2024-04-29T14:34:45.518Z

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F: Kirsten Ramb
F: Kirsten Ramb

"Ohne Disziplin kann man keinen nachhaltigen Erfolg haben"

Semih Altun und Kerim Dikici haben mitten in der Saison den ESV Hohenbudberg verlassen - und erklären im Interview ihre Gründe

Beim ESV Hohenbudberg läuft es nach dem Aufstieg in die Kreisliga A im Sommer bisher sportlich ausgezeichnet. Nach elf Spielen ist die Mannschaft Tabellenvierter. Dennoch haben sich mit Semih Altun und Kerim Dikici zwei Spieler entschlossen, nicht mehr für den ESV aufzulaufen. Im Interview erklären sie uns die Beweggründe dafür.

Semih, Du hast gemeinsam mit einem Mannschaftskollegen die Erste Mannschaft des ESV Hohenbudberg verlassen. Wie kam es dazu?

Altun Das war keine plötzliche Entscheidung. Seit der neuen Saison liefen einige Dinge nicht rund im Verein, sodass Kerim Dikici bereits nach dem 4. Spieltag den Verein verlassen hat, obwohl er Stammspieler war. Als er mir seine Gründe aufzählte, musste ich ihm leider Recht geben. Wir sind mit Kerim zusammen seit über zwei Jahren beim ESV und sind gemeinsam aufgestiegen. Deswegen fand ich seine Entscheidung schade. Bei mir stand es nach dem 7. Spieltag fest, dass ich den Verein verlassen werde. Die Frage war, ob es Sinn machen würde, trotzdem bis Winter im Verein zu bleiben oder nicht. Ich habe die Situation weitere drei Wochen beobachtet und bin dann ebenfalls zum Entschluss gekommen, den Verein sofort zu verlassen. Da ich die letzten vier Spieltage sowieso im Urlaub bin, hätte ich nur noch die nächsten vier Spieltage spielen können und das wollte ich mir nicht antun.

Das ist Dir sicherlich nicht leicht gefallen, zumal Du da ja nicht einfach nur Spieler im Verein warst.

Altun Mich kennen viele Leute im Kreis Moers, und jeder, der mich kennt, müsste wissen, dass ich niemals ohne Grund eine Mannschaft verlassen würde. Ich bin ein sehr disziplinierter Mensch und nehme meine Sache sehr ernst. Daher steigere ich mich manchmal zu sehr in Dinge hinein und gebe alles für meine Mannschaft. Natürlich ist es mir nicht leicht gefallen, die Jungs mitten in der Saison zu verlassen. Zumal ich ja auch ein sehr gutes Verhältnis zum Vorstand und privat ein sehr gutes Verhältnis zum Trainer hatte. In den vergangenen zwei Jahren gab es auch keine Probleme unter uns. Als ich zum ESV kam, war die Erste Mannschaft eine durchschnittliche Kreisliga-B-Mannschaft. Der Vorstand konnte die guten Spieler in der Umgebung nicht überzeugen, weil die Anlage des Vereins sich in einem nicht guten Zustand befindet. Da ich sehr viele Spieler kenne und ein gutes Verhältnis zu einigen Spielern habe, habe ich dem Vorstand versprochen, gute Spieler zum ESV zu holen und mit der Mannschaft aufzusteigen. Mein Versprechen habe ich gehalten und wir sind aufgestiegen. Der Kader war gut, doch nicht ausreichend, um in der Kreisliga A oben mitzuspielen. Da der Vorstand es erneut nicht geschafft hat, den Kader mit guten Spielern aufzustocken, habe ich diese ehrenvolle Aufgabe in übernommen. Die Spieler, die ich zum ESV geholt habe, könnten in jeder Kreisliga-A-Mannschaft und sogar teilweise in der Bezirksliga spielen. Somit konnten wir eine sehr gute Kreisliga-A-Mannschaft zusammenstellen. Zudem habe ich Sponsoren aus dem Bekanntenkreis überzeugt, den Verein finanziell zu unterstützen.Ich hatte nur eine einzige Bedingung und das war Disziplin. Ich habe die Erfahrung in einigen Mannschaften gemacht, dass man ohne Disziplin keinen nachhaltigen Erfolg haben kann. Der Vorstand und auch der Trainer hatten mir versprochen, nicht zu sehr erfolgsorientiert zu handeln und auf Disziplin zu achten. Das heißt, dass ich dem Vorstand und dem Trainer alles auf einem Silbertablett serviert habe, und die das Ganze nur noch hätten leiten und verwalten müssen.

