2024-06-04T08:56:08.599Z

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Hakan Günaydin macht beim TSV Rudow die Abwehrreihen unsicher.
Hakan Günaydin macht beim TSV Rudow die Abwehrreihen unsicher. – Foto: Frank-Rainer Wagner

"Ich habe durch den Fußball auch eine ganze Menge zurückbekommen"

Hakan Günaydin musste seinen Traum von einer Profi-Karriere frühzeitig, verletzungsbedingt, an den Nagel hängen. Nach der Leidenszeit und dem Erwartungsdruck im Jugendbereich musste er für sich erstmal herausfinden, ob ihm der Fußball noch Spaß macht. Beim TSV Rudow hat er nun einen Verein mit geeignetem Trainer gefunden. Wenn da nicht manchmal die Faulheit und Überheblichkeit wäre...

Ein Interview von Marcel Peters - https://www.facebook.com/AmateurberichterstattungMarcelPeters/ - regelmäßig Berichte über Berliner und Brandenburger Amateurfußballer oder Vereine. Gesprächspartner: Hakan Günaydin
Hakan Günaydin hat sich vor anderthalb Jahren dem TSV Rudow angeschlossen. Der 22-Jährige hat bei den Südberlinern den Spaß am Fußball, den er aufgrund einer langen Verletzungshistorie zwischenzeitlich verloren hatte, wiedergewonnen. Im Interview gibt der Stürmer Einblicke über seine Jugendzeit beim 1.FC Union, redet über seinen Wechsel zum TSV und beschreibt seine Sicht zur Corona-Auszeit.

Hakan, derzeit befinden wir uns wieder im Lockdown. Auch der Ball ruht seit knapp drei Wochen. Gibt es wichtigere Sachen als Fußball oder würdest du schon gerne kicken?

Natürlich würde ich gerne kicken und bereite mich momentan auch gut alleine darauf vor, damit ich sofort bei 100 % bin, wenn es wieder losgeht. Aber meiner Meinung nach gibt es wichtigeres als den Fußball. Sei es die Gesundheit von Freunden, Verwandten oder halt die Eigene. Momentan stehen andere Dinge an erster Stelle.

Gehst du dennoch davon aus, dass in diesem Jahr noch gespielt werden kann?

Ich würde mich auf jeden Fall freuen. Ich gehe davon aus, dass wir zwar irgendwann im Dezember wieder mit dem Training starten, aber spielen ist eher unwahrscheinlich.

Für dich und euch kam die Unterbrechung zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Sowohl du, als auch das Team waren in guter Form. Hat das Team zum Saisonstart erstmal Anlaufzeit benötigt?

Ich glaube zum Teil ja und zum Teil nein. Wir haben diese Saison einige neue Spieler dazubekommen. Einige sind sehr jung und spielen ihr erstes Männerjahr, andere weisen schon eine Menge Erfahrung auf und sind im besten Fußballalter. Ich glaube, wir haben ein bisschen gebraucht um uns auf dem Platz zu verstehen. Auf der anderen Seite hatten wir schon zu Beginn sehr gute Leistungen gezeigt, nur am darauf folgenden Spieltag dann nachgelassen. Unser Problem war also eher konstant gute Leistungen zu zeigen, was wir dann zuletzt als Team auch getan haben.

Ist Mario Reichel, der schon sehr viel Erfahrung sammeln konnte, an der Stelle auch der richtige Trainer, um Konstanz beim Team rein zu bekommen?

Ja ganz klar. Gerade für mich ist er ein idealer Trainer. Wir verstehen uns sehr gut. Ich kann aber auch ab und zu ein bisschen überheblich und faul sein und da macht er es schon gut mich wieder auf den Boden zu holen und mich anzutreiben.

Wie arbeitet er mit dem Team und was sind seine Stärken?

Er hat allgemein ein gutes Verhältnis zu den Spielern und ist sich für ein paar Späße nicht zu schade, kann aber auch mal die Zügel anziehen, wenn er das Gefühl hat, dass wir zu locker drauf sind. Das Beste an ihm als Trainer ist, das man als Team mit allen Ideen zu ihm kann und er sich das genau anhört und mit dir darüber redet und auch mal gemeinsame Entscheidungen fällt.

Wie kommt es, dass man als junger Spieler schon „überheblich und faul“ ist – hat das auch mit der guten Jugendausbildung beim 1.FC Union zu tun?

Die Überheblichkeit kommt meistens nur zu Geltung, wenn wir in einem Spiel schon deutlich führen. Dann mach ich mal ein paar Dribblings und Tricks zu viel. Viele sehen aber auch mein Selbstbewusstsein und Auftreten auf dem Platz als überheblich an, es ist aber ein Teil meiner Spielweise. Die Faulheit kommt eher im Training, wenn wir an technischen Dingen arbeiten, wo ich nicht richtig gefordert werde, das liegt dann natürlich an der guten Jugendausbildung, die ich genossen habe.

Hast du manchmal das Gefühl, das Niveau locker zu packen?

