2024-05-16T14:13:28.083Z

Interview
Burak Isikdaglioglu
Burak Isikdaglioglu – Foto: Mehmet "Dedepress" Dedeoglu

"Jeder Funktionär hat einen Traum."

Burak Isikdaglioglu, sportlicher Leiter Jugend des Berliner AK, über Pläne und Fortschritte in Sachen Nachwuchsleistungszentrum und der Sportanlage, über den Wandel und die Entwicklung der Jugendabteilung und mehreren Loben für Präsident, Kollegen und Politik.

Ein Interview von Marcel Peters - https://www.facebook.com/AmateurberichterstattungMarcelPeters/ - regelmäßig Berichte über Berliner und Brandenburger Amateurfußballer oder Vereine. Gesprächspartner: Burak Isikdaglioglu

Der Berliner Athletik Klub plant zur Saison 2023/2024 ein Nachwuchsleistungszentrum. Es wäre, nach den zertifizierten Einrichtungen von Hertha BSC und dem 1. FC Union, erst das dritte in Berlin. Ein ambitioniertes Ziel für einen Verein. Wann, wo und wie ist die Idee entworfen und entwickelt worden?
Jeder Funktionär hat einen Traum. Und für diesen Traum arbeiten wir seit meinem Amtsantritt Mai 2018 ununterbrochen. Wir haben sehr viel Zeit und Kraft investiert um den Nachwuchs wirtschaftlich, strukturell, organisatorisch und nachhaltig gut aufzustellen. Das ist uns gelungen und mit dem zu errichtenden Funktionsgebäude könnte der Traum wahr werden. Die DFB-Krise und die geplante Strukturreform im Nachwuchs hat uns ein halbes Jahr nach hinten geworfen. Man möge sich mal vorstellen, dass wir hier mit viel Engagement und der großen Unterstützung ein NLZ errichtet bekommen und dann aber in der Bundesliga nicht spielen dürfen, weil der DFB den letzten Faden zur Basis und dem Amateursport verloren hat, obwohl wir 97,5 % von Fußballdeutschland bilden. Unsere großer Traum hängt noch von zwei Dinge ab: 1. Ist die geplante intransparente Strukturreform des DFB nun endgültig vom Tisch?
2. Wie schnell kann das Funktionsgebäude errichtet werden?
Wenn das Poststadion zur EM Trainingsstätte 2024 wird, könnte es in zwei Jahren fertig werden. Denn der Senat hat für zwei Standorte 47 Millionen Euro bereitgestellt.

Welche Auflagen müssen für ein NLZ gestemmt werden?
Bei der Zertifizierung eines NLZ durch den DFB wird auf drei strukturelle Bedingungen Wert gelegt: 1. Management, 2. Fußballausbildung, 3. Unterstützung.
Zum Management gehören Strategie, Organisation und Infrastruktur. Zur Fußballausbildung gehören sportliche Betreuung, fußballinhaltliche Ausbildung und das Personal. Zur Unterstützung gehören Themenbereiche wie Medizin, Pädagogik, Schule & Beruf, Unterbringung, wissenschaftliche Begleitung, Soziales & Prävention. Es gibt drei Kategorien von Nachwuchsleistungszentren mit abweichenden Anforderungen, die zu erfüllen sind.

Mitte Oktober gab es, zusammen mit dem Sportfunktionär Clemens Krüger, einen ersten Zwischencheck. Welche Punkte konnten zu diesem Zeitpunkt bereits erfüllt werden, woran muss noch gearbeitet werden?
Unser Zwischencheck mit Clemens Krüger hat ergeben, dass wir in einigen Bereichen bereits sehr gut aufgestellt sind wie z. B. Strategie, Medizin, Pädagogik, Schule & Beruf und Prävention. Bei der sportlichen Betreuung, der fußballinhaltlichen Ausbildung und der Infrastruktur sind wir auf einem sehr guten Weg, haben aber natürlich noch Verbesserungsbedarf wie beim z. B. Personal, um den Anforderungen an ein NLZ zu erfüllen.

