2024-05-24T11:28:31.627Z

Interview der Woche
Foto: System/ Stock.Adobe
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"Haben gekämpft wie Wahnsinnige"

Nachspielzeit mit Marc Franken +++ Trainer des TuS Hochheim blickt zurück auf das sensationelle 3:2 gegen Celtic Worms +++ 0:2 Rückstand nach 88. Minuten noch gedreht +++ Mannschaft wehrt sich mit aller Macht gegen eine katastrophale Vorbereitung und personelle Engpässe

In unserer Interview-Rubrik "Nachspielzeit" befragen wir wöchentlich in lockerem Rahmen interessante Spieler, Trainer oder Persönlichkeiten der Region über ihren Verein und ihre persönlichen Ziele. Heute zu Gast: Marc Franken. Der Trainer des TuS Hochheim blickt mit uns auf die Geschichte des Wochenendes, das größte Comeback seit geraumer Zeit, das sein Team da hinlegt hat. 0:2 lag der B-Klassist im Meisterschaftsspiel gegen Celtic Worms kurz vor Schluss zurück. Am Ende jubelten jedoch nur die Hochheimer, während die Gäste ungläubig vom Feld schlichen. Luca die Stefano (88.), Ricardo Oetken (90+2) und Karsten Kaltenborn (90+5) sorgten für das Rot-Weiße Wunder, das selbst der 47-Jährige erst so richtig tags drauf fassen konnte. Nun würdigt er das Kämpferherz und die Moral seiner Mannschaft.

Marc, was für ein Spiel! Hast du so etwas schon einmal erlebt?
Nein, überhaupt nicht. Das war die Premiere. Natürlich habe ich schon Spiele in letzter Minute gewonnen oder verloren. Das ist dann schon dramatisch, aber nichts im Vergleich zu dem, was wir jetzt erlebt haben.

Was ging dir durch den Kopf, als es zwei Minuten vor dem Schlusspfiff noch 0:2 aus Sicht deiner Mannschaft stand?
Ganz ehrlich? Ich habe schon darüber nachgedacht, wie ich die Jungs nach dem Spiel wieder aufbaue, da hatte der Schiedsrichter noch nicht mal die Nachspielzeit angezeigt. Dann machen wir das 1:2 und ich habe unseren Innenverteidiger Karsten Kaltenborn in den Sturm beordert. Plötzlich fällt das 2:2 und bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte, köpft er den Ball ins Tor, das Spiel war beendet und wir hatten gewonnen.

Wie lange hat es gedauert, bis du das realisiert hast?
Es ist tatsächlich so, dass ich Abends schlechte Laune hatte, weil sich das Spiel wie eine Niederlage angefühlt hat. Eigentlich habe ich erst am nächsten Tag begriffen, was die Mannschaft da Unfassbares geleistet hat.

Diese Saison ist aus eurer Sicht ohnehin äußerst schlecht angelaufen. Fass für uns doch bitte mal die Vorbereitung und den Rundenauftakt zusammen?
Wir hatten in der Tat eine überschaubare bis schlechte Vorbereitung. Wir haben jedes Vorbereitungsspiel verloren, sind im Pokal und in der Wormser Stadtmeisterschaft direkt rausgeflogen. Wir hatten so viele Verletzte und Urlauber, dass wir in der Vorbereitung nicht wie geplant trainieren konnten. Wir müssen derzeit mit einem Minikader auskommen, haben keinen gelernten Stürmer, dafür aber acht (Langzeit-)Verletzte und drei Urlauber. Um die Bank überhaupt besetzen zu können, müssen wir auf die zweite Mannschaft zurückgreifen. Von daher ist eigentlich nichts optimal gelaufen in der Vorbereitung.

Da wirkt das 0:0 zum Auftakt gegen Wiesoppenheim doch gar nicht so schlecht oder?
Naja, wir hatten gefühlt 85. Minuten den Ball gehabt, aber einfach kein Tor zustande gebracht. Die Anstrengungen gingen gegen Celtic Worms nun genau so weiter. Bis zum 0:1 nach wenigen Minuten, hatten nur wir den Ball. Für die zweite Halbzeit hatten wir uns viel vorgenommen und kassieren mit dem ersten Angriff das 0:2.

