2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
F: André Nückel
F: André Nückel

Kei­ne si­che­re Bank

Es ist ein be­gehr­ter Ar­beits­platz, im Durch­schnitt al­ler­dings blei­ben Bun­des­li­ga-Trai­ner we­ni­ger als 15 Mo­na­te im Amt.

Für Tay­fun Kor­kut war die Bun­des­li­ga­sai­son be­reits nach dem sieb­ten Spiel­tag be­en­det. Der 45-Jäh­ri­ge wur­de beim VfB Stutt­gart nach ei­nem Fehl­start mit nur fünf Punk­ten und zwölf Ge­gen­to­ren ent­las­sen. Kor­kut war der ers­te Chef­trai­ner, der in der lau­fen­den Se­rie der höchs­ten deut­schen Spiel­klas­se vor­zei­tig ge­hen muss­te.

Bis­lang er­eil­te noch sie­ben wei­te­re Fuß­ball-Leh­rer die­ses Schick­sal. Dar­un­ter auch Mar­kus Wein­zierl, der eben­falls vom VfB ent­las­sen wur­de. Wer in der Bun­des­li­ga als Trai­ner ar­bei­tet, muss mit ei­ner kur­zen Halb­werts­zeit rech­nen.

Es gibt da ei­ne Aus­nah­me: Chris­ti­an Streich. Sie­ben Jah­re, vier Mo­na­te und zwei Ta­ge ist er be­reits im Breis­gau en­ga­giert. Ak­tu­ell dau­ert ei­ne Amts­zeit im Schnitt un­ter 15 Mo­na­te – Ten­denz stark fal­lend. Nach Streich fol­gen Pal Dar­dai (4 Jah­re, zwei Mo­na­te, 26 Ta­ge bei Her­tha) und Ju­li­an Na­gels­mann (3 Jah­re, zwei Mo­na­te und 20 Ta­ge bei Hof­fen­heim) – bei­de hö­ren am Sai­son­en­de bei ih­ren Klubs auf. Nur Fried­helm Fun­kel (For­tu­na Düs­sel­dorf) ist dann noch län­ger als zwei Jah­re beim sel­ben Ar­beit­ge­ber.

„Es bricht viel zu schnell Pa­nik aus bei den Klubs“, sagt Lutz Han­g­art­ner, Prä­si­dent des Bun­des Deut­scher Fuß­ball-Leh­rer (BDFL) im Ge­spräch mit un­se­rer Re­dak­ti­on. „Ich wür­de mir wün­schen, dass deut­li­che­re Si­gna­le von den Klubs kom­men. Et­wa im Fal­le des Miss­er­folgs auch die Mann­schaft zu sank­tio­nie­ren, ihr auch an den Geld­beu­tel zu ge­hen, statt den Trai­ner zum al­lei­ni­gen Sün­den­bock zu ma­chen. Auch die Ma­na­ger müs­sen Ver­ant­wor­tung über­neh­men. Sie sind mit­ver­ant­wort­lich für die Ka­der­zu­sam­men­stel­lung. Häu­fig wer­den Mil­lio­nen in neue Spie­ler in­ves­tiert, aber es wird nicht ge­prüft, ob die Spie­ler auch cha­rak­ter­lich pas­sen. Da wer­den vie­le Pro­ble­me ein­ge­kauft.“

Mög­lich­kei­ten, die Ver­ei­ne stär­ker zu re­gle­men­tie­ren oder gar zu be­stra­fen, sieht Han­g­art­ner, 75, nicht. Über Ge­dan­ken­spie­le zur Ein­füh­rung ei­ner Re­gel, die den Klubs nur ei­ne be­stimm­te Zahl von Trai­ner­wech­seln pro Sai­son ge­stat­tet, sagt er: „Das wä­re na­tür­lich in un­se­rem Sin­ne, recht­lich gibt es da­für aber kei­ner­lei Hand­ha­be. Die Ver­ei­ne sank­tio­nie­ren kann man ein­fach nicht.“

