2024-05-24T11:28:31.627Z

Interview
– Foto: Sebastian Köhnke

"Ich machte den ,,Okocha", so begann für mich der Weg"

Lennart Hartmann erlebte als junger Spieler einen steilen Aufstieg, musste aber einen genauso tiefen Fall erleben. Mittlerweile spielt er in der Landesliga und hat seine eigene Fußballschule.

Ein Interview von Marcel Peters - https://www.facebook.com/AmateurberichterstattungMarcelPeters/ - regelmäßig Berichte über Berliner und Brandenburger Amateurfußballer oder Vereine. Gesprächspartner: Lennart Hartmann

Hallo Lennart, am Wochenende haben die Schiedsrichter gestreikt, konntest du die freie Zeit ein wenig genießen?

Ja, durch den spontan Spielausfall blieb dann tatsächlich mal ein bisschen Zeit für die Familie. Sicherlich auch mal ganz schön bei dem ganzen Stress der sonst so anfällt.

Mit dem BFC Preussen hast du dir bereits in der Vorwoche den Platz an der Sonne zurückerobert. Zu diesem Zeitpunkt der Saison eine schöne Momentaufnahme oder schon ein zu erkennender Trend?

Klar ist es immer ein schönes Gefühl ganz oben zu stehen, allerdings erwarten uns in den nächsten Wochen sehr schwere Spiele gegen sicherlich gut eingestellte Mannschaften, die uns alles abverlangen werden. Ob wir zurecht dort oben stehen wird man erst nach diesen Spielen wissen.

Wie sieht es denn mit den internen Zielen aus: steht der Aufstieg auf der Agenda oder will man erstmal gucken wozu man fähig ist und als Mannschaft wachsen?

Zu den internen Zielen möchte ich nicht viel sagen, das müssen andere tun, aber für mich persönlich gehört ein Verein wie der BFC Preußen nicht in die Landesliga.

Ein Spieler mit deinen Qualitäten eigentlich auch nicht. Warum bist du trotzdem dort und nicht zumindest mit Berlin United den Weg in die Berlin-Liga gegangen?

Ich wäre den Weg in die Berlin-Liga mit United mitgegangen, insbesondere nach den anderthalb sehr erfolgreichen Jahren fühlte ich mich dort sehr wohl. Allerdings war es so, dass ich die Fußballschuhe davor eigentlich aus gesundheitlichen Gründen schon an den Nagel gehangen habe. Italia/United gab mir die Chance, auch ohne Training zu spielen und diese einmalige Belastung in der Woche ist für mich machbar und tut mir dazu sogar sehr gut. Als man dann in die Berlin-Liga aufgestiegen war, entschied man sich bei United dazu, nur noch mit Spielern zu arbeiten, die regelmäßig trainieren können. Das kann ich natürlich nachvollziehen, so kam es schlussendlich aber zu dem Abgang und dem Engagement beim BFC Preußen. Das Trainerteam und ich kannten uns schon aus den letzten beiden Jahren und so führte man diese Absprache, auch beim BFC Preussen ohne großen Trainingsaufwand zu spielen, fort.

Warum hattest du die Schuhe zwischenzeitlich an den Nagel gehangen und wie konnte man dich von einer Rückkehr überzeugen?

Die Schmerzen in meiner Hüfte wurden immer schlimmer, die Ausfallzeiten immer länger. Bei einer Untersuchung bei einem Hüftspezialisiten wurde mir mitgeteilt, den Aufwand sofort einzustellen. Mein Vertrag bei der VSG wurde anschließend aufgelöst. Die Ärzte machten eine Einschränkung. Sie erlaubten, solange ich schmerzfrei sei, eine einmalige Belastung. Wie bereits erwähnt kam dann das Angebot von Italia/United, welches mir erlaubte, die Schuhe nochmal vom Nagel zu nehmen.

Als ehemaliger Profi hast natürlich auch einige Erfahrungen sammeln können, wie ist es trotzdem für dich unter einem Weltmeister zu trainieren bzw. zu spielen, nochmal etwas Besonderes?

Grundsätzlich bewerte ich meine Mitmenschen nicht danach, was sie an Erfolgen gefeiert haben, sondern wie sie nach außen hin auftreten und da kann ich ,,Icke" nur in höchsten Tönen loben. Er ist eine tolle Persönlichkeit, der rund um die Uhr für seine Spieler bei allen Problemen erreichbar ist. Nach wie vor gibt es natürlich auch viele Fotowünsche von Kindern, die er alle mit einem Lächeln erfüllt, ich schätze ihn wirklich sehr als Menschen.

