2024-05-15T11:26:56.817Z

Allgemeines
– Foto: Heiko van der Velden

Jordan Beyer: "Drei Wochen lang ging gar nichts"

Borussias Eigengewächs spricht über seine Corona-Erkrankung und seine schwierige Situation in dieser Saison.

Sie sind seit letztem Sommer zurück bei Borussia, aber erst seit Jahresbeginn wieder regelmäßig im Kader. Ihre Einsatzzeit in dieser Saison: null.

Beyer Ich hatte mir das natürlich anders vorgestellt, als ich zurückgekommen bin vom HSV. Meine Ansprüche waren andere. Dass ich in dieser Saison noch nicht zum Einsatz gekommen bin, hängt aber auch mit Verletzungen und meiner Corona-Erkrankung zusammen. Bis jetzt ist es ein wenig ernüchternd.

Im Januar ging es darum, ob Sie noch mal verliehen werden. Marco Rose sagte, Sie sollen bleiben, weil Sie wichtig seien für Borussia. Wie drückt sich die Wertschätzung des Trainers aus?

Beyer Erst mal ist es schön, diese Rückendeckung zu haben. Trotzdem ist die Situation schwierig für mich. Ich bin seit acht Monaten wieder hier und habe noch kein Spiel gemacht. Da macht man sich schon manchmal ein paar Gedanken, wie es weitergeht. Ich nehme die Situation aber so an, wie sie ist. Natürlich kann mir niemand Spielzeit garantieren. Aber ich hoffe natürlich, dass ich in den nächsten drei Monaten noch Einsätze bekommen werde.

Laszlo Bénes hat kurz vor dem Ende der Transferperiode darum gebeten, dass er ausgeliehen wird, und durfte nach Augsburg gehen. Wie sah es bei Ihnen aus?

Beyer Darüber habe ich mir natürlich auch Gedanken gemacht. Ich hätte mir gut vorstellen können, mich noch mal verleihen zu lassen, weil es ein guter Schritt hätte sein können, um im Sommer noch mal stärker zurückzukommen. Letztes Jahr hat mir das enorm viel gebracht. Aber es kam sehr schnell das Signal von Gladbach, dass der Verein mich hierbehalten wollte. Deshalb sind die Ideen recht schnell verflogen.

Sie sind seit Jahresbeginn immer im Kader, ohne zu spielen. Ist es fast bitterer, sich Spiel für Spiel warmzulaufen und nie reinzukommen?

Beyer Ich weiß nicht, ob bitter das richtige Wort ist. Mein bis dato letztes Profi-Pflichtspiel überhaupt und über 90 Minuten habe ich im vergangenen Juni für Hamburg gegen Heidenheim gemacht. Für einen jungen Spieler ist das vielleicht nicht ganz optimal. In meinem Alter geht es vor allem darum, möglichst viel zu spielen. Immer im Kader zu stehen, ohne zum Einsatz zu kommen, ist am Ende für meine persönliche Entwicklung natürlich nicht ideal. Da ist es dann vielleicht besser, ab und an in der U23 aufzulaufen.

Das haben Sie schon ein paar Mal gemacht – und einen guten Eindruck hinterlassen.

Beyer Ja, das war nicht schlecht. Es ist ein anderes Niveau als bei den Profis, aber es tut gut, ein bisschen Wettkampf in die Beine zu bekommen und überhaupt diese Mentalität an den Tag legen zu können. Wir haben keinen so großen Kader bei den Profis, deshalb ist es dieses Jahr etwas schwieriger.

Sieht Marco Rose Sie als Innenverteidiger oder als Rechtsverteidiger?

Beyer Eher als Innenverteidiger.

Wobei es hinten rechts auch nicht besser aussähe, weil dort Stefan Lainer fast durchspielt.

Beyer So sieht es aus. Wenn so gestandene Spieler vor dir sind, wird es nicht einfacher. Aber ich versuche, das Beste aus dieser Situation zu machen und mich jeden Tag im Training anzubieten.

Was hat Sie zu Beginn der Saison mehr zurückgeworfen: die Knieverletzung oder die Corona-Infektion?

Beyer Auf jeden Fall die Corona-Infektion. Die Knieprobleme waren einen Tag, bevor ich positiv getestet wurde, weg. Ich hätte dann eigentlich wieder ins Training einsteigen können. Dann hat Corona natürlich alles durcheinander geworfen. Ich musste mitten in der Saison von der Fitness her bei null anfangen. Mitte November wäre ich aber wieder bereit gewesen.

Wie war Ihr Verlauf? Ramy Bensebaini hatte es richtig erwischt.

Beyer Ich lag drei Wochen komplett flach, es ging gar nichts. Geruchsverlust, Geschmacksverlust, Kopfschmerzen, Schnupfen – die ganze Palette. Ich hatte direkt danach noch einen anderen Infekt. Danach wieder bei null anfangen zu müssen, war nicht ohne.

War es als Sportler schwieriger damit umzugehen als mit einer Muskel- oder Bänderverletzung?

Beyer Corona war ganz anders. Es hat schon auf die Lunge geschlagen. Bei einer Muskel- oder Bänderverletzung bist du nicht komplett raus, sondern machst Krafttraining für den Oberkörper oder fährst Fahrrad für die Ausdauer. Das war alles nicht drin. Ich musste erst etliche Lungen- und Herzuntersuchungen machen, um zu checken, ob nicht ein dauerhafter Schaden entstanden ist, bevor ich fürs Training wieder freigegeben wurde.