Für Han­g­art­ner, der mehr als 40 Jah­re am In­sti­tut für Sport und Sport­wis­sen­schaft als Do­zent an der Uni­ver­si­tät in Frei­burg lehr­te, ist es manch­mal nicht leicht, sich als Ge­werk­schaf­ter vor Ver­tre­ter sei­ner Zunft zu stel­len. Auch er er­fährt vie­les nur aus den Me­di­en. Die Trai­ner als Ich-AGs klä­ren Pro­ble­me häu­fig lie­ber im Al­lein­gang. Um ge­mein­sa­me Lö­sun­gen zu fin­den, lädt der BDFL die Trai­ner aus der 1. und 2. Li­ga zwei Mal im Jahr zu ei­ner Ta­gung ein. Der BDFL wur­de 1957 von 129 Pro­fi­trai­nern ge­grün­det – dar­un­ter Sepp Her­ber­ger und Dett­mar Cra­mer. Mitt­ler­wei­le sind rund 4900 Mit­glie­der im Ver­band or­ga­ni­siert. Da­von sind 0,7 Pro­zent Frau­en.

Es gibt sehr vie­le Grün­de, war­um sich heut­zu­ta­ge Klubs von ih­ren Trai­nern tren­nen – über­wie­gend aus der Angst, kurz­fris­tig sport­li­che Zie­le nicht mehr zu er­rei­chen. Es geht aber auch im­mer mehr um das Ge­plän­kel drum­her­um. Wer ver­kauft sich wie in der Öf­fent­lich­keit? Wel­ches Ver­hält­nis hat er zur Mann­schaft? Was für ei­ne Be­zie­hung zu den Fans? Was sa­gen die Me­di­en? Mar­kus An­fang ist beim 1. FC Köln als Spit­zen­rei­ter in der 2. Li­ga drei Spiel­ta­ge vor dem fast si­che­ren Auf­stieg raus­ge­schmis­sen wor­den. Selbst der Er­folg konn­te nicht mehr über­tün­chen, dass es grö­ße­re Dis­har­mo­ni­en gab. Der Trai­ner ist das schwächs­te Glied in der Ket­te. Die­ter Hecking wird in Mön­chen­glad­bach ab Ju­li durch Mar­co Ro­se er­setzt, weil man sich bei der Bo­rus­sia ei­nen „stra­te­gi­schen Neu­an­fang“ er­hofft. Und da­zu braucht es eben un­ter an­de­rem ei­nen neu­en Trai­ner. Die An­sprü­che sind ge­stie­gen.

Fun­kel hat die Me­cha­nis­men des Ge­schäfts An­fang des Jah­res kur­zer­hand still­ge­legt. Im Trai­nings­la­ger in Mar­bel­la soll­te ei­gent­lich sein Ab­schied zum Sai­son­en­de ver­kün­det wer­den. Der Ver­ein woll­te nicht über die Sai­son hin­aus mit ihm pla­nen. Nach nur ei­nem Tag voll­zog der Klub ei­ne for­mi­da­ble Rol­le rück­wärts und bot Fun­kel ei­nen neu­en Ver­trag an.

In Kre­feld ha­ben es Trai­ner ak­tu­ell be­son­ders schwer. „Wenn es nö­tig ist und uns an un­ser Ziel bringt, ho­le ich 18 Trai­ner“, sagt Mik­hail Po­no­ma­rev, Prä­si­dent des KFC Uer­din­gen, bei der Vor­stel­lung des neu­en Trai­ners Hei­ko Vo­gel – er ist be­reits der vier­te Trai­ner in die­ser Sai­son beim Dritt­li­gis­ten.

So vie­le Trai­ner­wech­sel gab es in die­ser Sai­son

Bi­lanz Acht Trai­ner­wech­sel gab es wäh­rend der lau­fen­den Bun­des­li­ga-Spiel­zeit. Sechs wei­te­re Wech­sel zum En­de der Sai­son ste­hen schon fest.

Spit­zen­rei­ter Der VfB Stutt­gart hat die meis­ten Trai­ner ver­schlis­sen. Auf Tay­fun Kor­kut folg­te In­te­rims­trai­ner An­dre­as Hin­kel, auf ihn Mar­kus Wein­zierl. Nun sitzt Ni­co Wil­lig als In­te­rims­trai­ner auf der Bank.

Aufrufe: 02.5.2019, 18:02 Uhr
RP / Gianni Costa und Sebastian FuhrmannAutor