2024-05-02T16:12:49.858Z

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Grüne Mauer: die Murnauer Mannschaften von den Super-Minis bis zu den Senioren-Teams beim Gemeinschaftsfoto an der Poschinger-Allee. FOTOS: ANDREAS MAYR
Grüne Mauer: die Murnauer Mannschaften von den Super-Minis bis zu den Senioren-Teams beim Gemeinschaftsfoto an der Poschinger-Allee. FOTOS: ANDREAS MAYR

TSV Murnau: Jugendarbeit "auf einmal ist es übergeschwappt"

"Den Herrenbereich so interessant wie möglich gestalten"

Vor sechs Jahren hat der TSV Murnau den Neustart gewagt und seinen Jugendbereich umgekrempelt: Entstanden ist ein riesiger Komplex mit etwa 400 Kindern. Mit dem Monster-Apparat kamen neue Probleme auf den Verein zu – genauso wie die Frage, wer am Ende von der Arbeit profitiert.

Murnau – Kürzlich kickten die Münchner Löwen in Murnau an der Poschinger-Allee. Man sieht sie häufiger. Sie testen gerne beim und gegen den TSV Murnau. Diesmal forderte die U14 – der jüngere C-Jugend-Jahrgang – den Bundesliga-Nachwuchs heraus. Murnau gewann 5:0. Drachen schlagen Löwen, sagte Michael Adelwart hinterher.

Seit der TSV seinen Jugendbereich umgestaltet hat, nennen sich die Fußballer die Drachen. Das klingt irgendwie furchteinflößend. Und außerdem ziert der Drache das Logo des Vereins. „Wir sind attraktiv für die Großen“, betont der Abteilungsleiter. Mit der SpVgg Unterhaching hat Murnau eine Kooperation geschlossen. „Das ist ein Casting“, betont Markus Mühlbauer, Jugendleiter des TSV. Er fügt hinzu: „Das wissen wir.“ Es zeigt, dass die größeren Vereine auf den Landkreis blicken, über den man gerne schimpft, weil bislang kein Verein überregional kickt. In Unterhaching und München spielt mehr als eine Handvoll Murnauer. Ob sie es in den Profibereich schaffen, ist eine andere Frage. Doch in gewisser Weise zeichnet jeder Wechsel in die Fußball-Zentren die Murnauer Arbeit aus.

Der TSV hat sein eigenes Reich geschaffen, das zu den größten im Oberland gehört. Im B-, C-, D- und dem Minibereich hält Murnau mit dem TuS Geretsried – Vorreiter der Gegend – mit. Etwa 400 Kinder stellt der Klub im Trainings- und Spielbetrieb. Sie verteilen sich auf 19 Jugend-Mannschaften. Mühlbauer räumt ein: „Auf einmal ist es übergeschwappt.“ Vor sechs Jahren, als Adelwart (damals Jugendleiter) begann, den Nachwuchsbereich umzukrempeln, ahnte keiner, welche Dimension er erreicht. Damals freute sich der Fußballer-Boss, mit Ex-Profi Gerhard Schmidt einen Trainer gefunden zu haben, der sein Engagement nicht von Vereinsfarben abhängig macht. Der Krüner packte seinen Sohn ins Auto, pendelte mehrmals die Woche 90 Kilometer und führte die damalige D-Jugend bis in die Bezirksoberliga.

"Das ist kein Leistungssport"

Der Aufstieg löste einen irren Hype aus. Es sei schwierig gewesen, Ziele zu definieren, sagt Adelwart, „wenn das erste Team gleich über das Ziel hinausschießt“. Aus allen Ecken meldeten sich Kicker beim TSV an. Aus Peißenberg, Weilheim, Farchant oder Habach. Erfolg und Infrastruktur (Kunstrasen, Gaststätte, Halle) – unter Vorgänger Philip Zoepf aufgebaut – zogen an. „Es kommen Kinder aus Vereinen, zu denen früher unsere Kinder gegangen sind“, sagt Adelwart. Beim TSV gilt der Grundsatz: Alle dürfen mitmachen. „Jeder, der das Rad mitdrehen will, ist willkommen“, stellt Mühlbauer klar.

Doch der Ansturm sorgte für Probleme. Die Grätsche zwischen Breitensport und leistungsorientiertem Jugendfußball beschäftigt den ganzen Klub. Mühlbauer betont: „Das ist kein Leistungssport.“ Es geht Murnau nicht darum, Profis heranzuziehen. Das schafft kein Provinz-Team. Gut ausbilden möchte der TSV seine Zöglinge. Für später. Die ambitionierten Kicker trainieren dreimal die Woche – auch in den Ferien. Nach Trainingszeiten verlangen aber alle Mannschaften.

