2024-05-17T14:19:24.476Z

Ligabericht
Fehlende Distanz als Problem: Marc Kespohl hatte zu vielen Spielern im Team des Hövelhofer SV einen langjährigen freundschaftlichen Draht. Das wurde ihm im Laufe des negativen Saisonverlaufs zum Verhängnis. Am 24. Spieltag trat Kespohl zurück. F: Heinemann
Fehlende Distanz als Problem: Marc Kespohl hatte zu vielen Spielern im Team des Hövelhofer SV einen langjährigen freundschaftlichen Draht. Das wurde ihm im Laufe des negativen Saisonverlaufs zum Verhängnis. Am 24. Spieltag trat Kespohl zurück. F: Heinemann

In aller Freundschaft fast in den Abgrund gestürzt

Der Landesligist Hövelhofer SV legte eine in vielen Bereichen richtungsweisende Saison hin und schaffte erst am vorletzten Spieltag den Klassenerhalt. Nach dem Rücktritt von Trainer Marc Kespohl hielt das Trio Thieschnieder, Kirchhoff und Brocke den Verein in der Landesliga.

Falls in ein paar Jahrzehnten mal ein Vereinshistoriker auf die Geschichte des Hövelhofer SV zurückblicken sollte, dann wird er die Saison 2015/2016 als Zäsur beschreiben. Eine Zäsur, die den Landesligisten in Kombination mit einer drastischen sportlichen Talfahrt mit Sicherheit auch in seinen Grundfesten verändert hat. Selbst, wenn der Totalschaden am Ende ausblieb.

Fast ein Jahrzehntlang stand sie im Vordergrund, die Familie Hövelhofer SV. Natürlich ging es am Ende eines jeden Spieltages immer um das Ergebnis und am Ende einer Saison stets um den Tabellenplatz. Fast gleichbedeutend war aber auch stets der familiäre Zusammenhalt innerhalb des Teams und innerhalb des Vereins gewesen. Die Spieler und Verantwortlichen unternahmen auch privat sehr viel miteinander. Es entstanden Freundschaften, die weit über den Fußball hinausgingen. Beim HSV war und ist man stolz darauf, auf diese Art und Weise über mehrere Saisons in der Westfalenliga vertreten gewesen zu sein und im letzten Jahr mit dem dritten Tabellenplatz eine sehr gute Rolle in der Landesliga gespielt zu haben. „Das hat sich in dieser Saison nicht grundlegend geändert. Aber, fehlende Distanz kann auch eine negative Seite haben. Wenn es läuft und die Ergebnisse stimmen, dann ist alles in Ordnung. Bei Misserfolg kann es schwer werden. Das haben wir in dieser Spielzeit erleben müssen“, sagt Marcel Thieschnieder. Der 32-Jährige begann die Saison an der Seite von Trainer Marc Kespohl und übernahm nach dessen Rücktritt am 24. Spieltag gemeinsam mit Marko Kirchhoff und Oliver Brocke das Ruder, um den stark abstiegsbedrohten Hövelhofer SV in der Landesliga zu halten. Kirchhoff und Brocke arbeiteten im Stillen, Thieschnieder kümmerte sich auch um die Öffentlichkeitsarbeit. Ihr Projekt Klassenerhalt glückte mit drei Siegen aus fünf Partien. Das zum Sportlichen.

Platz drei in der Vorsaison weckte hohe Erwartungen

Gerade an der Person Kespohl macht sich die anstehende Zäsur beim HSV allerdings fest. Der ehemalige Torwart ist ein Hövelhofer Urgestein, war über zwanzig Jahre lang als Spieler und dann als Trainer für den Verein tätig. In dieser Phase haben sich Freundschaften aufgebaut, zum sportlichen Leiter Stefan Weiß, unter dem Kespohl seine ersten Schritte als Co-Trainer machte. Aber auch zu Spielern, wie eben Thieschnieder, Sven Zimmermann, Philipp Meier oder Matthias Kleinegrauthoff, mit denen Kespohl selbst noch zusammen auf dem Platz um Punkte gekämpft hatte. In der Saison 2014/2015 klappte diese Konstellation hervorragend. Der HSV zerlegte besonders auf dem heimischen Rasen nahezu jeden Gegner und spielte trotz existenzbedrohender finanzieller Probleme des Vereins bis zum Saisonende um den Aufstieg in die Westfalenliga mit. Am Ende stand Tabellenplatz Drei. „Es sprach nichts dagegen, dass es so weiterlaufen würde. Die Vorbereitung war gut, die Spieler waren nicht schlechter. Unter die ersten Sechs wollten wir schon kommen“, so Thieschnieder.