Was sind aus Deiner Sicht die Gründe, dass es so weit kommen konnte?

Altun Der Grund für mich war, dass ich keine Zukunft in dem Verein gesehen habe. Der Vorstand und auch der Trainer haben das Versprechen nicht gehalten und waren zu sehr erfolgsorientiert. Die Trainingsbeteiligung war unter aller Sau, die Pünktlichkeit hat nicht mehr gestimmt und auch der Umgang untereinander war ein großes Problem. Es haben sonntags Spieler gespielt, die die ganze Woche nicht beim Training waren oder unentschuldigt 40 Minuten zu spät zum Treffpunkt kamen. So etwas muss meiner Meinung nach bestraft und nicht belohnt werden. Ich habe auch einen Job, eine Familie, Freunde und ein privates Leben. Wenn ich es geschafft habe, zwei Jahre lang bei jedem Training präsent zu sein, auch als Verletzter oder gesperrter Spieler, erwarte ich das von anderen auch. Ich habe seit zwei Jahren immer im Stamm gespielt und habe auch fast immer 90 Minuten durchgespielt. Doch auch wenn ich alle Spiele durchspiele, macht es mir kein Spaß, sobald keine Disziplin in der Mannschaft herrscht. Wenn ich unzufrieden bin, dann kann ich kein Spaß haben. Der Trainer hat vor zwei Wochen beim Training vor der ganzen Mannschaft gesagt, dass er ab jetzt die Spieler, die zu spät zum Treffpunkt kommen, bestrafen wird. An dem Sonntag hat er Spieler aufgestellt, die 30 Minuten zu spät kamen. Für mich persönlich ist das eine Charakterschwäche. Entweder ich sage, dass ich nur nach Erfolg strebe und Disziplin mir egal ist, oder ich bin ein Ehrenmann und halte mein Versprechen. Dann habe ich mitbekommen, dass der Vorstand auch Mitspracherecht bei der Aufstellung hat und der Trainer die Entscheidungen nicht alleine trifft. Sowas konnte ich nicht akzeptieren, weil die Spieler, die unzufrieden waren, sich immer bei mir ausgekotzt haben. Denn am Anfang der Saison habe ich diesen Spielern versprochen, dass sowas nicht vorkommen wird. Deswegen habe ich das Gespräch mit dem Vorstand gesucht und diesem deutlich gemacht, dass ich das unter diesen Umständen nicht mehr weitermachen werde. Dabei habe ich denen den berühmten Satz von Oliver Kahn, den mit den Eiern, ins Gesicht gesagt. Das haben die als eine Beleidigung aufgenommen. Da ich aber ein direkter, offener und ehrlicher Mensch bin, habe ich meine Meinung gesagt. Da sich nichts verändert hat, habe ich die Entscheidung getroffen, den Verein zu verlassen. Ich möchte nicht zu tief greifen. Denn wenn ich hier alles veröffentlichen würde, würde die Mannschaft zusammenbrechen, und das möchte ich nicht. Dazu müsste ich nur die Nachrichten auf meinem Handy veröffentlichen und zeigen, was beim ESV hintenrum alles passiert. So einen Charakter habe ich aber nicht. Ich weiß, dass einige Leistungsträger der Mannschaft sich jetzt schon für die nächste Saison einen anderen Verein suchen und auch andere Vereine kontaktieren. Das widerspiegelt die Unzufriedenheit der Spieler. Wie am Anfang erwähnt denke ich, dass man ohne Disziplin keinen nachhaltigen Erfolg haben kann. Zur Zeit ist der Erfolg da und deswegen herrscht nicht so eine große Unruhe. Die Mannschaft wird auch hoffentlich weiterhin Erfolg haben, weil wir eine qualitativ gute Mannschaft aufgebaut haben. Bei so vielen guten Spielern brauchen der Trainer oder der Vorstand nicht viel zu machen, um Erfolg zu haben. Aber man sollte sich die Frage stellen, was passieren wird, wenn man drei oder vier Spiele hintereinander verliert. Disziplin, Loyalität und Ehre sollten meiner Meinung nach wichtige Punkte im Fußballleben sein.