Ungeachtet dessen, habe ich natürlich auch allergrößten Respekt vor seiner fußballerischen Vergangenheit und den damit einhergehenden Erfolgen. Wenn so jemand dir Tipps gibt, hört man als Spieler natürlich besonders aufmerksam zu.

Also jüngster Bundesligaprofi der Hertha schien dir auch eine große Karriere bevorzustehen, mehrere Verletzungen und andere Umstände haben diese verhindert. Hast du mittlerweile damit abgeschlossen oder schwingt immer noch ein bisschen Wehmut mit?

Wehmut ist das falsche Wort. Klar, ich sehe viele meiner alten Mitspieler, die heute in der Champions League spielen, Weltmeister geworden sind und ihren großen Traum leben, nichtsdestotrotz sitze ich nicht vor dem Fernseher und beneide sie, sondern freue mich für jeden einzelnen, der es geschafft hat.

Ich für meinen Teil, habe ja auch ein paar Jahre das Leben eines Profifußballers leben dürfen und erinnere mich gerne zurück. Allerdings habe ich, Gott sei Dank, auch relativ schnell den Absprung geschafft als ich gemerkt habe, dass mein Körper dieser Belastung nicht standhält. Ich habe unterhalb der Regelstudienzeit mein Jura-Studium beendet und arbeite heute als Jurist. Daneben habe ich meine eigene Fußballschule eröffnet, was mir erlaubt, den Weg den ich damals gegangen bin, noch einmal über meine Jungs zu durchleben und ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Das gibt mir viel. Ich würde sagen, mein Leben ist heute deutlich vielschichtiger als damals.

Deine eigene Fußballschule eröffnet, wie kam es denn dazu?

Mein Traum war es schon während meiner aktiven Zeit, irgendwann mal eine eigene Fußballschule zu eröffnen und Kindern und Jugendlichen in jungem Alter schon ein professionelles Fußballtraining zu bieten und dass verbunden mit ganz viel Spaß.

Ich erlebe es immer wieder, auf den verschiedenen Plätzen, wie teilweise kleine Kinder in einem Rudel einem Ball hinterherlaufen und sowohl vom Trainer, als auch von den Eltern zusammengebrüllt werden. Was passiert da mit so einem Kind? Wird einem da nicht komplett die Lust an dem Sport genommen?

Also wolltest du es besser machen?

Genau, ich versuche in einem Einzel- bzw. Kleingruppentraining auf ganz individueller Basis den Jungs und Mädels die Liebe für den Ball mitzugeben. Man soll den Kindern und Jugendlichen meine Ausbildung anmerken. Sie sollen balltechnisch und koordinativ schon in jungem Alter auf einem hohen Level sein, so dass sie für alles was auf sie zukommt gut vorbereitet sind. Ich glaube was du bis zur D-Jugend technisch nicht erlernt hast, wirst du auch danach nur noch schwer hinbekommen. ich versuche also vor allem den Grundbaustein zu legen, auf dem wir dann immer weiter aufbauen können.

Wird nur darauf der Fokus gelegt oder umfasst die ganze Thematik noch mehr Aufgabengebiete?

Natürlich kommen aber auch C- B- und A-Jugend Spieler zu mir, diese haben dann natürlich ganz konkrete Wünsche, wo sie sich verbessern wollen und daran versuchen wir dann zusammen zu arbeiten. Daneben kommt natürlich auch nochmal die menschliche Seite dazu. Die Jungs wissen, dass ich den Weg selber gegangen bin und rufen mich bei den verschiedensten Fragen auch immer wieder an, um sich Rat zu holen. Fußball ist mehr als das Leben auf dem Platz. Wenn du etwas werden möchtest, musst du auf vieles verzichten, dein Lebensstil unterscheidet sich erheblich von dem deiner Mitschüler. Damit musst du erstmal klarkommen, an dieser Stelle versuche ich natürlich auch immer eine Art Kummerkasten zu sein. Die Eltern ihrerseits wissen natürlich, dass mir ihre Kinder einfach anders zuhören, als ihnen selber. So sollte ich auch schon häufiger auf Kinder versuchen einzuwirken, dass sie beispielsweise ihre Playstaion weniger nutzen als üblich und sich mehr den schulischen Dingen widmen. Das ist insgesamt also eine wirklich spannende Aufgabe.