Dazu braucht es Trainer. Qualifizierte Übungsleiter wünscht man und sucht man. 26 Coaches beschäftigt Murnau derzeit. Stefan Schwinghammer, der „Speedy“, zum Beispiel betreut gleich drei Teams. Die Sparte könnte locker zehn mehr vertragen, sagt Mühlbauer. Viel Zeit verbringt das Führungs-Duo, das seit Jahren von Jan Tischer, Andreas Drechsler, Wolfgang Walser und Ludwig Molle unterstützt wird, mit der Suche nach neuen Leuten und ihrer Weiterbildung. Gerade eben hat Adelwart einen neuen Coach verpflichtet. Er kommt aus Peiting und betreut künftig die B-Jugend.

"Den Herrenbereich so interessant wie möglich gestalten"

Dieser Jahrgang 2002 ist der Erste, den Murnau eigenständig aufgebaut hat. Die Duelle in den Bezirksoberligen der C- und D-Jugend stählten die Burschen. Diese Saison in der B-Jugend-Kreisklasse haben sie unter Schwinghammer alle Spiele gewonnen und nur ein Gegentor kassiert. Ein Großteil kickt parallel in der A-Jugend. Die höherklassigen Nachbarvereine buhlen um die Talente, rufen sie an, laden zu Probetrainings ein. Nie werde man das verhindern können, betont Adelwart. Das Beispiel Georg Kutter hat allen in Murnau gelehrt, wie wenig Einfluss ein Klub auf die Pläne der Fußballer hat.

Kutter, ein Riesen-Talent, erst beim FC Bayern, später beim TSV ausgebildet, wechselte 2016 zurück nach Uffing. In die Heimat, zu den Spezln – ohne ein Seniorenspiel für Murnau bestritten zu haben. „Klar tut das weh“, sagt Adelwart. In gewisser Weise kann er die Denke nachvollziehen. „Das Niveau unterscheidet sich kaum.“ Nur eine Liga trennt beide Teams. Am Schluss bestimme immer der Spieler über seine Zukunft. „Du wirst immer die Abgänge haben, die richtig wehtun.“

Doch – und diese Frage beschäftigt viele – für was bildet der TSV dann Fußballer aus, wenn die eigenen Senioren-Mannschaften nicht profitieren? Für die anderen Vereine? Gewiss nicht. „Wir müssen den Herrenbereich so interessant wie möglich gestalten“, betont Adelwart. Zwei Senioren-Mannschaften stellt er sich vor. Eine sollte – im besten Fall – leistungsorientiert trainieren. Allerdings gibt die TSV-Führung keine Liga vor. „Wir wollen Fußballer, die unser Vereinsleben bereichern.“ Nur mit den Treuen lässt sich ein erfolgreiches Männer-Team aufbauen. Viele, das zeigt die Erfahrung, schaffen es gar nicht in den Seniorenbereich. Spieler, die vor Jahren in C- und D-Jugend als große Talente galten, haben aufgehört. Die anderen Dinge – Freizeit, Mädchen, Party – sind wichtiger geworden.

"Kommt der Rest von ganz alleine"

Wie viele aus dem ehemals großen Pool oben ankommen, wird sich frühestens in einem Jahr zeigen. 2019 rücken etwa zehn Fußballer zu den Männern, in den Jahren danach jeweils an die 15. Möglicherweise baut der TSV schon vorher talentierte A-Jugendliche in die Senioren-Mannschaften ein. Es mache keinen Sinn, sie in der Jugend festzuhalten, findet Adelwart. Bei seinem Amtsantritt als Abteilungsleiter vor vier Jahren hatte er betont, es brauche einen sehr langen Atem. Zu diesen Worten steht er nach wie vor. „Wenn du ordentliche Arbeit machst, kommt der Rest von ganz alleine.“ Nachhaltig muss sie aber sein.

Neben den vielen Aufstiegen und Meisterschaften hat der TSV einen Image-Erfolg verbucht: Früher habe man viel Negatives mit Murnau verbunden. Die Vorurteile stammen laut Adelwart aus Zeiten, „für die ich zu jung bin“. Mittlerweile treten Eltern und Kinder dem Verein ohne Ressentiments entgegen. Das sportliche Angebot interessiert sie, nicht der Ruf, betont der Sparten-Boss. Adelwart sagt: „Das ist anders als früher.“

Schnuppertraining

Der TSV Murnau veranstaltet für den Jahrgang 2008 ein Schnuppertraining an der Poschinger-Allee. Dennis Destek leitet die Einheit am morgigen Donnerstag zwischen 16 und 17.30 Uhr.

Aufrufe: 011.4.2018, 12:35 Uhr
Andreas Mayr - Garmisch-Partenkirchener TagblattAutor