Viele Spieler und Trainer dieser Liga kennen mich noch aus der Jugend und meine Verletzungshistorie und wissen, dass es bei Union oder einem anderen Verein für mehr gereicht hätte. Ich war drei Jahre verletzt und bin nur auf Krücken gelaufen und habe immer noch etwas zu viel auf den Knochen, bin also nicht richtig fit. Ich spiele gerade meine eigentlich erst zweite Männersaison und diese mit einer gewissen Leichtigkeit. Da kann ich mit Selbstbewusstsein sagen, ja das Niveau packe ich locker.

Sind die Verletzungen auch der Grund, warum es jetzt nur für die Berlin-Liga reichte oder gereicht hat?

Nein, eigentlich wollte ich nach meinen Verletzungen gar keinen Fußball mehr spielen. Ich hatte auch irgendwie den Spaß daran verloren. Es waren drei harte Jahre, mit zahlreichen Rückschlägen. Davor hatte ich jahrelang nur in den höchsten Ligen gespielt. Immer mit so viel Ernsthaftigkeit und Erwartungsdruck, dass ich nicht mal mehr wusste, ob mir Fußball überhaupt noch Spaß macht. Ich hatte nach der Genesung ein paar Angebote aus höheren Ligen, doch ich wollte einfach mal wieder aus Spaß und mit Freunden spielen und langsam fit werden. Deswegen entschied ich mich nach guten Gesprächen mit Mario, für Rudow und die Verbandsliga.

Wie geht man als junger Spieler damit um, wenn man merkt, dass durch die vielen Verletzungen einem der große Traum platzt?

Das ist auf jeden Fall ein schwieriger Moment. Man ist über viele Jahre hart am Arbeiten, muss in jungen Jahren auf viele Dinge verzichten und schon sehr früh eine gewisse Reife entwickeln. So eine Verletzung bahnt sich auch nicht an, sondern kommt einfach aus dem nichts. Es trifft einen relativ unerwartet und nimmt dir auf einen Schlag alles weg. Es ist nicht leicht damit klarzukommen doch meine Familie und Freunde waren in der Zeit immer für mich da und haben mir geholfen auch diese schwere Phase zu überstehen. Ich für meinen Teil war dann auch relativ glücklich, dass ich mein Abitur abgeschlossen hatte und mit meinem Studium beginnen konnte.

Rückblickend: würdest du den Weg nochmal so gehen, oder lieber auf weniger verzichten wollen?

Ich würde es immer wieder tun und hoffen, dass ich mich diesmal nicht verletze. Ich habe durch den Fußball auch eine ganze Menge zurückbekommen. Ich habe viele meiner heutigen Freunde beim Fußball kennengelernt, war in sehr vielen Städten in Deutschland und in vielen anderen Ländern die so vielleicht nicht gesehen hätte. Es war eine spannende und aufregende Zeit, die ich für nichts eintauschen würde.

Welche Unterschiede gibt es als Jugendspieler bei einem Bundesligisten und als heutiger Amateur beim TSV – geht es hier mehr um den Fußball als das Geschäft?

Ja ich denke schon das es bei Rudow mehr um den Fußball und die Person an sich geht. Es ist eher ein familiäres Verhältnis. Bei Union hat man hohe Erwartungen an dich die du Woche für Woche und von Training zu Training erfüllen musst. Meiner Meinung nach ist das etwas gerechtfertigt, wenn Profi werden möchtest, aber auch an manchen Stellen übertrieben. Der Aufwand ist auch ein ganz anderer während ich in der U19 manchmal achtmal die Woche Training hatte und am Wochenende z. B. nach Bremen fahren musste, habe ich jetzt bei Rudow nur drei Mal Training und spiele immer in Berlin.

Hast du jetzt, wo du vielleicht noch ein bisschen zu viel auf den Rippen hast, aber dennoch fit bist, die Ambitionen höher anzugreifen als junger Spieler?

Ich bin momentan auf einem guten Weg mein altes Gewicht zu erlangen. Die Corona-Pause kam mir jetzt etwas gelegen, um mal selbst an mir zu arbeiten und explizit aufs Gewicht zu achten. Momentan bin ich glücklich bei Rudow und will erstmal richtig fit werden. Ich bin kein Spieler, der auf der Bank sitzt. Sollte ich nochmal höher angreifen, dann nur, wenn ich wieder bei 100 % bin. Also ja denkbar wäre es.

Woran misst du dich als Stürmer – ausschließlich Tore?

Ich für mich selbst möchte natürlich am liebsten jedes Spiel treffen oder eins vorbereiten. Aber am wichtigsten ist mir, dass ich ein gutes Spiel mache. Dass, wenn ich vom Platz gehe, ich zufrieden lächeln und sagen kann, heute hast du alles gegeben und ein gutes Spiel gemacht. Manchmal braucht das Team dich als Torschützen und manchmal als Arbeiter, der die Bälle vorne festmacht oder die anderen einsetzt. Aber natürlich wird ein Stürmer am Ende der Saison immer an seinen Toren gemessen.
Aufrufe: 020.11.2020, 09:46 Uhr
Marcel PetersAutor