher zu spielen. Wir haben mit allen drei Spielern offen über ihre Situation geredet und haben ihre Bedürfnisse ernst genommen.

"Ich bin kein Trainer wie Pep Guardiola"

Gegen Tabellenführer Baldham und gegen den Dritten Freilassing gab es Zu-Null-Siege. Gegen Buchbach II und Bad Endorf gab es zu-Null-Niederlagen. Verkehrte Welt in Ampfing oder wie erklären sich die Niederlagen gegen Mannschaften, die nicht in der Spitzengruppe stehen?

Wenn die Spieler denken, es reichen 20 Prozent weniger an Einsatz und Bereitschaft, dann schlägt sich das im Ergebnis nieder. Ich verlange für unser Spiel ein kompaktes Abwehrverhalten, viel Laufbereitschaft im Spiel nach hinten und ein Pressing weit vor der Mittellinie. Gegen Bad Endorf haben unsere Spieler gedacht, sie seien schon weiter, als sie in Wirklichkeit sind. Diese Einstellung war überheblich und wurde bestraft. Wir sind nicht richtig in die Zweikämpfe gekommen, wir sind nicht mehr weite Wege gelaufen, die unangenehm sind und standen nicht kompakt. Es klingt zwar wie eine Floskel, aber die Spiele werden in der Defensive gewonnen. Das ist einfach so. Gegen Buchbach II haben wir besser gespielt als gegen Bad Endorf, aber der Gegner war einfach besser. Buchbach hat in dieser Partie sein wohl bestes Saisonspiel gezeigt, wie mir von Trainer Manuel Neubauer erzählt wurde.

Wirst du in Momenten wütend, in denen deine Spieler unkonzentriert und überheblich wirken?

Nein, das würde ich nicht sagen. Ich bin auch kein Trainer wie Pep Guardiola, der ständig gestikuliert und seine Spieler an die Hand nimmt. Das ist nicht mein Stil. Die Spieler kann man auf dem Platz sowieso nicht erreichen, weil sie in Gedanken zu sehr beim Spiel sind. Wenn einer Scheiße spielt, muss ich das nicht noch kommentieren. Der betroffene Spieler merkt das selbst und ist damit genug gestraft.

Was muss passieren, um den Aufstieg zu schaffen?

Zunächst ein mal wäre es keine Enttäuschung für uns, wenn wir am Ende nur Vierter werden. Wir starten mit drei schweren Spielen gegen den Viertplatzierten Forstinning, den abstiegsbedrohten ASV Au und Tabellenführer Baldham. Erst wenn wir diese Spiele erfolgreich bestreiten, können wir realistisch über den Aufstieg nachdenken. Jedes Spiel ist Kampf pur. Wir sind jetzt die Gejagten. Deshalb wird die Rückrunde für uns noch schwerer. Niemand nimmt uns auf die leichte Schulter.

Trotz Anfragen aus der Regionalliga: Reil will bleiben

Worauf lag in der Wintervorbereitung der Fokus?

Der Fokus lag darauf, viel mit dem Ball zu arbeiten und unsere Stärken zu fördern. Die taktische Spielausrichtung und die Integration der neuen Spieler war zudem fundamental wichtig. Unsere Hauptaufgabe bei der Integration der neuen Spieler war es herauszufinden, welches System zur Mannschaft passt und wie wir die Spieler in das System integrieren. Dazu haben wir Einzel- sowie Gruppengespräche geführt. Um die taktische Spielausrichtung zu schulen, habe ich mit Hilfe von Power-Point-Präsentationen gearbeitet, um den Spielern die Dinge besser zu visualisieren. Ich bin kein Trainer, der die Spieler auf dem Trainingsplatz hin und her verschiebt oder im Spiel wild mit den Händen gestikuliert. Das erreicht die Spieler meiner Meinung nach ohnehin nicht. Im Spiel ist ein Spieler nur begrenzt aufnahmefähig. Ein bisschen Vertrauen und Freiheit auf dem Platz muss ich meinen Spielern eingestehen. Sonst hat das nicht mehr viel mit Fußball zu tun.

Du hast Stand heute, den bislang besten Punkteschnitt, den ein leitender Trainer beim TSV Ampfing nach dem Abstieg von der Landesliga in die Bezirksliga erzielen konnte (2,2 Punkten pro Spiel d.Red.). Wie geht es für dich weiter, wenn ihr den Aufstieg verpasst?

Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, bleibe ich. Es gab schon erste Gespräche. Es sieht nach einer mündlichen Vereinbarung für eine weiteren Saison aus. Es gab zwar schon Anfragen von anderen Vereinen, sogar von einem Regionalligisten, aber das Geld spielt dabei für mich keine Rolle. Das Geld, das man als Regionalligatrainer erhält, kann in puncto finanzieller Entschädigung und Aufwand, meinen aktuellen Job als regionaler Verkaufsleiter in einem Elektromarkt nicht aufwiegen. Daher macht es keinen Sinn, über Trainerposten oder Ambitionen bei höherklassigen Vereinen nachzudenken. Ich bin mit der aktuellen Trainer- und Berufstätigkeit zufrieden und gut ausgefüllt.

Was kann von dir erwartet werden, wenn du mit deinen Spielern vom TSV Ampfing aufsteigst?

Ich wäre aus dem Häuschen und würde richtig abgehen. Ich trinke mit meinen 47 Jahren zwar keinen Alkohol und schlage daher nicht über die Strenge, aber jeder meiner Spieler weiß, dass ich nicht mehr ganz sauber bin (lacht).

Aufrufe: 026.2.2019, 12:25 Uhr
Fabian SchönrockAutor