Neben dem Flutlicht im Poststadion arbeitet der Verein an einem barrierefreien Sportpark. Zudem werden die Kunstrasenplätze in den kommenden Jahren saniert. Welche baulichen Maßnahmen stehen außerdem bevor?
Das Poststadion wird die nächsten Jahre eine Dauerbaustelle bleiben. Der neue Jana-Lange Platz soll im Sommer fertig werden. Die Flutlichter wurden auf dem ehemaligen Tenne II Platz bereits montiert. Der Hermann-Horwitz Platz (ehem. Knabenplatz) ist fertig und wartet auf seine Abnahme. Wir erhalten zwei neue Kunstrasenplätze der neuesten Generation. So können wir weiter wachsen, aber auch den Leistungssport fördern. Die neuen, vom Berliner SC kommenden, Trainer würden am liebsten auf den neuen Plätzen übernachten. Auch die Wege und der Eingangsbereich über die Lehrterstr. werden ab Sommer eine deutliche Verschönerung bekommen, die auch endlich barrierefrei gestaltet wird. Für die nicht barrierefreie Tribünengebäude und der Sporthalle werden wir den Einbau von Rampen und Lifts verfolgen, damit auch Menschen mit Behinderung keine Nachteile mehr haben und uneingeschränkt den Sportpark mit allen Räumlichkeiten nutzen können. Wenn wir den Sommer überstanden haben, werden wir unseren bereits in der BVV beschlossene 9-Punkte Plan angehen. Mülltrennungsanlagen, EKO-Toiletten, Kräuter & Gemüsegarten, mehr Grünflächen und Bäume, Verschönerung der Anlage mit Sitz – und Begegnungsflächen und die Eröffnung des Elterncafés mit einem Sozial- und Bildungsraum. Hier wollen wir unsere Bildungsarbeit ausbauen. Mit der Kooperation der Jugendberufsagentur Berlin Mitte und der vereinseigenen Hausaufgabenhilfe und den Bildungsangeboten möchten wir die Jugendlichen enger in die Vereins– und Projektarbeit mit einbinden. Sie sollen mit eigens angebauten Kräuter und Gemüse ihr Essen selber kochen. Das größte Projekt und auch entscheidend für ein Nachwuchsleistungszentrum ist das Funktionsgebäude zwischen den oberen Kunstrasenplätzen. Hier haben wir bereits um eine aktive Mitwirkung gebeten, damit das Funktionsgebäude auch den DFB Statuten entspricht und wir an unserer Wohlfühloase gemeinsam mit anpacken und gestalten.

Inwiefern ist der Berliner AK generell von der Politik abhängig?
Wir sind von der Politik und der Abläufe bei den Ämtern komplett abhängig. Aber was Berlin-Mitte geleistet hat, ist schon Weltklasse. Unsere Arbeit findet Gehör und großen Zuspruch. So versucht das Sportamt, um Herrn Schmidt und unser Sportstadtrat Herrn Spallek, uns alles zu ermöglichen was im machbaren liegt. Wir wollen sehr viel und sind manchmal vielleicht zu engagiert – das stoßt nicht immer auf Freude. Aber wir lieben unseren Verein und unser Poststadion. Wie wichtig dieser Standort ist haben wir in den vielen Debatten gesehen. Zur Stärkung der Interessen haben wir auch die Interessengemeinschaft Poststadion ins Leben gerufen, wo zehn Vereine sich zusammengeschlossen haben. Am Ende profitiert nachhaltig die Politik, der Bezirk und die Vereine.

