2024-05-02T16:12:49.858Z

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F: Cosgun
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"Ich möchte nicht mit einem zurückgezogenen Team aufhören"

Wolfgang Westerkamp, Ex-Coach des abgemeldeten Bezirksligisten Hedefspor Hattingen, ist zu Gast im "FuPa-Kabinengespräch"

Aktuell genießt Wolfgang Westerkamp nach der Abmeldung seiner ehemaligen Mannschaft Hedefspor Hattingen die freie Zeit. Allerdings will er noch einmal auf die Trainerbank zurückkehren, wie er im "FuPa-Kabinengespräch" erzählt. Darüber hinaus spricht Westerkamp über mögliche Gründe, die die Trennung von der SG Welper im vergangenen Sommer beeinflusst haben könnten und erklärt, warum er eine Stadtauswahl für talentierte Jugendspieler befürworten würde.

Vor rund einem Monat wurde Ihr Team, Hedefspor Hattingen, aus der Bezirksliga 10 abgemeldet. Wie haben Sie auf diese Nachricht reagiert?

Ich war nicht überrascht, weil die Anzeichen schon im Dezember da waren. Allerdings hatte man von Vereinsseite die Hoffnung, noch einige Spieler verpflichten zu können. Das hatte man mir auch mitgeteilt, weswegen ich da noch nicht gesagt habe, dass ich gehe. Wir haben dann abgewartet, aber irgendwann kam das Signal, dass keine Spieler verpflichtet werden und die Mannschaft dementsprechend zurückgezogen wird. So war das Ende nicht ganz überraschend.

Die Abmeldung bedeutete den dritten Abstieg in Serie für Hedefspor. Wissen Sie, wie es jetzt mit dem Verein weitergeht?

Nein, da bin ich ganz raus. Dafür bin ich auch der falsche Ansprechpartner, weil ich nur Angestellter des Vereins war. Die wollten einen Neustart machen, allerdings kenne ich dabei nicht den aktuellen Stand der Dinge. Da habe ich mich ganz rausgenommen.

In der vergangenen Saison führten Sie die SG Welper zum Aufstieg in die Bezirksliga, doch im Sommer wechselten Sie zu Hedefspor. Bereuen Sie diesen Schritt angesichts der Tatsache, dass die SG nun auf dem zweiten Platz liegt?

Welper und ich haben uns damals getrennt, das war so ein bisschen wie bei Thomas Tuchel und Borussia Dortmund. Das möchte ich jetzt jedoch nicht mehr kommentieren, da das schon eine Position zurückliegt. Dabei gibt es überhaupt nichts zu bereuen. Es ist eine ganz andere Geschichte, die hinter mir liegt, aber dennoch von Erfolg gekrönt war. Das ist Schnee von gestern.

Wie sehen Ihre Pläne für Zukunft aus?

Im Moment tut eine kleine Pause nach 20 Jahren als Trainer mal ganz gut. Das genieße ich auch, schließlich habe ich noch andere Hobbys. Trotzdem habe ich mir über die Zukunft Gedanken gemacht. Nach 20 überaus erfolgreichen Jahren denke ich mir, dass ich den Schluss nicht so stehen lassen kann. Von daher finde ich, dass das noch nicht vollendet ist. Ich möchte nicht mit einer Mannschaft aufhören, die zurückgezogen worden ist. Ich fühle mich motiviert, noch einmal eine Aufgabe irgendwo anzunehmen. Dabei muss es aber passen. Wenn man weiß, dass ein Verein ein Ziel oder ein Projekt hat mit einer Mannschaft, die dahinter steht und trainingswillig ist - da arbeitet jeder Trainer gerne. Ich glaube, dass kein Trainer etwas ausrichten kann, wenn er nur sechs, sieben oder acht Spieler beim Training hat. Das ist nie meins gewesen, aber das musste ich in diesem Jahr zum ersten Mal kennenlernen.

Was wäre eine reizvolle Aufgabe?

Man muss ja schauen, was man an Angeboten bekommt. Die ganz hohen Ligen brauche ich in verantwortlicher Position nicht mehr. Mit der TSG Sprockhövel sind wir im Jugendfußball beispielsweise durch ganz Nordrhein-Westfalen gefahren. Das muss ich nicht mehr haben. Die Wege müssen ein bisschen kürzer sein. Aber wenn sich eine Mannschaft wirklich ein Ziel auf die Fahne schreibt und sagt 'wir wollen', dann macht man das auch gerne. Es kann schließlich nicht die Aufgabe des Trainers sein, bei den Spielern 'Bitte, Bitte' zu machen und zu fragen 'habt ihr nicht Lust, in dieser Woche mal zwei- oder dreimal zum Training zu kommen'.

Nun gibt es eine kleine Entscheidungsrunde: Sie wählen den Begriff der am besten zu Ihnen passt und Ihren Vorstellungen vom Fußball entspricht.

- Cattennacio-Abwehrriegel oder Hurrastil?

Keines von beiden. Das richtige ist eher die Mitte dazwischen, weil man mit beidem im modernen Fußball keinen Erfolg hat. Hurra nach vorne geht nicht, denn dann vernachlässigt man die Defensive. So wie der moderne Fußball heute ist, so soll es auch sein. Das Anlaufen vorne ist ja schon der erste Abwehrriegel. Es geht um das Selbstbestimmen, wo und wann ich den Ball haben will. Cattennacio ist 30 Jahre alt und Hurra nach vorne hatten wir in den 80ern. Das ist alles in die Hose gegangen.

