2024-06-17T07:46:28.129Z

Spielbericht
Schwer bewacht und trotzdem kaum zu stoppen: Youssoufa Moukoko (Mitte) schüttelt Ayyoub Charabi ab und umkurvt Luis Simon (l.).
Schwer bewacht und trotzdem kaum zu stoppen: Youssoufa Moukoko (Mitte) schüttelt Ayyoub Charabi ab und umkurvt Luis Simon (l.). – Foto: Wolfgang Birkenstock

Und dann nimmt Moukoko gegen Alemannia Fahrt auf

U19-Bundesliga: Der 15-jährige Nachwuchsstar des BVB zeigt gegen Aachens U19, warum Fußball-Deutschland über ihn redet.

Es ist die Ruhe vor dem Ansturm. Als der glänzende schwarz-gelbe Mannschaftsbus von Borussia Dortmund die Sportanlage in Breinig erreicht, hat der Fahrer noch freie Platzwahl. Deutlich anspruchsvoller ist die Parksituation unmittelbar vor dem Anstoß, da sich viele fußballbegeisterte Zuschauer gegen eine frühzeitige Anreise entschieden haben. Und so bildet sich an der einzigen Kasse kurz vor 13 Uhr eine lange Schlange.

Alemannia Aachen - Borussia Dortmund 1:6

Dass überhaupt so viele Menschen das Spiel in der A-Junioren-Bundesliga zwischen Alemannia Aachen und dem BVB auf dem Kunstrasenplatz an der Schützheide verfolgen wollen, hat einen Grund: Aus dem Mannschaftsbus ist auch Youssoufa Moukoko gestiegen, das 15-jährige Supertalent der Borussia. Ein Wunderkind, wie viele Fußballfans sagen, das in regelmäßigen Abständen neue Rekorde aufstellt.

In der vergangenen Woche war es mal wieder so weit: In der Uefa Youth League steuerte der Deutsch-Kameruner einen Dreierpack zum 5:1-Sieg der Dortmunder gegen Slavia Prag bei; das ist noch keinem Spieler seines Alters gelungen. Da ist es fast nur eine Randnotiz, dass Moukoko der jüngste Teilnehmer in der Geschichte des Wettbewerbs ist. Und natürlich auch der jüngste Torschütze der „kleinen Champions League“ ist. Vier Tage zuvor hatte der dribbelstarke, pfeilschnelle und schussgewaltige Angreifer in der Bundesliga gegen den Wuppertaler SV seine Saisontreffer 19 und 20 erzielt. Im 13. Spiel. Als 15-Jähriger. Unter lauter 17- bis 19-Jährigen.

Um sich von Moukokos Fähigkeiten zu überzeugen, sind viele der knapp 1000 Zuschauer nach Breinig gekommen. Manche bauen Kameras auf, um die Begegnung zu filmen. Andere machen beim Warmmachen ein Selfie mit dem BVB-Juwel. Der Auftritt des vielleicht größten Fußballtalents Deutschlands muss schließlich festgehalten werden, auf die eine oder andere Art. Dass dessen Mannschaft als klarer Favorit in das Nachholspiel geht, ist allen klar, die sich vorher die Tabelle angesehen haben: Mit einem Sieg würden die Dortmunder auf Platz zwei klettern. Die Aachener hätten dagegen bei einem dreifachen Punktgewinn lediglich die Rote Laterne an Preußen Münster abgeben. Hinzu kommt, dass Moukoko bislang fast doppelt so viele Tore erzielt hat wie der gesamte Alemannia-Nachwuchs.

Einen Sturmlauf des BVB-Nachwuchses erleben die Zuschauer nach dem Anpfiff allerdings nicht, was vor allem an den Gastgebern liegt, die den ambitionierten Gästen einen offenen Schlagabtausch liefern und konsequent verteidigen. Die starke Offensivreihe der Westfalen um Giovanni Reyna – Sohn des früheren Bundesliga-Profis Claudio Reyna – und Borussias Kapitän Alaa Bakir hat noch Ladehemmung. Das gilt auch für Moukoko, der zwar immer mal wieder seine überragende individuelle Qualität aufblitzen lässt, aber noch nicht auf Betriebstemperatur ist und seinen „Kettenhund“ nur selten abschütteln kann.

Ein Bewacher für den Toptorjäger

Alemannias Trainer Sascha Eller hatte Ayyoub Charabi als Bewacher auf den Toptorjäger angesetzt. Es ist nicht das erste Privatduell der beiden, „wir haben schon häufiger in Testspielen oder beim Reviercup gegeneinander gespielt“, sagt der Alemannia-Verteidiger. „Man merkt aber, dass sich Youssoufa seit unserer letzten Begegnung noch einmal verbessert hat. Vor allem im Antritt.“ Und doch gelingt es Charabi in der ersten Halbzeit, den 15-Jährigen aus dem Spiel zu nehmen. So gut es eben geht. Denn: „So ganz aus dem Spiel nehmen kannst du ihn eigentlich nicht“, weiß auch Eller. Nach zwölf Minuten gibt Moukoko den ersten Warnschuss ab. Zwar ist er auch danach an vielen Offensiv­aktionen beteiligt, die große Leichtigkeit hat aber noch nicht Einzug in sein Spiel gehalten.

