2024-06-04T08:56:08.599Z

Allgemeines
– Foto: Hannelore Wagner

"Öffnung nur für Kinder bis 14 Jahre ist absoluter Nonsens"

Leserbrief fordert Politiker auf, alternative Trainingsmöglichkeiten für Kinder zu schaffen.

Kevin Kutzner ist C-Jugend-Trainer beim GSV Eintracht Baunatal und bekommt so hautnah mit, wie sehr die Coronakrise und die daraus folgenden Beschränkungen den Jugendfußball und deren Protagonisten beeinträchtigen. In einem Leserbrief appelliert er an die Politik:

"Es ist in den letzten Jahren vieles falsch gelaufen. Was jedoch nun seit der Coronakrise aus unserem so geliebten Sport geworden ist, grenzt an eine Zumutung. Die Mitglieder-Zahlen im Jugendfußball und auch im Senioren-Fußball sinken seit Jahren. Die kleineren Vereine haben kaum noch eine Möglichkeit, einen geregelten Spielbetrieb auf die Beine zu stellen. Neue ehrenamtliche Funktionäre sucht man vergebens. Gäbe es nicht die Funktionäre in den Vereinen, welche schon seit Jahrzenten dabei sind, dann wäre es kaum noch möglich, die täglichen Arbeiten rund um den Sportverein zu erledigen.

Aber kommen wir nun zum Thema Sportangebote für Jugendliche. Es entstanden in den Jahren immer mehr Spielgemeinschaften, da das Interesse der Jugendlichen, einem Sportverein beizutreten, massiv gesunken ist. Dies ist natürlich auch der Digitalisierung und des immer breiteren Angebots der E-Sports-Szene zu verdanken, wodurch die Kinder und Jugendlichen zunehmend an den PC und die eigenen vier Wände gebunden werden.

Durch die Coronakrise und der Einführung des Homeschoolings hat sich dies noch einmal verstärkt. Die Kinder und Jugendlichen sitzen meist nur noch von morgens bis abends vor dem PC, um dem Online-Unterricht zu folgen und sich danach in der virtuellen Welt mit ihren Freunden zu verabreden.

Kevin Kutzner im Trikot der TSG Sandershausen
Kevin Kutzner im Trikot der TSG Sandershausen – Foto: privat

Geschuldet durch die Maßnahmen unserer Regierung haben die Jugendlichen auch keine andere Wahl, da es ja nicht geduldet wird, wenn Sie sich unter Freunden zum Fußballspielen treffen, also bleibt wohl doch nur die Konsole.

Seit nunmehr zwei Monaten trainiere ich unsere C-Jugend mit Spielern im Alter zwischen 14 und 15 Jahren. Unsere Regierung erlaubt seit dieser Zeit wieder ein kontaktloses Fußballtraining im Freien für Kinder unter 14 Jahren. Ach, stimmt ja, da war ja was. Kinder, die das Pech haben, zwischen den Monaten Januar und April geboren zu sein, können also nicht mit ihren Freunden und Mannschaftskollegen trainieren? Richtig, diese Kinder, die bereits das 15. Lebensjahr erreicht haben, dürfen nicht mittrainieren. Aber sagen Sie mal einem Kind, nur weil es ein paar Monate älter ist als seine Freunde, es müsse doch zuhause bleiben, da es die Regierung so beschlossen hat.

Mit mir sicher nicht, wenn ich sehe, wie viel Spaß die Jugendlichen am Training haben. Und wenn ich die Trainingsbeteiligung sehe, welche bei 18 bis 20 Spielern pro Training liegt, dann könnte ich das niemals mit meinem Gewissen vereinbaren, den Kindern mitzuteilen, dass Sie doch bitte daheimbleiben müssen und sich anderweitig beschäftigen sollen. Eine Öffnung des Sportangebots für Jugendliche, welche auf die Altersgrenze bis 14 Jahren ausgelegt ist, halte ich für einen absoluten Nonsens.

Es geht hier auch um die Kinder zwischen 15 und 18 Jahren, die gerade in die Pubertät kommen und eine Auslastung zu ihrem tristen Alltag dringend benötigen. Diese Jugendlichen im Alter von 15 bis 18 Jahren sind das Fundament für viele Vereine, bei denen das Geld nicht so vorhanden ist, um ihre Senioren-Mannschaften mit jungen Eigengewächsen aufzustocken. Doch genau diese Jugendlichen haben seit über einem halben Jahr keinerlei Möglichkeit auf ein geregeltes Mannschaftstraining, was viele dazu bringen wird, sich vom Fußball abzuwenden, da die Interessen vermutlich in eine andere Richtung gehen werden.

Die Gesellschaft für Aerosolforschung hat die Regierung schon vor einigen Monaten darauf aufmerksam gemacht, dass bei der Ausübung von Kontaktsport im Freien ein extrem geringes Infektionsrisiko besteht. 99,9 Prozent aller Covid-19-Ansteckungungen erfolgen demnach in geschlossenen Räumen. Hierbei wurde auch erwähnt, dass das Alter egal ist, weil sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch Erwachsenen, eine Ansteckungsgefahr gleich Null ist.

Natürlich kann man es verstehen, dass man sich vor, während und nach dem Training an die Hygiene-Regeln halten muss und die Jugendlichen umgezogen zum Training kommen müssen, sodass man sich nie in geschlossenen Räumen befindet. Jedoch hat jeder Verein ein ausgiebiges Hygienekonzept zusammengestellt, was auch von jedem nach bestem Wissen und Gewissen umgesetzt wird.

Nach all den Aspekten ist es daher kein großes Entgegenkommen, was uns die Regierung seit zwei Monaten ermöglicht hat, da die bisherigen Regelungen ja nur die 4 bis 14-Jährigen betreffen. Zu all dem Überfluss hat unsere Regierung mit ihrer am Mittwoch beschlossenen Notbremse auch das Mannschaftstraining für die unter 15-Jährigen verboten. Nun dürfen die Kinder nur noch in Gruppen zu je 5 Personen trainieren, was ein normales Mannschaftstraining unmöglich macht.

Nach all den von mir genannten Aspekten ist diese Regelung für mich absolut unbegreiflich. Wenn unsere Regierung möchte, dass unsere Kinder und Jugendlichen absolut keine Lust mehr auf sportliche Aktivitäten haben und nur noch in der medialen Welt leben wollen, dann sind sie hier auf dem absolut richtigen Weg.

Was das für die gesundheitlichen und sozialen Aspekte der Kinder bedeutet, daran mag ich gar nicht denken. In diesem Sinne bitte ich unsere vielbeschäftigten Regierungsmitglieder darum, dem Sport und gerade auch dem Jugend- und Kinder-Sport eine deutlich höhere Aufmerksamkeit zu schenken, da die Kinder und Jugendlichen unsere Zukunft sind und man genau erkennen sollte, wie wichtig gerade der Sport in der heutigen, so schweren Zeit sein kann.

Aufrufe: 023.4.2021, 11:01 Uhr
redAutor