2024-05-02T16:12:49.858Z

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– Foto: Heiko van der Velden

"Jupp Heynckes ist ein toller Mensch"

Borussias früherer Stürmer erklärt an Jupp Heynckes 75. Geburtstag, was ihn als Torjäger, Trainer und Person ausgemacht hat.

Jupp Heynckes wurde am Samstag 75 Jahre alt. Uwe Rahn war in den 1980er Jahren einer der gelehrigsten Schüler des damals noch jungen Trainers. Ein Gespräch mit dem einen Gladbacher Torschützenkönig über den anderen Torschützenkönig.

Herr Rahn, was hat den Trainer Jupp Heynckes ausgemacht?
Rahn Sein Charakter, das Menschliche den Spielern gegenüber, das war phänomenal. Er hat mich mit 18 Jahren aus Mannheim geholt und von der ersten Minute an total begleitet und aufgebaut. Er hat mir als jungem Spieler immer viel Selbstvertrauen gegeben und gesagt: Aus deinem Talent kann man etwas Großes machen. Er hat viele Einzelgespräche geführt und auch in schwierigen Phasen die Spieler unterstützt. Was er vor allem hatte: Ein super Auge für Talente, die er dann entwickelt hat. Wer so viele gute Spieler formt wie er, der muss ein guter Trainer sein.

Welche Charaktereigenschaft zeichnete den jungen Trainer Heynckes aus? Der Ehrgeiz?
Rahn Das würde ich sagen. Er war als Spieler ein Großer und ist es dann auch als Trainer geworden. Bei Borussia haben ihm sicherlich die großen Erfolge gefehlt, aber man darf auch nicht vergessen, dass damals der Geldbeutel bei Borussia immer sehr schmal war. Später bei Real und den Bayern hat er dann die Titel geholt. Und wenn ein Trainer zweimal die Champions League gewinnt, sagt das, finde ich, alles über ihn aus. Aber man hat seinen Ehrgeiz auch im Training gemerkt, zum Beispiel, wenn wir Fünf gegen Zwei gespielt haben und er dabei war. Wenn er in der Mitte war, hat er alles dafür getan, schnell wieder rauszukommen. Da konnte es auch mal einen auf die Socken geben.

Es heißt, Sie hätten ihn mal getunnelt …
Rahn (lacht) Er wird es schon verdrängt haben, aber es war so. Ich habe mich selbst ein wenig erschrocken in der Szene. Die anderen haben gesagt: ,Oh Langer, was hast du jetzt gemacht?‘ Aber ich bin gut davon gekommen. Wir haben nachher über die Szene gescherzt.

Berti Vogts sagte über Hennes Weisweiler, er sei für ihn eine Vaterfigur gewesen. War es bei Ihnen ähnlich mit Heynckes?
Rahn Das war sicher so. Ich kam mit 18 nach Mönchengladbach, in eine fremde Stadt, war gerade erst Profi geworden – das war ja alles Neuland für mich, der gerade aus dem Elternhaus raus war. Jupp Heynckes war immer da, wenn ich Fragen hatte, hatte immer ein offenes Ohr, auch für private Dinge. Das hat mir sehr geholfen und daraus hat sich eine enge Bindung entwickelt.

Sie waren selbst Stürmer. Wie haben Sie als Jugendlicher den Stürmer Heynckes wahrgenommen. War er ein Vorbild?
Rahn Ja. Er war ein absoluter Topstürmer, eine Tormaschine, er hat aus zwei Chancen zwei Tore gemacht. Natürlich hat man sich angeschaut, wie er sich bewegt hat, wie er seine Tore gemacht hat. Er war unfassbar abgezockt vor der Kiste – wenn er die Chance gesehen hat, hat er abgeschlossen. Das hat mir sehr imponiert. Er hatte so viel Power nach vorn und immer den Ehrgeiz, Tore zu erzielen, da wurde nicht mehr quergelegt im Strafraum. Davon hat er mir viel vermittelt, hat mir immer wieder Tipps gegeben. Wie ich mich bewegen soll, dass ich mich konzentrieren soll, gerade dann, wenn es nicht so lief.

Zum Stürmer-Dasein gehört also auch eine gute Portion Egoismus?
Rahn Auf jeden Fall. Und das habe ich von Jupp Heynckes gelernt. Es gibt immer wieder Situationen vor dem Tor, da musst du einfach draufhauen. Man muss da dann auch mal den eigenen Weg gehen und nicht nach links und rechts schauen, sondern auch mal auf eigene Faust etwas versuchen. Nur dann machst du auch viele Tore als Stürmer.

