2024-04-25T14:35:39.956Z

Querpass

Nicht zu halten - ein Eifeler Torwart startet in die USA

Von einem Torwart-Talent aus der Eifel, das seine Heimat verlässt und das Glück 7000 Kilometer weiter westlich sucht.

Benjamin Pelz ist 19 Jahre alt, stammt aus Birresborn in der Vulkaneifel und hat in den vergangenen Jahren für die SG Kylltal, den FC Bitburg und den FSV Salmrohr im Tor gestanden. Jetzt, ein paar Monate nach seinem Abitur, startet der Eifler ein vierjähriges Abenteuer Tausende Kilometer von seiner Heimat entfernt.

Sie werden ihn grillen. Er weiß das. Vielleicht wird er sich in den ersten Tagen wünschen, niemals in den Flieger gestiegen zu sein. Auch das weiß er. Sie haben es ihm erzählt, als er vor wenigen Monaten mal da war, sich alles angeschaut hat. Da haben sie ihm auch gesagt, wie es den Neulingen aus Europa in den ersten Tagen oft ergeht. Den Isländern zum Beispiel, wie denen die Zungen aus den Hälsen hängen, weil sie das Training unter der brütend heißen Sonne Georgias so fertigmacht. „Ich bin mir dessen bewusst“, betont Benjamin Pelz, „im US-Fußball steht die Physis im Vordergrund, aber für mich ist das kein Grund, den Schritt nicht zu gehen – im Gegenteil: ich freue mich riesig auf das Abenteuer“.
Sein Abenteuer, das beginnt für den 19-Jährigen am kommenden Freitag. Dann steigt Benjamin Pelz aus Birresborn in der Vulkaneifel am Flughafen Düsseldorf in den Flieger und hebt ab in Richtung Atlanta, der Hauptstadt des US-Bundestaats Georgia, seiner neuen Heimat für die kommenden vier Jahre. Bis 2021 wird das Torwart-Talent für das Fußballteam der Middle Georgia State University spielen, den MGA Knights und nebenbei seinen Bachelor in Psychologie ablegen – ein Sportstipendium macht’s möglich.
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Das mit dem Fußballspielen beginnt bei Benjamin Pelz im Alter von sechs Jahren. In der F-Jugend der SG Kylltal geht’s los, erst im Feld, dann im Tor. „Ich war der Einzige, der keine Angst vorm Ball hatte, also musste ich ins Tor“, erinnert sich Pelz mit einem Lachen. Es gefällt ihm, die Bälle um die Ohren gehauen zu bekommen. Er will nicht mehr raus aus dem Kasten. Nicht nach seinem Wechsel zum FC Bitburg 2013. Nicht, als er mit 16 Jahren zum FSV Salmrohr geht.
Dort spielt der 1,93-Meter-Mann zuerst in der B-, dann in der A-Jugend-Rheinlandliga und zählt zum Kader der ersten und zweiten Mannschaft. „Zwei Jahre lang hatte ich in Salmrohr mit Christoph Reuter einen eigenen Torwart-Trainer, das war ein Riesen-Vorteil für mich“, erzählt der Eifler. „Ich glaube nicht, dass ich mich ohne Christoph so gut entwickelt hätte.“
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An einem Tag im Sommer 2016 – Pelz weiß nicht mehr genau, wann es war – erhält er plötzlich zwei Nachrichten auf Facebook, darin heißt es: „Bist du an einem Sport-Stipendium in den USA interessiert?“ Zwei Agenturen aus Deutschland, die talentierten jungen Fußballern Stipendien an Hochschulen in den Vereinigten Staaten vermitteln, sind auf seine Entwicklung aufmerksam geworden. Ein Stipendium in den USA? Vier Jahre lang weg aus der Eifel? Für den Abiturienten des Gerolsteiner St. Matthias Gymnasiums klingt diese Vorstellung erst mal ziemlich abwegig. „Ich brauchte ein paar Tage, um darüber nachzudenken, um alles mit Freunden und Familie zu besprechen“, berichtet Pelz.
Doch dann geht alles ziemlich schnell. Der 19-Jährige entscheidet sich für das Angebot der Agentur Jomi Sport Scholarships, bekommt die Oberliga-Spielerin Lena Trentl vom Karlsruher SC als Beraterin zur Seite gestellt und kann sich plötzlich vor Anfragen aus den USA nicht mehr retten. Seine Agentur stellt den interessierten US-Unis Infos und Videomaterial von ihm zur Verfügung. Wer Interesse am Torwart-Talent aus Deutschland hat, meldet sich. „Ungefähr 20 Colleges haben danach Kontakt zu mir aufgenommen“, erzählt Pelz. Am Ende entscheidet er sich für die Middle Georgia State University. „Das hat einfach gepasst, die wollten mich unbedingt, haben mir auch versichert, dass sie mit mir als Nummer eins für die kommende Saison planen.“
Nach einem Besuch in Georgia und einem Treffen mit dem Trainerteam fällt die endgültige Entscheidung: Benjamin Pelz spielt künftig in der US-College-Soccer-League für die MGA Knights.
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Während es für den 19-Jährigen mit dem FSV Salmrohr in der vergangenen Saison noch mit dem Auto zu Auswärtsspielen nach Niederemmel oder Klausen ging, reist der Torwart künftig mit dem Flugzeug zu Duellen quer durch die Staaten. Im ersten Saisonabschnitt warten in der sogenannten Eastern-Conference-Staffel Teams aus Florida, South Carolina oder Alabama – ein Flug reiht sich an den anderen. „Das wird sicher eine ganz andere Belastung, als ich es bisher gewohnt bin“, prophezeit der junge Mann, „denn neben den Spielen kommen täglich noch zwei bis drei Trainingseinheiten hinzu“.
Pelz ist Teil eines 30-köpfigen Kaders. Seine Teamkollegen kommen aus Ecuador, Jamaika, England oder Venezuela. „Wenn US-Fußballer zwischen einem Dribbling und einem Sprint wählen können, um an einem Gegenspieler vorbeizukommen“, weiß Pelz, „dann fällt die Wahl meist auf den Sprint – die Physis ist dort das A und O.“ Das habe er aus Vorgesprächen erfahren. „Um aber auch das Technische nicht zu vernachlässigen, haben wir auch einige Südamerikaner im Team.“
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Einen Tag pro Woche hat Pelz in den USA frei. Dann kann er machen, was er will – in seinem eigenen Appartment relaxen, im dazugehörigen Pool abtauchen oder etwas mit den Teamkollegen – die alle Tür an Tür leben – unternehmen. „Die schulische wie sportliche Ausbildung ist in den Staaten echt super, nicht zu vergleichen mit der in Deutschland. Uni und Sport sind perfekt aufeinander abgestimmt.“
Nach vier Jahren am College, im Jahr 2021, wird Pelz das Team verlassen müssen. Läuft alles optimal, winkt ihm danach vielleicht ein Platz bei einem Team in der US-Profiliga MLS oder bei einem Verein in Deutschland. „Oder ich mache dann erstmal meinen Master in Psychologie zu Hause – das werde ich sehen, es ist ja noch ein bisschen Zeit bis dahin.“
Nur eins ist für ihn im Moment schon ganz sicher: Über Weihnachten wird er nach Hause in die Eifel kommen. „Da freue ich mich schon drauf“, sagt er mit einem Strahlen im Gesicht. „Denn natürlich werde ich meine Freunde und meine Familie vermissen, besonders meine Oma, die ist 93 und mächtig stolz auf mich.“

Aufrufe: 02.8.2017, 10:57 Uhr
Marek FritzenAutor