Neben baulichen Maßnahmen steht auch das Sportliche im Vordergrund. Auch hier wurde in den letzten zwei Jahren viel Arbeit reingesteckt. Die U19 gab mit starken Leistungen und dem Aufstieg in die Regionalliga schon etwas zurück. Wohin soll der Weg von allen Jugendteams führen?
Die U19 wurde von Corona gestoppt. Mit unseren Lucky Punch-Transfers wusste die Liga, dass wir eine Bereicherung werden. Wir hätten als Aufsteiger gerne um den Relegationsplatz weitergespielt, denn die fünf Siege in Folge waren kein Zufall. Aber so ist es leider und wir schauen nach vorne. Wir wollen in der nächsten Saison wieder attraktiven Fußball spielen und den Talenten eine Perspektive in der Herren Regionalliga ermöglichen.

Auffällig auch, dass nicht nur in Beine investiert wird. Regelmäßig holt der BAK neue, talentierte, ambitionierte Trainer an Bord. Hilft das auch, bei der Weiterentwicklung und Zusammenstellung der Teams?
Wir wollen immer besser werden. Wir arbeiten mit sehr vielen Trainern seit Beginn meiner Amtszeit 2018 zusammen. Die Trainerteams aus dem Leistungsbereich um Sportwissenschaftler Christopher Brauer, Benjamin Borth, Chris Seifert, Alper Güler und die Jugendleitung sind seit drei Jahren im Amt und haben mit ihren Verlängerungen bis 2023 auch ihre Ambitionen in diesem Verein unterstrichen. Diese Kontinuität bringt langfristig auch den Erfolg. Die Trainer haben hier große Freiheiten und können so sich selber, aber auch ihre Teams weiterentwickeln. Bis auf die U19 stellen die Trainer ihre Kader selber zusammen. Wir haben 130 Funktionsträger*innen, Trainer*in und Übungsleiter. Die Außendarstellung des Vereins ist unsere rote Linie. Wenn diese gefährdet ist, greife ich ein, denn der Verein hat einen sehr guten Ruf erlangt, auf welchen wir sehr aufpassen und ihn pflegen müssen. Wir haben dafür sehr hart und 365 Tage, insbesondere während der Coronazeit, gearbeitet. Die sechs Auszeichnungen im Jahr 2020 haben unsere erfolgreiche Arbeit nochmals bekräftigt.

Wichtig, vor allem in Richtung U17 und U19 ist auch das Aufzeigen einer sportlichen Perspektive im eigenen Herren-Bereich. Ist es kurz-, mittel- und langfristig das Ziel, eigene Jugendspieler in die Regionalliga zu bringen?
Wir haben bereits drei Spielern aus der U19 mit langfristigen Verträgen ausgestattet. Alle U19 Spieler haben in der Herren bereits trainieren dürfen, regelmäßig greifen unsere Herren auch auf Spieler zurück. Das macht uns natürlich stolz. Ahmad Rmieh, den wir von RB Leipzig verpflichtet haben, ist als jüngster BAK-Spieler in die Geschichte eingegangen. Mit Omar Hajjaj soll das zweite Talent den ähnlichen Weg gehen. Zwei Spieler dürfen wir noch mit einem Amateurvertrag verpflichten. Da sind wir noch auf der Suche. Die Neuzugänge müssen aber auch in das Profil des Herrentrainers André Meyer passen. Die Zusammenarbeit zwischen Herren und Jugend war nie intensiver und engmaschiger als seit dem Amtsantritt von André Meyer, der schon zuvor ein absoluter Wunschtrainer von mir war. Und mit Andreas Kerwin haben wir ebenfalls einen Trainer verpflichtet, der auf den Nachwuchs großen Wert legt.
In der U17 achten die Talente noch immer auf die Liga. Sie gehen für ein Jahr zu Vereinen, die in der Regionalliga spielen, um sich dann wieder neu umzugucken. Das ist auch bereits in der U15 so. Die Eltern möchten mit aller Macht ihre Söhne in der Regionalliga spielen sehen und begehen große Fehler, ziehen ihre Kinder aus dem Kiez und den Vereinen raus. Bei einem Vereinswechsel muss das Gesamtpaket stimmen und dabei die Schule ganz groß im Gewicht sein. Daher müssen wir mit der U15 und U17 in die Regionalliga, damit unsere Talente im Verein bleiben und so auch konkurrenzfähig. Die zahlreichen Anfragen machen uns stolz und wir geben unser Spieler sehr gerne an die Profivereine weiter. Aber innerhalb Berlin sind die Anfragen und mehrfach Abwerbungen schon nervig.