Dass auch das euch nicht umgeworfen hat, spricht doch für die Moral der Truppe…
Absolut! Die Mannschaft hat die Geduld nicht verloren und wie ich finde auch ein sehr gutes Spiel gemacht. Mein erster Gedanke nach dem 0:2 war auch, dass noch ausreichend Zeit ist und die Tore schon irgendwann fallen werden. Schließlich war Celtic personell auch arg gebeutelt. Aber bis kurz vor Schluss passierte eben nicht mehr viel.

In den letzten sieben Minuten dafür umso mehr. Wie erklärst du dir diese Energieleistung?
Ich hatte die Hoffnung innerlich schon aufgegeben. Aber die Mannschaft hat eine überragende Moral bewiesen, wollten diese Niederlage und das Pech, das wir die ganze Zeit haben, nicht akzeptieren. Die Spieler haben gekämpft wie die Wahnsinnigen und das Tempo gegen Ende des Spiels sogar nochmal gesteigert. Dann stolpern wir irgendwie das 1:2 rein und alles nimmt seinen Lauf. Grundsätzlich wissen alle, dass wir eigentlich eine gute Truppe haben. Etwa die Hälfte hat ja schon Bezirksliga gespielt, aber man muss es eben auch auf den Platz bringen. Dass sie es können, wollten sie nun beweisen und das ist ihnen auch eindrucksvoll gelungen.

Dieses Erlebnis gibt euch doch sicherlich einen Schub?
Natürlich, aber ich kann der Mannschaft ohnehin überhaupt keinen Vorwurf machen. Da ist keiner dabei, der auch nur darüber nachdenkt, die schwierige personelle Situation als Ausrede heranzuziehen. Uns fehlen so viele wichtige Spieler, aber das ist den Jungs alles egal. Die wollen auf den Platz und die Spiele gewinnen. Mit etwas Abstand sage ich: Der Sieg gegen Celtic war für den Kopf überragend, ansonsten sind es drei Punkte für die Tabelle und wie die zustande kamen interessiert in einer Woche niemanden mehr.

Jetzt am Wochenende seid ihr spielfrei, das kommt euch doch sicher entgegen oder?
Definitiv, so kommen wenigstens die Urlauber zurück und wir haben wieder zwei, drei Alternativen mehr. Auch die Lage bei den Verletzen wird sich sicherlich langsam entspannen. Mit tut es einfach nur extrem Leid für die Jungs, die sich nach der Corona-Zwangspause verletzt haben und nun so lange ohne Fußball auskommen müssen.

Welche Ziele setzt ihr euch für diese Saison?
Natürlich wollen wir so lange es geht oben mitspielen und wenn möglich in die Aufstiegsrunde, aber wir haben definitiv nicht den Druck, den da andere Vereine haben. Deshalb lassen wir uns da auch überhaupt nicht aus der Ruhe bringen. Andere Vereine haben schließlich ganz andere Voraussetzungen wie wir. Wir zahlen kein Geld und haben andere Prioritäten. Unser Kader ist im Schnitt vielleicht 23 oder 24 Jahre alt, da steckt noch reichlich Entwicklungspotenzial drin.

Bedeutet der Aufstieg ist irgendwann auch wieder ein Thema?
Wir brauchen nicht eine Saison, in der wir mal gut sind und aufsteigen, um dann in der kommenden Runde in der höheren Klasse unterzugehen. Wir wollen unser Team kontinuierlich aufbauen, damit ein Aufstieg auch irgendwann Sinn ergibt. Das Hauptaugenmerk liegt dabei ganz klar, aus unserer Jugendabteilung zu schöpfen. Das unterscheidet uns von anderen Vereinen, die ihre Spieler bezahlen und so auch mehr Möglichkeiten und größeren Druck haben. Davon halte ich aber nichts. Wir machen weiter unser Ding und versuchen das hier auf eine vernünftige Basis zu stellen. Oben mitspielen können wir trotzdem, da bin ich mir sicher.

Aufrufe: 026.8.2021, 15:30 Uhr
Martin ImruckAutor