Hertha BSC setzt im Jugend- aber auch im Herrenbereich viele ehemalige Profi-Spieler als Trainer ein. Könntest du dir vorstellen später auch den Weg als „richtiger“ Trainer zu gehen?

Grundsätzlich möchte ich mir alles offenhalten und wie sagt man so schön: sag niemals nie. Allerdings bin ich wirklich sehr glücklich mit meiner Unabhängigkeit. Ich kann selber entscheiden, wann wo und wie ich arbeite, das ist ein Stück Freiheit und viel wert.

Welche Tipps kannst du den Jungs abseits vom Fußballplatz geben, auf was muss gefasst sein, und wo sollte man ebenfalls drauf achten, wenn man den Sprung schaffen möchte?

Ich muss wissen was ich möchte. Wenn ich den Sprung ganz nach oben schaffen will, muss ich, wie bereits erwähnt, auf vieles verzichten. ich kann nicht mit meinen Freunden jede Woche um die Häuser ziehen, die Nacht zum Tag machen usw...

Es fängt aber mit ganz selbstverständlichen Dingen wie dem Jahresurlaub an. Als Jugendspieler habe ich so gut wie kaum in den Urlaub fahren können, das ist eben einfach so und muss man so hinnehmen. Du musst alles dem Fußball unterordnen. Wenn du damit nicht leben kannst, solltest du dir nochmal Gedanken machen ob du den richtigen Traum verfolgst.

Weiterhin versuche ich den Jungs immer wieder nahe zu legen, wie wichtig die schule ist und wie wichtig es ist den bestmöglichen Abschluss zu erreichen, dass vergessen viele der Jungs oft. Sie setzen schon früh alles auf eine Karte und wenn dann irgendwann diese eine Verletzung auftritt, stehst du plötzlich da. Ich denke auch nicht, dass das eine das andere ausschließt. Wenn du ehrgeizig im Fußball bist, wieso nicht auch in der Schule. Ich bin da das beste Beispiel, wie schnell alles vorbei sein kann. Außerdem kann dir das auch manchmal den Druck im Fußball nehmen, wenn du weißt, selbst wenn morgen fußballerisch gesehen alles vorbei ist, stehen mir noch ganz viele andere Türen offen.

Kommen wir nochmal zu dir zurück: wo liegen deine Stärken und wie versuchst du sie im Spiel einzubringen?

Ich glaube meine größte Stärke ist, dass ich ein Spiel ganz gut lesen kann und ein Auge dafür habe meine Mitspieler mit einem tödlichen Pass in Szene zu setzen.

An welche besondere Geschichte aus deiner Karriere erinnerst du dich besonders gerne und warum?

Letztendlich ist es die, aus meinem ersten Training bei den Profis: Lucien Favre hatte sich von unserer Mannschaft Spiele angesehen. Ich war 16 Jahre alt, B-Jugendspieler bei Hertha BSC. Plötzlich kam der Anruf meines damaligen Jugendtrainers. Er fragte mich, ob ich früher aus der Schule gehen könnte, Lucien Favre würde mich gerne bei den Profis zum Training sehen. Ich bin nach Hause gerannt hab meine Tasche gepackt und mich in die Bahn gehetzt. Endlich angekommen, trainierten wir das Eins gegen Eins. Ich sollte es vormachen und ich weiß bis heute nicht was mich geritten hat, aber ich machte den ,,Okocha" über meinen Gegenspieler. Wie es der Zufall so wollte, gelang der Trick auch noch. Favre holte mich zum Einzelgespräch und fragte, ob ich nicht morgen auch Zeit hätte. So begann für mich der Weg in den Profifußball.

Bist du Lucien Favre noch heute dankbar, für die Chance, die er dir gegeben hat?

Klar, er war für mich fachlich der beste Trainer, unter dem ich trainieren durfte. Er wusste alles, man hatte das Gefühl er kannte jeden einzelnen Spieler auf der ganzen Welt. Auf jeder Busfahrt, selbst im Flugzeug, hat er sich Spiele aus allen möglichen Ligen angesehen.

Aufrufe: 024.10.2019, 16:09 Uhr
Marcel PetersAutor