2024-04-25T14:35:39.956Z

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Publikumsliebling mit Spitznamen "Foxer": Fabian Kalig bei der Verabschiedung vor den Fans des Zweitligisten FC Erzgebirge Aue. Seine Profikarriere musste er mit 28 Jahren verletzungsbedingt frühzeitig beenden.
Publikumsliebling mit Spitznamen "Foxer": Fabian Kalig bei der Verabschiedung vor den Fans des Zweitligisten FC Erzgebirge Aue. Seine Profikarriere musste er mit 28 Jahren verletzungsbedingt frühzeitig beenden. – Foto: FC Erzgebirge

Kaligs Karriereende mit 28: "In gewisser Weise eine Erleichterung"

Das Knie macht nicht mehr mit: Wie sich der Niedernhausener Fabian Kalig nach seinem vorzeitigen Karriereende für ein Leben nach der Profi-Laufbahn wappnet +++ 85 Zweitliga-Einsätze für Aue

Aue/Niedernhausen. Eines Tages geht es wieder zurück in die Heimat. Das war für Fabian Kalig schon immer klar gewesen. Bedeutet für ihn: Niedernhausen. Der Ort, wo er aufwuchs. Wo er beim SV Niedernhausen und in der Talentförderung Wiesbaden den Grundstein für seine Karriere als Profifußballer legte. Eine Karriere, die den kampfstarken Defensivspieler bis in die 2. Bundesliga zum FC Erzgebirge Aue führte. Eine Karriere, die der 28-Jährige vor wenigen Monaten im besten Fußballeralter beenden musste.

Denn sein linkes Knie macht Profisport nicht mehr möglich. Eigentlich schon seit jenem verhängnisvollen Tag Ende Oktober 2019. Da bekam Kalig in einem Trainingsspiel einen Schlag von der Seite ab, fiel auch noch komisch hin. Sofort schwoll sein Knie dick an, ein MRT brachte wenig später traurige Gewissheit: Knorpelschaden im Außenbereich des Knies. Wenige Tage zuvor hatte er mit dem FC Erzgebirge noch den FC Nürnberg mit 4:3 besiegt und lag auf dem vierten Platz der 2. Liga. Doch anstatt mit den Kollegen weiter auf der Erfolgswelle zu surfen, stand für ihn das Kontrastprogramm an. OP, Knorpelzellentransplantation, Reha.

"Ich war gar nicht so weit weg"

Zwei Jahre kämpfte er, um wieder auf dem Platz zu stehen. In der Sommervorbereitung auf die laufende Saison konnte der Rotschopf wieder Teile des Mannschaftstrainings absolvieren. "Ich war gar nicht so weit weg", erinnert sich Kalig. Zu diesem Zeitpunkt war sein Vertrag beim FC Erzgebirge nach fünf Jahren im Verein eigentlich schon ausgelaufen. Statt ihn, wie es bei anderen Vereinen auch praktiziert wird, nochmal mit einem Vertrag auszustatten und Kalig so auch ein wenig den Druck zu nehmen, es unbedingt zu packen, bot der FCE seinem verdienten Spieler (85 Zweitligaeinsätze) eine Art "Wiedereingliederung" an.

"Schwere Zeit" der Ungewissheit

Der Deal: Bleibt er fit und überzeugt in der Vorbereitung, würde er nochmal einen Vertrag erhalten. Hält das Knie? Geht es als Profi weiter? Wenn ja, bei welchem Verein, an welchem Ort und in welcher Liga? Für ihn und seine Familie - vor etwas mehr als einem Jahr wurden Kalig und seine Frau Anne Eltern einer Tochter - sei das "eine schwere Zeit" gewesen, reflektiert der junge Familienvater die monatelange Phase der Ungewissheit. Doch nach einigen Wochen wurde klar: Kaligs Knie macht die dauerhafte Belastung nicht mehr mit. Die alten Probleme, sie kamen wieder. Und auch eine bittere Diagnose. Erneut wurde ihm ein Knorpelschaden bescheinigt, diesmal an der Innenseite des Knies.

Bei den Fans hoch im Kurs

Kalig hatte also im September traurige Gewissheit: Keine Profikarriere mehr, kein neuer Vertrag beim FC Erzgebirge. Paradox: "In gewisser Weise war es auch eine Erleichterung für uns", sagt Kalig. Gerade beim Verein der Kumpels und Bergarbeiter in Aue wissen die Fans Kämpfertypen wie Kalig besonders zu schätzen. Dementsprechend emotional fiel der Abschied vor der Kurve im Erzgebirgsstadion aus. "Das hat mich sehr stolz gemacht", sagt Kalig.

Beim Spiel gegen Würzburg markiert Kalig den 1:0-Führungstreffer. Am Ende gewinnt Aue 3:1-Kalig zelebriert mit den Fans auf dem Zaun.
Beim Spiel gegen Würzburg markiert Kalig den 1:0-Führungstreffer. Am Ende gewinnt Aue 3:1-Kalig zelebriert mit den Fans auf dem Zaun. – Foto: FC Erzgebirge

Auch die zahlreichen Nachrichten, die er von alten Weggefährten erhielt, nachdem er seinen Abschied via Instagram publik gemacht hatte. Darunter von Domenico Tedesco. Der heutige Trainer von RB Leipzig hatte Kalig einst in Aue trainiert.