Warum gab es in den 80ern keinen Titel?
Rahn Die Titel hat er dann ja später in seiner Trainerkarriere geholt. Aber auch bei Borussia hat Jupp Heynckes immer klasse Teams geformt unter den gegebenen Bedingungen. Trotzdem hat der letzte Schritt gefehlt, das ist so. Gerade 1984 im Pokal-Endspiel gegen die Bayern war es sehr eng, da fehlten ja nur wenige Minuten zum Triumph. Das sage ich mir bis heute: Mensch, das hätte es sein können. Aber ich muss eines sagen: Jupp Heynckes hat uns immer super eingestellt, daran hat es nicht gelegen. Es sollte vielleicht einfach nicht sein, dass wir da einen Titel holen. Vielleicht war das auch der Antrieb, eine solche Trainerkarriere hinzulegen, wer weiß.

Wenn man sagt, das 5:1 gegen Real Madrid 1985 war das größte Borussen-Spiel jener Zeit, war dann das Rückspiel (0:4) die größte Enttäuschung?
Rahn Das ist so. Das war schon ein Knick für uns alle. Das 5:1 war ein mega Spiel. Keiner von uns hat gedacht, dass danach noch etwas schiefgehen kann. Aber wir sind dann in Madrid nicht annähernd so aufgetreten wie im Hinspiel und sind nach dem frühen Gegentor brutal eingebrochen. Es war schon spürbar, dass nach diesem Spiel die Enttäuschung bei ihm sehr groß war. Das war vielleicht sogar schon ein Punkt, in dem bei Jupp Heynckes der Gedanke gereift ist, mal was Neues zu machen, sich zu verändern. Er wollte Titel gewinnen, das war immer klar, und vielleicht hat er in solchen Spielen wie in Madrid oder 1987 im Uefa-Cup-Halbfinale gegen Dundee United gespürt, dass es in Gladbach schwierig wird.

Wie war die Teamsitzung nach dem Madrid-Spiel?
Rahn Da hat er schon manchem den Kopf ordentlich gewaschen und es war auch etwas lauter. Aber das war auch völlig in Ordnung, wir haben unsere Leistung nicht abgerufen. Dabei waren wir total motiviert und auch gut eingestellt. Was los war, kann ich mir bis heute nicht erklären. Wir konnten uns einfach nicht gegen den Druck, den Madrid gemacht hat, wehren. Im Hinspiel ist die Maschine wie geschmiert gelaufen, in Madrid ging dann gar nichts. Es war unglaublich.

1987 ist Jupp Heynckes dann zu den Bayern gegangen. War es ein Thema, dass Sie mitgehen?
Rahn Es gab eine Zeit später einen Kontakt, bei dem sich Borussias Manager Helmut Grashoff und Uli Hoeneß über einen Wechsel austauschten. Ich glaube, es ist damals an der Ablösesumme gescheitert. Es hätte aber gepasst bei den Bayern mit Heynckes, ich bin überzeugt, dass ich da auch meine Tore gemacht hätte.

Tatsächlich hatten Sie Ihre beste Zeit unter dem Trainer Heynckes. Woran hat das gelegen?
Rahn Wir hatten schon eine besondere Beziehung, vom ersten Tag an. Er war für mich eine große Respektsperson und hat mir Kraft gegeben. Bei mir ist es bei ihm einfach gelaufen. Es lag auch daran, dass er meine Stärken genau kannte und mich entsprechend eingesetzt hat.

Wo ordnen Sie Jupp Heynckes in der deutschen Trainergilde ein?
Rahn Er ist für mich einer der größten deutschen Trainer. Ich war immer überzeugt, dass er seinen Weg machen wird als Trainer. Er hat den Ehrgeiz und ein gutes Händchen, gute Mannschaften zusammenzustellen. Es macht immer Freude, mit ihm über Fußball zu sprechen, das war damals so und auch zuletzt, als wir uns nach einigen Jahren bei der Eröffnung des Borussen-Museums wieder getroffen haben. Er ist ein toller, überaus sympathischer Mensch mit einer starken, ebenso sympathischen Frau, daran hat sich nichts geändert. Und er hat mir die entscheidenden Impulse für meine Karriere gegeben mit seiner Art. Es macht mich stolz, dass ich wie er als Borusse die Torjäger-Kanone geholt habe in der Zeit, als er mein Trainer war. Damit konnte ich ihm ein bisschen was zurückgeben.

Interview: Karsten Kellermann

Aufrufe: 011.5.2020, 22:00 Uhr
RP / Kellermann, KarstenAutor