Ist aus Deiner Sicht denkbar, dass ihr Euch euren Schritt noch einmal überlegen könntet? Was müsste dafür passieren?

Altun Zunächst muss ich sagen, dass ich ein ruhiges Gewissen habe und keine Schuldgefühle habe. Denn ich habe alles offen, ehrlich und direkt gesagt und habe den Verein ehrenvoll verlassen, ohne hinter dem Rücken einer Person zu reden. Ich finde, dass ich viel für den Verein getan habe und der Verein sehr undankbar war. Was mich sehr traurig gemacht hat war, dass der Trainer leider Charakterschwäche bewiesen hat. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich ihn sehr geschätzt. Da ich mit charakterlosen Menschen nicht zusammenarbeiten kann, ist eine Rückkehr in den Verein mit diesem Vorstand und mit dem Trainer für mich unvorstellbar.

Habt ihr schon Pläne, wie es fußballerisch für Euch weiter gehen soll? Steht eventuell eine Rückkehr zum TuS Asterlagen an?
Altun Bis Ende November werde ich mich ausruhen und dann meinen Urlaub genießen. Zwei Vereine haben uns bereits kontaktiert. Einen anderen Verein habe ich kontaktiert, aber zu einem Gespräch kam es noch nicht. Wir haben ja noch reichlich Zeit und möchten im Endeffekt die richtige Entscheidung treffen. Natürlich würden wir gerne zusammenspielen. Bei dem Thema Asterlagen muss ich eine emotionale Antwort geben, weil mein Verhältnis zu diesem Verein ganz anders ist. Spieler, Trainer und Vorstand des Vereins sind Familienmitglieder, Brüder oder Freunde von mir. Deswegen hat der TuS Asterlagen einen ganz besonderen Platz in meinem Leben. In meiner schwierigen Zeit, wo ich am Knie operiert wurde, hat der Verein mich als Co-Trainer eingestellt und mich unterstützt. Nach meiner zweiten Operation hat der Vorstand mich geehrt und mich als Fußballobmann eingestellt. Nach dem ich wieder fit war, habe ich mit dem TuS Asterlagen zwei Jahre in der Kreisliga A gespielt und habe mit dem Verein nie über Geld gesprochen. Ich bin kein undankbarer Mensch und sowas würde ich nie in meinem Leben vergessen. Es wäre also keine Rückkehr, weil ich Asterlagen seelisch nie verlassen habe. Auch in der Zeit, wo ich beim ESV war, hatte ich eine sehr gute Beziehung zu dem Verein. Mit dem Co-Trainer Tugay Yilmazer bin ich ständig im Kontakt. Ich kann offen und ehrlich sagen, dass ein Gespräch über einen Wechsel nicht stattgefunden hat.

Kerim, möchtest du abschließend noch was sagen?

Dikici Ich kann mich dem Semih nur anschließen. Er hat beim ESV viel bewegt und für den Erfolg des Vereins gesorgt. Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich niemals zum ESV gewechselt. Wir sind in dem Jahr, wo wir aufgestiegen sind, als Team aufgetreten und sind als Team aufgestiegen. Wie Semih es schon beschrieben hat, hat sich seit Anfang der neuen Saison Einiges verändert und für den Trainer und den Vorstand war plötzlich Disziplin und Loyalität gegenüber "alten Spielern" ein Fremdwort. Es wurden Entscheidungen getroffen, die mich persönlich sehr verletzt und enttäuscht haben! Ich bzw. wir haben noch nie einen Verein mitten in der Saison verlassen Für mich ist ESV fußballerisch gestorben, es gibt definitv kein Zurück mehr nach so einer illoyalität. Man sollte sich die Frage stellen: Warum verlassen zwei Spieler, obwohl diese eine wichtige Rolle im Team spielen, den Verein so früh in der Saison? Die Antwort finden Sie hier. Ich wünsche trotzdem dem Team viel Erfolg und eine weiterhin gute Saison.

Aufrufe: 019.10.2017, 16:30 Uhr
FuPaAutor