Viel vermissen wird er nicht

Der Abschied ist für ihn gleichzeitig ein Abschluss. Das Kapitel Profifußball ist für Kalig definitiv beendet. Er macht deutlich: Viel vermissen wird er an seinem alten Leben als Fußballer nicht. Klar, finanziell konnte er als Zweitligaprofi sehr gut leben. Dazu der Spirit in der Kabine, das Rumalbern mit den Teamkollegen. "Alles andere fehlt mir nicht", sagt Kalig. Vor allem die mentale Belastung im Abstiegskampf - und in dem steckt man in Aue in der Zweiten Liga quasi jede Saison: "Da stehst du von montags bis sonntags unter Strom", sagt Kalig, der sich auf seinen neuen Lebensabschnitt freut.

Vermögensberater in spe

Denn nun haben andere Dinge Prioritäten. Als Erstes, wieder einen "beschwerdefreien Alltag" zu führen, wie Kalig es ausdrückt. Da hat er nun einen Meilenstein erreicht: "Die Krücken habe ich kurz vor Weihnachten ablegen können."

Auch beruflich soll es vorangehen. Im März beginnt er in Chemnitz und Gera eine Ausbildung zum Kaufmann für Versicherungen und Finanzen, will danach wieder nach Niedernhausen übersiedeln und gemeinsam mit Jugendfreund Luca Pilling (der in Naurod in der Kreisoberliga spielt) als Vermögensberater arbeiten. Und mit seiner Frau ein Haus in der Heimat bauen. Große Pläne, in denen eine Rückkehr in den Fußball auf Amateurebene, sein großer Bruder Christian kickte zuletzt beim SV Niederseelbach II, keine wirkliche Rolle spielt. Kalig: "Ich bin froh, wenn mein Knie den Alltag noch mitmacht."

Aufstieg in die 3. Liga als Quantensprung

Zeit, um nach seinem Abitur parallel zum Fußball schon eine Ausbildung zu absolvieren, hatte er mit Anfang 20 nicht. Denn unter dem späteren Profi-Trainer Sandro Schwarz stieg sein Team 2016 von der Regional- in die Dritte Liga auf. Der entscheidende Quantensprung für Talente wie ihn auf dem Weg in den bezahlten Fußball. "Da wurden 20 Spieler auf einen Schlag Fußballprofis", erinnert sich Kalig, der für die Mainzer Reserve 69 Drittliga-Spiele absolvierte.

Fabian Kalig war Kapitän der Zweiten Mannschaft von Mainz 05 nach dem Aufstieg in die 3. Liga. Insgesamt absolvierte er für die Mainzer Reserve 69 Drittliga-Spiele.
Fabian Kalig war Kapitän der Zweiten Mannschaft von Mainz 05 nach dem Aufstieg in die 3. Liga. Insgesamt absolvierte er für die Mainzer Reserve 69 Drittliga-Spiele. – Foto: hbz/Jörg Henkel

Aufgrund der zeitlichen Belastung mit Vormittagstrainings und Auswärtsfahrten quer durch Deutschland musste er sein Maschinenbau-Studium nach wenigen Semestern abbrechen. Sportlich lief es hingegen: Mit der Mainzer Reserve schaffte er als Kapitän den Klassenerhalt. Und spielte sich als zweikampfstarker Innen- und Außenverteidiger mit gutem Passspiel in den Fokus vom FC Erzgebirge, der ihn nach dem Aufstieg in die Zweite Liga verpflichtete.

Im Juni 2016 wird Fabian Kalig als Neuzugang beim FC Erzgebirge vorgestellt. Trainer damals war Pavel Dotchev (links).
Im Juni 2016 wird Fabian Kalig als Neuzugang beim FC Erzgebirge vorgestellt. Trainer damals war Pavel Dotchev (links). – Foto: FC Erzgebirge

Eine Offerte aus Schottland

Dort etablierte er sich nach wenigen Monaten als Stammspieler, war auch bei den Lila-Weißen Führungsspieler und im Mannschaftsrat. Nach zwei Jahren, als sein erster Vertrag in Aue auslief, habe es auch mal lose Gespräche mit anderen Zweitligisten gegeben. Dazu eine Offerte aus Schottland. Doch Kalig entschied sich zu bleiben, unterschrieb einen Dreijahresvertrag. Der nun im Sommer 2021 endete. Und mit ihm sein Abenteuer im Profifußball. Aber auch, wenn sich sein Leben nicht mehr um das runde Leder dreht. Kalig, der 2016 nach Aue kam, um im Profifußball seine Fußstapfen zu hinterlassen, hat noch viel vor im Leben. Und kommt bald wieder nach Hause.

In der Talentförderung Wiesbaden der Elly-Heuss-Schule fing für Kalig (obere Reihe, 3. von rechts) alles an. Mit der EHS wurde Kalig und sein Team 2005 Hessenmeister. Rechts neben ihm: Shawn Parker).
In der Talentförderung Wiesbaden der Elly-Heuss-Schule fing für Kalig (obere Reihe, 3. von rechts) alles an. Mit der EHS wurde Kalig und sein Team 2005 Hessenmeister. Rechts neben ihm: Shawn Parker). – Foto: Elly-Heuss-Schule

Aufrufe: 015.2.2022, 06:00 Uhr
Philipp DurilloAutor