Ein verkorkster Saisonstart wird zur Last

Doch bereits der Start ging in die Hose. Erst am vierten Spieltag holte der HSV durch einen 2:1-Sieg über Eidinghausen-Werste den ersten Sieg. „Da standen wir bereits unter Druck und kamen dann in eine Negativspirale“, gibt Thieschnieder zu. Herausragenden Erfolgen, wie beim 3:2-Sieg über den späteren Tabellendritten SC Verl II oder wie in der Rückrunde beim 2:0 über den BV Bad Lippspringe, standen immer wieder derbe Klatschen gegenüber. So wie beim 0:5 gegen die SpVg Steinhagen, einem 1:4 gegen Suryoye Paderborn, einem 2:5 im Hinspiel gegen den BVL oder einem 1:4 gegen RW Mastholte. „Wir haben nie Konstanz in unser Spiel bekommen. Es war immer ein Auf und Ab. Gerade die jungen Akteure haben sich irgendwann zu viele Gedanken gemacht und sich im Kopf verkrampft. Keiner wollte einen Fehler machen und fabrizierte gerade deshalb welche“, erklärt Thieschnieder. Das der HSV eine talentierte Mannschaft und eigentlich auch ausreichend erfahrene Kräfte zusammen hatte, um eine gute Rolle zu spielen, das stand außer Frage. Doch die vielen individuellen Fehler wurden gnadenlos bestraft. 59 Gegentore sind eine Menge Holz.

Marc Kespohl fehlte die Distanz zum Team

Dazu kam Unzufriedenheit. Bei Spielern, mit denen Kespohl lange befreundet war, bei früheren Leistungsträgern, die er auf die Bank setzen musste, weil sie sich in einem Leistungsloch befanden. Nicht jeder verstand das. Es ist menschlich, dass Kespohl bei solchen Entscheidungen auch mal zögerte, sie und besonders sich und seine Arbeit immer wieder hinterfragte. Aus sportlicher Sicht, wenn es auch einfach mal um eine harte Kante geht, war die fehlende Distanz zwischen Trainer und Team, welche den HSV in der letzten Saison so stark gemacht hatte, der Knackpunkt. Das ist es, was man Kespohl von außen betrachtet im Nachhinein vorwerfen muss. Vielleicht nahm er ein bisschen zu viel Rücksicht, traf ein paar Personalentscheidungen zu spät. Vielleicht war er am Ende selbst zu emotional und zu menschlich mit dem Verein verbunden, um die Abläufe und die eingeschliffenen Mechanismen mit der nötigen Abgeklärtheit analysieren und verändern zu können. Zu viel Herzblut führt manchmal auch in die falsche Richtung. Bereits zur Winterpause war klar, dass der HSV wohl bis zum Sommer hart um den Klassenerhalt würde kämpfen müssen. Es gab Partien, da sah es so aus, als habe das Team – im Winter noch einmal verstärkt durch Bastian Gaube und Oliver Werner, die schnell zu Stammkräften wurden - verstanden, um was es geht. Dann gab es wieder Spiele, in denen nicht klar war, in welcher Welt sich das Team gerade befand. So zum Beispiel beim nahezu kampflosen 1:3 am 18. Spieltag beim SC Peckeloh. Derart aber besonders bei den beiden Niederlagen gegen die direkten Konkurrenten um den Klassenerhalt. Am 23. Spieltag verlor der HSV zuhause mit 2:3 gegen RW Kirchlengern, eine Woche später mit 1:2 beim bereits abgestiegenen SV Höxter. Der HSV hatte den ersten Fuß über den Abgrund gesetzt.

Mit einem Trainertrio zum Klassenerhalt

Kespohl nahm seinen Hut. Thieschnieder, Brocke und Kirchhoff übernahmen, mit dem bekannten positiven Ende. „Wir haben viele Gespräche geführt, auch wir sind mit vielen über den Fußball hinaus befreundet. Trotzdem haben wir ein paar Spielern verbal auch Dinge an den Kopf geworfen und unter dem Strich wieder Lockerheit und Spaß reingebracht. Ein Trainerwechsel führt in jeder Mannschaft der Welt zu einem Impuls, der erst einmal Kräfte freisetzt“, meint Thieschnieder und ergänzt, dass „wir aber auch mit Marc die Klasse gehalten hätten. Davon bin ich überzeugt. Dass es so kam, wie es kam, hat niemand gewollt.“ Ganz weg war Kespohl dann auch nicht vom Team. Er informierte seine ehemalige Mannschaft am vorletzten Spieltag bereits zur Halbzeit, dass Kirchlengern gerade mit 0:6 beim SC Verl II unterging, während der HSV seinerseits durch einen 1:0-Heimsieg über Avenwedde die Klasse hielt.