- Lieber einen rustikalen Abräumer oder einen dribbelstarken Zehner im Team haben?

Auf den modernen Fußball bezogen, verschwindet die eigentliche Zehnerposition immer mehr. Es gibt einfach zu wenige Typen, es läuft immer mehr auf diese Blockbildung hinaus. Ein Spieler läuft beispielsweise nicht alleine vorne an, sondern es ist eine ganze Gruppe. Daher muss der Abräumer auf der Sechs heute schon sehr spielstark sein. Das sind die Typen, die gebraucht werden. Einen reinen Abräumer gibt es gar nicht. So Leute wie Vidal oder Martinez bei den Bayern sind auch Spielgestalter aus dem defensiven Bereich. Fakt ist, dass die Position im zentralen defensiven Mittelfeld eine der wichtigsten im Team ist. Da sind intelligenten Spieler gefragt. Die hat jeder Trainer natürlich gerne in der Mannschaft.

Trainer mit starker zwischenmenschlicher Bindung zu den Spielern oder eher gewisser Abstand?

Eigentlich hatte ich den meisten meiner Trainerjahre eine enge Bindung zu den Spielern. Zuletzt habe ich in Welper auch bewusst ein bisschen Abstand gehalten. Da habe ich die Entscheidung getroffen, den Abstand zum ersten Mal zu halten, weil wir aufsteigen wollten. Ich habe diesen Schritt so gewählt und für den Erfolg war er auch gut. Allerdings hat die Nähe zu manchen Spielern gefehlt. Vielleicht kam es auch unter anderem deswegen zur Trennung. Mit meinem heutigen Erfahrungsschatz kann ich sagen, dass nicht jeder Akteur damit umgehen kann, wenn ein Trainer zu nah dran ist. Bei den Kreis- oder Bezirksligen machen die Trainer ja teilweise sogar bei Partys mit. Intelligente Spieler verstehen das, blenden es am Spieltag aus und wissen es richtig einzuordenen. Aber nicht jeder Fußballspieler ist so. Daher sollte sich das in etwa die Waage halten. Man sollte nicht zu weit weg und nicht zu nah dran sein. Einen Mannschaftsabend würde ich die Mannschaft beispielsweise immer alleine machen lassen. Ein, zwei Bierchen kann man ja mit den Jungs trinken, aber dann sollte man schauen, dass man weg ist und den Rest nicht mehr sehen will (lacht). Aber auch auf Kreis- und Bezirksliganiveau gibt es unterschiedliche Charaktere. Das muss jeder Trainer für sich selbst entscheiden.

Zum Schluss wagen wir noch einen Blick über den Tellerrand hinaus: Wie bewerten Sie die aktuelle Lage des Amateurfußballs in Hinblick auf die immer größer werdende Schere zwischen Profi- und Amateurfußball?

Es ist ja sichtbar für alle. Ich glaube, dass es für breite Masse der Amateurvereine immer schwieriger wird, stellenweise überhaupt den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Wenn man sieht, was alles gefordert wird , Schiedsrichter stellen, Jugendmannschaften besetzen usw. - die Kosten werden immer höher. Aus meiner Sicht gibt es Städte, in denen sich viel zu viele Vereine tummeln. Jeder soll zwar das Recht darauf haben, einen Verein zu gründen, aber für den zukünftigen Amateurfußball geht es darum, Talente heranzuführen - auch für die Kreisliga A, Bezirksliga und Landesliga. Wenn man sich in Hattingen die Jugendmannschaften ansieht, gibt es überall ein, zwei oder drei gute Fußballspieler. Aber ich vermisse es, dass man daraus ein Paket schnürt. Es soll kein Vorwurf an die Jugendtrainer sein, aber warum sollte man diese Talente nicht in einer Stadtauswahl gemeinsam trainieren lassen? Da kommt am Ende mehr bei raus. In Witten hat man es bei einem Jugendprojekt zwischen 2003 und 2005 vorgemacht. Diese Spieler sind heute erwachsen und Leistungsträger der Wittener Vereine. Das ist durch eine gewisse Förderung passiert. Das Aushängeschild hier in der Umgebung ist sicherlich die TSG Sprockhövel, wo Jahr für Jahr Talente herauskommen. Aber bei den meisten anderen Vereinen stellt sich die Frage: Wie viele A-Jugendliche lässt man bei den Senioren mitmachen? Meiner Meinung nach muss es in der Breite viel mehr Jugendkonzepte geben, um gute Spieler an die Senioren heranzuführen. Dazu kommen die Problematik für viele kleinere Vereine, den Anforderungen des DFB und des Westdeutschen Fußballverbandes gerecht zu werden, und die TV-Übertragung. Bei den Sonntagsspielen krankt auch viel am Amateurfußball, aber das nehmen wir ja schon so hin. Das können wir auch nicht wirklich ändern. So muss jeder Verein einen Weg finden, um damit klarzukommen. Wir alle lieben diesen Sport und deshalb wird es immer irgendwie weitergehen.

Aufrufe: 026.2.2018, 10:00 Uhr
Andreas ArtzAutor