2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
Zwei Eigentore – und trotzdem gewonnen: Am Ende durften die Verantwortlichen des Fußballkreises und die Vereinsvertreter noch einigermaßen zufrieden zu den Champions-League-Übertragungen eilen. Zuvor hatten am Mittwochabend über 100 Fußballer (Funktionäre, Spieler, Interessierte) sowie Vertreter von Stadt und Sportbund in der Aula des Remscheider Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums auf Einladung des Kreises einen Abend mit Stärken und Schwächen zum Thema "Gewalt im Fußball" erlebt.

Ein Abend, der laut dem Kreisvorsitzenden Frank Tammschick nur der Auftakt einer Serie von Gesprächen und Maßnahmen sein soll, um das Schreckgespenst auch von den Plätzen und aus den Hallen der Region zu vertreiben.

Wie wichtig das Thema ist, wurde am vergangenen Wochenende in Hückeswagen einmal mehr deutlich: Ausgerechnet bei einem Fair-Play-Turnier der Altersklasse U9 (!) prügelten sich am Rande des Endspiels plötzlich zwei erwachsene Mannschaftsverantwortliche. Eines von vielen schlechten Beispielen der vergangenen Wochen und Anlass genug für einen Abend wie den am Mittwoch.

Allerdings: Dass der Kreis dazu auch Vertreter des Fußballverbandes Niederrhein eingeladen hatte, war ein Fehlgriff. Mehr Plattitüden, als FVN-Präsidiumsmitglied Peter Waldinger ("Schiedsrichter machen in der Kreisliga genauso viele Fehler wie Spieler", "Fußball soll Spaß machen") und der Schiedsrichter-Lehrwart des Kreises Rees/Bocholt, Dominik Hoffmann, in ihren Powerpoint-unterstützten Monologen unters Volk brachten, waren in lähmend langen 40 Minuten kaum unterzubringen. Das waren zwei klassische Eigentore. Thema? Eindeutig verfehlt!

Konkreter wurde es erst, als sich Kim Keil das Mikrofon schnappte. Der Vorsitzende der Kreisspruchkammer drohte wortreich, die Kammer habe nun lange genug die Vereine immer wieder auf ihre in der Spielordnung nachlesbaren Pflichten hingewiesen und werde sich künftig nicht scheuen, Geldstrafen auch gegen Klubs zu verhängen, wenn diese nicht wie gefordert "für ein sportliches Verhalten ihrer Mitglieder und Anhänger vor, während und nach den Spielen Sorge tragen".

Das schmeckte den Vereinsvertretern naturgemäß nicht. Ebenso wenig der Hinweis des Sportbundes, dass ein schlechtes Image des Fußballs kaum förderlich sei, wenn um öffentliche Mittel gebettelt werde – zum Beispiel für den Bau eines Kunstrasenplatzes. Und auch der Ansatz von Remscheids Sportamtsleiter Bernd Fiedler, bei Anzeichen möglicher Randale auch in den Kreisligen die gastgebenden Vereine im Einzelfall zu verpflichten, professionelle (und kostspielige) Security-Firmen zu engagieren, sorgte für ruckartiges Hochschnellen der Augenbrauen und machte klar: Das Ende der Geduld scheint erreicht, der Weg zur Linderung wird unbequem.

Viel Applaus erntete am Ende Carsten Stopka. Der Fußball-Obmann nahm die Klubs ganz konkret in die Pflicht, bei in der Sportgerichtsbarkeit aktenkundig gewordenen Wiederholungstätern "genau hinzusehen, ob man solche Spieler verpflichtet". Jeder Mensch habe das Recht auf eine zweite Chance, "nicht aber auf eine vierte oder fünfte". Stopka appellierte zugleich an die Klub-Verantwortlichen, die rosarote Vereinsbrille abzusetzen: "Jeder muss sich an die eigene Nase fassen, wenn wir die Probleme gemeinsam in den Griff bekommen wollen." So nahm ein anfangs langatmiger Abend noch ein versöhnliches Ende.

Fraglich bleibt nur, ob die Appelle fruchten. In der Vergangenheit gab es schon öfter Gesprächsrunden zu dem Thema. Mal vom Kreis initiiert, mal von den Vereinen selber. Stets wurde von allen Seiten Besserung gelobt. Viel geändert hat sich indes nicht. Die Krux an dem Problem, das sich längst weit über den Fußball hinaus in unserer Gesellschaft manifestiert hat, ist und bleibt die Umsetzung der vollmundigen Absichtserklärungen. Wer führt Kontrollen durch? Wer kennt die potenziellen Übeltäter? Reicht der aktuelle Strafenkatalog der Spruchkammern aus? Können und sollen Vereine für das Fehlverhalten Einzelner mitbestraft werden? Wie hoch darf der Druck auf Klubs und Spieler werden, ohne dass der Amateursport und seine Vereine kaputtgehen?

Richtig ist aber auch: Wenngleich es keine simplen Lösungen für die vielen Fragen gibt – sich zurückzuziehen und nichts zu tun, ist in jedem Fall der falsche Weg. Deswegen haben der Fußballkreis und seine Mitstreiter Unterstützung verdient. Vielleicht hilft's ja doch.

Aufrufe: 013.12.2013, 12:00 Uhr
Rheinische Post / Henning SchlüterAutor