Mission Klassenerhalt erfüllt: Mit Marko Kirchhoff (l.), Marcel Thieschnieder und Oliver Brocke (r.) holte der HSV drei Siege aus sechs Partien und sicherte sich den Verbleib in der Landesliga. F: Heinemann

Es ist übrigens eine Ironie der Saison, dass der HSV die Landesliga ausgerechnet zu Hause festmachte, denn auf der Waldkampfbahn waren die Hövelhofer in diesem Jahr richtig schwach und holten nur 13 Punkte.

Nun komt der Umbruch mit einem neuen Trainer

Nun steht ein Umbruch an, von dem Thieschnieder glaubt, dass „er genau zur richtigen Zeit kommt. Es wird eine neue Struktur im Team geben, neue Hierarchien und sicherlich wird sich auch im Verein etwas ändern. Der HSV wird nicht seine Menschlichkeit verlieren, aber es wird sich etwas ändern“, ist sich Thieschnieder sicher. Der erfahrene Innenverteidiger spielt ab Sommer ebenso wie Daniel Brökelmann, Sven Zimmermann und Matthias Kleinegrauthoff nur noch in der Reserve, die derzeit in der B-Liga rumdümpelt. Das sind einige Eckpfeiler der letzten erfolgreichen Hövelhofer Jahre. Gerüchteweise soll sich Kespohl dort im Notfall als Torwart zur Verfügung gestellt haben. Somit würde ein kleines Stück von damals bleiben, von den Freunden die miteinander Fußball spielen. In der ersten Mannschaft hält ab Sommer mit dem neuen Trainer Mark Meinhardt ein frischer Wind Einzug. Dazu kommen Neuzugänge ohne direkten Bezug zur Region Hövelhof. Menschlich wird es bleiben, aber eben auch distanzierter.

Die Saisonstatistik des Hövelhofer SV in der Spielzeit 2015/2016

Einsätze (Gesamt/Ein-/Auswechslungen): Dominique Soethe (19/0/0), Jan Partmann (11/0/0), Marius Brummel (23/1/2), Matthias Kleinegrauthoff (22/3/2), Marcel Müller (19/4/0), Pascal Fahl (7/2/2), Marcel Thieschnieder (2/0/1), Maximilian Kaspar (29/0/1), Marcel Kranzioch (22/3/7), Philipp Meier (19/3/4), Tim Stöck (10/1/5), Marvin Siepler (2/2/0), Oliver Brocke (1/1/0), Manuel Mückenhaupt (29/10/7), Daniel Lienen (26/8/5), Tim Dirkes (23/1/5), Willi Lemke (18/3/2), Stefan Elfers (18/7/6), Sven Zimmermann (16/4/5), Oliver Werner (15/1/4), Bastian Gaube (13/0/6), Sebastian Laigle (11/6/3), Alexander Nikolic (6/4/1), Torben Brandy (5/4/1), Frank Seltrecht (26/9/11), Daniel Brökelmann (26/11/8).


Brachte neuen Schwung: Bastian Gaube (r.) wechselte im Winter aus der U23 des SC Paderborn 07 nach Hövelhof. Ebenso kam Olvier Werner vom Ligakonkurrenten BV Bad Lippspringe. Beide setzten Akzente. F: Heinemann

Tore: Daniel Brökelmann, Frank Seltrecht (je 10), Tim Dirkes (7), Daniel Lienen, Marcel Kranzioch, Sven Zimmermann, Oliver Werner, Sebastian Laigle (je 2), Alexander Nikolic, Tim Stöck, Marius Brummel, Maximilian Kaspar (je 1), dazu ein Eigentor


Treffsicher: Daniel Brökelmann netzte insgesamt zehnmal ein. Ebenso oft traf sein Sturmpartner Frank Seltrecht. F: Heinemann

Gelb-Rote-Karten: Marius Brummel, Philipp Meier

Rote Karten: Marius Brummel, Willi Lemke


Langte auch mal zu: Marius Brummel musste zweimal vorzeitig vom Platz. F: Schlichting




Aufrufe: 031.5.2016, 09:00 Uhr
Mark HeinemannAutor