Das zeigt sich auch in der 35. Minute, als Moukoko zum Seitfallzieher ansetzt, aber am Ball vorbeitritt. „Wenn Youssoufa nicht in Torlaune ist, dann hat man eine Chance“, hat Jason Seke beobachtet. Aachens Mittelfeldspieler weiß aber auch, dass das überaus selten vorkommt. Vor zwei Jahren spielte Moukoko noch für die B-Jugend der Borussia und traf im Hinspiel beim 10:0-Sieg gegen die Alemannia drei Mal und im Rückspiel beim 3:0-Erfolg ein Mal.

Dass er auch in der letzten Begegnung des Jahres 2019 nicht ohne Torerfolg bleiben würde, steht unmittelbar nach der Pause fest. Nach einem schnell vorgetragenen Angriff der Dortmunder hat Moukoko „nur noch“ Takashi Uchino vor sich. Eine fließende Bewegung später, mit Körpertäuschung und Haken, und schon hat der Angreifer aus 18 Metern freie Schussbahn – 1:0 (48.). Den zweiten Treffer bereitet er zwei Minuten später vor: Einen Freistoß aus rund 20 Metern schießt er wuchtig auf die Torwartecke. Alemannias Keeper Valentin Manzenreiter kann den Ball nur abprallen lassen, BVB-Kapitän Bakir staubt ab.

Die Moukoko-Festspiele gehen weiter, nur kurz unterbrochen vom Anschlusstreffer von Aachens Daniel Sopo (51.). „Ich habe ihn in der zweiten Hälfte immer häufiger aus den Augen verloren“, räumt Charabi ein. Sein Gegenspieler nimmt richtig Fahrt auf, ist mit seinen Dribbelfähigkeiten und seiner hohen Antrittsschnelligkeit ein ständiger Unruheherd, der immer wieder allein vor dem Alemannia-Tor auftaucht. Manzenreiter umkurvt er gleich zwei Mal (64./68.), um noch mehr Treffer zu erzielen, fehlt die letzte Präzision. Zwischenzeitlich fällt auch noch sein Bewacher aus. Charabi hat sich die linke Schulter ausgekugelt und muss behandelt werden, Moukoko hat jetzt noch mehr Freiräume, die er geschickt nutzt. Und er belohnt sich mit seinem 22. Saisontreffer, kurz bevor sein Arbeitstag endet: Nach starker Vorarbeit von Reyna trifft er zum 4:1 (79.), dann wird er ausgewechselt. Von der Bank erlebt Moukoko, dass seine Kollegen noch zwei weitere Treffer zum 6:1-Endstand erzielen.

„Man weiß nie, wie er sich im Seniorenbereich entwickelt. Aber mit seinen Fähigkeiten kann Youssoufa richtig weit kommen“, ist auch Alemannias Trainer Sascha Eller überzeugt. „Vor allem, weil er sehr bodenständig ist.“ Der Hype um Moukoko ist zuletzt riesig geworden, natürlich aufgrund seiner außergewöhnlichen Leistungen, aber auch durch Aktionen abseits des Platzes. Sportartikelhersteller Nike hat sogar schon einen Vertrag mit ihm abgeschlossen, der ihm bis zu zehn Millionen Euro einbringen soll. Und sein großes Vorbild, Weltfußballer Lionel Messi, hat ihm zu seinem 15. Geburtstag ein mit zahlreichen Unterschriften gespicktes Trikot des FC Barcelona geschenkt.

Beim BVB halten sie den Ball in der Öffentlichkeit aber erstmal flach, was die Bewertung ihres Supertalents angeht. „Natürlich ist es schön, dass wir Youssoufa in der Mannschaft haben. Der eigentlich noch wichtigere Spieler für uns ist aber Giovanni Reyna“, sagt Dortmunds prominenter U19-Trainer Michael Skibbe. Und doch hat sich in Breinig bestätigt, warum ganz Fußball-Deutschland über den 15-Jährigen redet. Moukoko gibt sich bescheiden. „Für meine Mannschaft und mich war es eine perfekte Woche“, sagt der Stürmer, bevor er in den Bus steigt. Und war es auch ein perfektes Jahr 2019? „Nein, wir haben das B-Junioren-Finale gegen den 1. FC Köln verloren. Aber das nächste Jahr wird auf jeden Fall besser. Auch ich kann mich steigern.“ Das klingt fast wie eine Drohung.

Schiedsrichter: Niclas Zemke (Fischbach) - Zuschauer: 700
Tore: 0:1 Youssoufa Moukoko (48.), 0:2 Alaa Bakir (50.), 1:2 Daniel Sopo (50.), 1:3 Ansgar Knauff (58.), 1:4 Youssoufa Moukoko (79.), 1:5 Giovanni Reyna (84. Foulelfmeter), 1:6 Julius Fynn Rauch (86.)
Besondere Vorkommnisse: Alaa Bakir (Borussia Dortmund) scheitert mit Foulelfmeter an Torwart Valentin Markus Manzenreiter (36.)



Aufrufe: 018.12.2019, 14:00 Uhr
Benjamin Jansen | AZ/ANAutor