Kann auch eine eine U21 oder U23 helfen, Talente an den Verein zu binden?
Ich frage mich, warum vor fünf Jahren die zweite bzw. darauffolgend die U21 vom Spielbetrieb genommen wurde. Muhlis Aydin war Sponsor und Trainer, der die Mannschaft aus der C-Klasse in die Landesliga geführt hat. In diesem Jahr mussten etliche verdienstvolle Trainer den Verein verlassen. Die Zweite wurde die neue U21 die sang- und klanglos in die Bezirksliga abgestiegen ist. Ich finde es generell sehr schade, dass auch zahlreiche Profivereine ihren Unterbau abmelden. Die Talente die ohnehin schwer den Zugang in den Herren-Bereich bekommen, hören mit Fußball auf oder landen in den Amateurspielklassen. Durch unser gutes Netzwerk geben wir unsere U19 Spieler an Vereine ab Verbandsliga Berlin/Brandenburg aufwärts ab und ermöglichen ihnen so einen guten Übergang. Nach der U19 können unsere Spieler weiter auf unsere Unterstützung zurückgreifen.

Abseits der NLZ-Thematik muss auch der BAK dem Corona-Virus Tribut zollen. Hier leisten jedoch einige Jugendliche seit Beginn der Krise tolle Arbeit. Inwiefern ist es dem Verein wichtig, dass die Jungs mit einer guten Einstellung und Engagement gutes bewirken?
Unsere Jugendlichen sollen nicht nur gute Fußballer sein, sondern auch vorbildliche Arbeit für die Gesellschaft leisten – sich sozial und politisch engagieren. In der Coronapandemie haben sie unglaubliche Arbeit geleistet und wurden nicht ohne Grund mehrfach ausgezeichnet. Wer zum vielfältigen und toleranten Berliner AK kommt, findet sich auf einmal in Projekten, Interviews und sozialen Engagement wieder. Mit den Namensumbenennungen der Sportplätze haben sie auch ein klares Zeichen gegen Rassismus gesetzt und bewiesen, wie eine Demokratie von unten nach oben funktioniert. Aber auch auf dem Platz sollen sie den Verein gut repräsentieren. Die U19 ist deutschlandweit mit den wenigsten gelben Karten aufgestiegen. Da bleibt was Positives hängen und macht uns stolz.

Wie weit siehst du den BAK-Jugendbereich in deinen Vorstellungen und was würdest du dir noch wünschen?
Ich habe mit meinem Team 2018 einen Fünf-Jahres-Plan aufgestellt. Neben Benjamin Borth und Doreen Elzakzouk sind unser neu dazu gestoßener Jugendkoordinator Hüseyin Özkaya, unser Sponsoring und Scouting Verantwortlicher Deniz Alatas und Mitarbeiter Julian Eckert ein großer Gewinn für den Verein. Wir befinden uns im Soll und möchten nun sportliche Ziele verfolgen. Wirtschaftlich und strukturell haben wir die Bedingungen dafür bereits geschaffen. Alle wissen was zu tun ist und wohin wir wollen. Wenn die U15 und U17 in die Regionalliga nachziehen, hätten wir all unsere Ziele erreicht. Das Thema Inklusion wird spätestens nach dem Protesttag ein großes Thema werden. Bedanken möchte ich mich bei unserem Präsidenten Mehmet Ali Han. Er hat sein Wort 2018 gehalten und uns arbeiten lassen wie wir wollten. Das war der Grundstein für den Wandel des Berliner AK.

Aufrufe: 020.5.2021, 08:46 Uhr
Marcel PetersAutor