2024-05-02T16:12:49.858Z

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Ein Bondorfer Spieler (rechts, anonymisiert) wurde in Mötzingen zur Zielscheibe  Foto (Archiv): Vecsey
Ein Bondorfer Spieler (rechts, anonymisiert) wurde in Mötzingen zur Zielscheibe Foto (Archiv): Vecsey

SV Bondorf: Zeichen gegen Rassismus

Nach Beleidigung durch einen Zuschauer in Mötzingen verlässt das B-Ligateam geschlossen das Feld

Der SV Bondorf, die nominell zweite Mannschaft des B-Ligisten, hat in der B-4-Gäustaffel einen schweren Stand. Zumeist setzt es deutliche Niederlagen. Nun hat die Mannschaft am vergangenen Samstag spontan rund zehn Minuten vor dem Abpfiff auf dem Mötzinger Sportplatz einen Spielabbruch ausgelöst, in dem sie geschlossen das Feld verließ. Vorausgegangen war eine angeblich rassistische Beleidigung durch einen Zuschauer aus Mötzingen.

Bondorfer Spielertrainer muss verletzt ins Krankenhaus

Der Bondorfer Spielertrainer Lukas Schnaidt war beim Anruf des „Gäubote“ am späten Samstagabend völlig außer sich: „Rassistische Beleidigung, so was geht gar nicht.“ Dabei war Schnaidt selbst zum Zeitpunkt des Abbruchs gar nicht mehr in Mötzingen vor Ort. Er war im hoch geschnittenen Rasen des Mötzinger Ausweichplatzes bei einem Zweikampf hängen geblieben, musste in der 41. Minute ausgewechselt werden und wurde ins Krankenhaus gefahren. Diagnose: Alle drei Außenbänder abgerissen. Sein Co-Trainer Lukas Uttner, ebenfalls ein Spieler, habe ihm über die Entwicklung berichtet.

Rudelbildung nach Tritt gegen die Spielfeldumrandung

Auch Bondorfs Spielleiter Stefan Strecker, der am Samstagabend ebenfalls nicht vor Ort war, hatte sich bis zum Sonntagmorgen von verschiedenen Seiten berichten lassen, was sich auf dem Mötzinger Sportplatz zugetragen hatte. Beim Stand von 3:1 für Mötzingen signalisierte der Gastgeber dem Schiedsrichter Joachim Ernst (SV Erzingen) in der 76. Minute einen Doppelwechsel. Für Timon Seick kam Jerome Müller ins Spiel, Seick verließ über die Südseite den Platz. Über die Nordseite, dort wo sich die Auswechselbank der Bondorfer befand, ging Nikolaos Kagelidis vom Platz, für ihn kam Daniel Möck in die Partie. Mötzingens Spielleiter Matthias Haarer, der für den verhinderten Trainer Cesare Lupo die Mannschaft coachte: „Nikolaos war ungehalten und hat sich über die Bondorfer Spieler aufgeregt, nicht zuletzt deshalb habe ich ihn auch ausgewechselt.“ Der Grieche ist erst seit kurzem in Deutschland, spielt seit letzter Saison für den SVM. Laut Angaben von Haarer soll Kagelidis von Bondorfer Spielern mit den Worten „Lern’ du erst mal Deutsch, bevor du mit uns redest“ angegangen worden sein. Jedenfalls schlug Kagelidis wutentbrannt außerhalb des Spielfeldes mit dem Fuß gegen die Umrandung. Daraufhin entwickelte sich eine Diskussion mit Spielern von beiden Seiten und zwei Mötzinger Zuschauern, die sich auf der Nordseite ebenfalls aufgehalten hatten.

Bondorfer Kapitän mischt sich ein

Dann, so schildert Stefan Strecker in seiner schriftlichen Stellungnahme, die der „Gäubote“-Redaktion vorliegt, hätten die Mötzinger angefangen, den Co-Trainer Lukas Uttner zu beleidigen. Da habe sich ein ein 21-jähriger Bondorfer Mitspieler eingemischt, der eine dunkle Hautfarbe hat (Name der Redaktion bekannt) und der zudem an diesem Samstagabend die Kapitänsbinde trug. Er wurde daraufhin, so Strecker, von einem der beiden Zuschauer mit „Scheiß Schwarzer, Nigger und Negerbengel“ beschimpft. Strecker: „Unser Spieler sah sich danach außer Stande, das Spiel fortzusetzen und weigerte sich, weiterzuspielen. Unser junges Team zeigte sich daraufhin solidarisch und verließ geschlossen das Spielfeld, um gegen Rassismus auf Fußballplätzen ein Zeichen zu setzen.“

"Für mich war das reiner Kindergarten"

Dieser Darstellung widersprach Matthias Haarer auf Anfrage energisch: „Beide Zuschauer habe ich befragt, es ist nur das Wort ’Du Schwarzer bist ruhig’ gefallen. Meiner Meinung nach wäre das Spiel nicht abgebrochen worden, wenn ein Lukas Schnaidt noch da gewesen wäre. Ich weiß nicht, was sich die jungen Spieler da zusammengereimt haben. Für mich war das reiner Kindergarten.“ Hernach seien auch Mötzinger Zuschauer noch beleidigt worden. „Der Gipfel“ war aus Haarers Sicht erreicht, als Bondorfs stellvertretender Abteilungsleiter Guntram Feth, er begleitete neben Abteilungsleiter Frank Lutscher das Bondorfer Team, die Polizei angerufen hat. Diese kam mit zwei Streifenwagenbesatzungen, die Beamten nahmen die Aussagen des Bondorfer Kapitäns zu Protokoll, eine Pressemitteilung gab die Ludwigsburger Polizeidirektion bis zum gestrigen späten Sonntagabend nicht mehr heraus.

Der Schiedsrichter hat nichts gehört

Bliebe noch Schiedsrichter Joachim Ernst. Der stellvertretende Obmann der Schiedsrichtergruppe Zollern-Balingen räumte gestern Abend gegenüber dem „Gäubote“ ein, dass er die Rudelbildung aus einer gewissen Entfernung beobachtet habe. Von den von Strecker angegebenen Beleidigungen habe er nichts gehört und werde dies auch nicht im Sonderbericht erwähnen. Lediglich die Tatsache, dass der SVB-Kapitän, wie ihm Lukas Uttner mitgeteilt habe, nicht mehr in der Lage war, das Spiel fortzusetzen. Nach Angaben des Bezirksvorsitzenden Richard Armbruster werden nach einem Spielabbruch stets die Verantwortlichen der beiden beteiligten Vereine aufgefordert, zu einem Präventionsseminar beim Württembergischen Fußballverband (WFV) zu erscheinen.

Aufrufe: 025.11.2019, 08:16 Uhr
Andreas Gauß, Andreas Denner / GäuboteAutor