Was macht so eine Krankheit noch mit einem?

Beyer Man merkt erst einmal, wie wichtig es ist, gesund zu sein. Das steht an allererster Stelle. Zwar war es natürlich ätzend, während der Quarantäne so viel Zeit in den eigenen Wänden zu verbringen, andererseits sind so drei Wochen für den Kopf und die Seele auch mal ganz gut, um runterzufahren und über alles nachzudenken.

Haben Sie mal gehadert in dieser Zeit? Sie waren zurück vom HSV, hatten Ihre Knieprobleme überstanden.

Beyer Natürlich ist das schwierig für den Kopf, wenn man immer wieder zurückgeworfen wird. Die zwei Jahre davor bei Borussia waren auch nicht immer ganz einfach für mich. Aber es hilft ja nichts, sich davon runterziehen zu lassen. Ich nehme jede Situation so an, wie sie ist und versuche immer, das Beste daraus zu machen.

Ihr Bundesliga-Debüt haben Sie im August 2018 mit 18 Jahren gefeiert. Gerade bei Eigengewächsen ist das immer ein spannender Moment. Wenn Sie an sich denken: Sind Sie ein wenig ernüchtert?

Beyer Als Fußballer möchte man immer so viel wie möglich spielen. Gerade nach der ersten Saison hätte ich mir natürlich mehr Einsatzzeiten erhofft.

Als Marco Rose neu war, hatten Sie ein paar Einsätze, wie im Pokal in Dortmund ein Klassespiel abgeliefert. Wo hakte es danach?

Beyer Die Tatsache, dass Marco Rose Stefan Lainer aus Salzburg mitgebracht hat, hat es für mich nicht unbedingt einfacher gemacht. Wenn ein Trainer einen Spieler schon länger kennt und ihm vertraut, ist es logisch, dass er vielleicht eher ihn aufstellt. Aber wir hatten in dem ersten halben Jahr 25 Spiele und ich habe nur eins von Beginn an gemacht. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mich damit zufriedengebe.

2022 läuft Ihr Vertrag aus. Im Sommer können Sie deshalb nicht mehr verliehen werden, ohne vorher verlängert zu haben. Läuft es darauf hinaus: Verlängern oder gehen?

Beyer Bislang gab es noch keine Gespräche, aber die wird es natürlich geben. Dann schauen wir mal, in welche Richtung es geht.

Wie haben Sie die Nachricht aufgenommen, dass Marco Rose im Sommer geht?

Beyer Von meiner Seite gibt es da nicht viel zu sagen. Ich bin nicht in der Position, das zu bewerten. Das ist die Entscheidung des Trainers und er hat das Recht, zu machen, was seiner Meinung nach für ihn das Beste ist. So ist das Business, solche Entscheidungen werden überall gefällt. Wir als Mannschaft haben die Entscheidung daher sehr professionell aufgenommen.

Ändert Roses Abschied etwas für Sie?

Beyer Natürlich verändert das in gewisser Weise die Ausgangsposition für mich. Ich werde mir ganz in Ruhe mit meinem Berater und meinem Vater Gedanken machen, was für meine Zukunft das Beste ist.

Sie waren damals das 25. Eigengewächs seit 2004. Wenn Sie sich mal Ihren U19-Jahrgang anschauen, aus dem es keiner zu Borussias Profis geschafft hat: Wo sind die alten Kollegen so unterwegs?

Beyer Die Karrierewege sind ganz unterschiedlich. Einige spielen in anderen Ländern, in der U23, in anderen zweiten Mannschaften oder in der 3. Liga. Louis Hiepen ist in den USA aufs College gegangen. Andere studieren und spielen gar keinen Fußball mehr auf hohem Niveau.

Wie nehmen Sie als unmittelbar Betroffener die Diskussion um die schleppende Nachwuchsarbeit im deutschen Fußball war?

Beyer Mittlerweile werden vermehrt Spieler aus dem Ausland eingekauft und dann in den Vereinen aufgebaut. Für den eigenen Nachwuchs macht das die Sache nicht unbedingt einfacher. Junge Spieler, die aus der eigenen Jugend kommen, bekommen seltener die Chance, sich über mehrere Spiele zu beweisen. Aber der Wettbewerb ist natürlich auch groß.

Wie ließe sich gegensteuern?

Beyer Keine Frage, der Sport ist sehr ergebnisorientiert. Aber wer mal einen jungen Spieler reinwirft, wird nicht gleich das Spiel verlieren. Das ist meine Meinung.

Was halten Sie von konkreten Regeln?

Beyer Ich bin kein Freund davon, alles zu reglementieren. Auch die Regel in der U23, dass nur Jungs aus bestimmten Ländern spielen dürfen, verstehe ich nicht. Wenn sie das Zeug dazu haben, sollten sie spielen dürfen. Ich finde grundsätzlich, dass der Impuls, junge Spieler zu fördern, noch mehr von den Vereinen kommen sollte.

Was erhoffen Sie sich von den nächsten Monaten?

Beyer Wir werden mal sehen. Natürlich hoffe ich erst mal, dass ich verletzungsfrei bleibe und alles mitnehme. Wenn ich noch ein paar Spiele machen könnte, wäre das toll. Für die Mannschaft wünsche ich mir, dass wir uns belohnen für das, was wir uns bislang schon erarbeitet haben.

Interview: Jannik Sorgatz

Aufrufe: 02.3.2021, 17:00 Uhr
RP / Jannik SorgatzAutor