2024-06-04T08:56:08.599Z

Allgemeines

Fingerzeig für guten Lauf der Dinge

FUSSBALL Neuformierter VfB 1900 Gießen feiert in Schröck einen beeindruckenden Einstand

GIESSEN - Nach dem ersten Spieltag auf den Lauf der Fußball-Dinge zu schließen, ist sicher verfrüht. Gleichwohl gibt der erste Verbandsliga-Auftritt des neuformierten VfB 1900 Gießen beim FSV Schröck durchaus Fingerzeige, wo die Reise hingehen könnte. Wenn denn der 3:0-Erfolg im Ebsdorfer Grund stilbildend wird, könnte es eine verdammt schöne Reise werden für den Gießener Traditionsverein.

Denn was die Elf von Stefan Hassler am Samstagnachmittag auf der wie von einem Landschaftsmaler in die Natur gepinselte schönen Kunstrasenanlage veranstaltete, war fußballerisch auf ganz hohem Niveau.

Das Spiel hatte Hand und Fuß und den Kopf von Gino Parson, der in seinem dritten Frühling auch mit 35 Jahren seine Bedeutung für die Mannschaft unter Beweis stellte. Und der, so war zu erkennen, noch häufiger eine ähnlich akzentuierte Rolle spielen könnte – denn im Gegensatz zur vergangenen Runde hat er als Führungsfigur und Spielmacher nun gleich mehrfach Entlastung. Parson muss im Zentrum nicht mehr alleine die Bälle fordern, das macht Viktor Riske als sein Pendant gleich mit. Die Last als Spielbeschleuniger- oder auch -verschlepper aktiv zu werden, liegt jetzt nicht mehr nur bei Hasslers Co-Trainer.

Wie die 1900er sich zudem in Geduld übten und den Gegner mit kurzen Pässen über die gesamte Breite des Feldes herauslockten, ehe es dann ruckzuck nach vorne ging, war ebenso beeindruckend wie die Ballsicherheit der gesamten Truppe, die individuell an Qualität ordentlich drauf gesattelt hat. Der VfB 1900 hatte bereits im Vorjahr eine gute Mannschaft, die aber bei weitem nicht so ausgeglichen und vor allem auf einigen Positionen – wie jetzt – doppelt besetzt war.

Das Spiel in Schröck war eine Machtdemonstration, die in ihrer Souveränität nur aus dem Wissen eigener Stärke entspringen kann. Was will man einem Manuel Rasiejewski noch erzählen? Oder auch dem viel jüngeren, aber auch denkbar abgezockten und Hessenliga erfahrenen Kevin Kaguah? Es werden andere Gegner kommen als dieser Aufsteiger, der sicher nicht zu den härtesten Prüfungen zählte, aber dank seiner Disziplin und körperlichen Präsenz durchaus erst einmal bezwungen werden musste. Die Gießener haben an diesem ersten Spieltag ein Ausrufezeichen gesetzt, weil sie den Eindruck vermitteln, selbst das Spiel machen zu können, aber auch Antworten zu haben, wenn der Gegner sie vor Probleme stellt. Das freilich gilt es noch zu beweisen.

Von daher: Ein erster Spieltag ist nur ein erster Spieltag, aber die Mannschaft lässt jetzt schon eine Struktur erkennen, die darauf hinweist, dass die ausgegebene Zielrichtung „um den Titel mitspielen“ keine spinnerte Idee ist. Gino Parson jedenfalls wird sich sicher freuen, in dieser Truppe doch noch einmal auflaufen und mitwirbeln zu können. Dass der Spielführer wieder in der Anfangsformation stand, zeigt tatsächlich sein Format. Er ist weiterhin eine tragende Persönlichkeit bei den 1900ern. Wenn auch nicht mehr derjenige, der am meisten zu sagen hat auf dem Feld. Da tat sich Torhüter Dusan Olujic hervor, der mit klaren Ansagen das Spiel von hinten steuerte, wo vergangene Saison zumeist Parson seine Luft verbrauchte, die er mit 35 Lenzen sinnvoller in die Laufarbeit legt.

18 Jahre ist dagegen Brian Mukasa erst alt, der nach seiner Einwechslung auch sofort zeigte, warum er als eines der größten Talente Mittelhessens gilt. Der in Wieseck ausgebildete Youngster fand gleich den Spielfaden und bereitete das späte dritte Tor mit viel Übersicht von ganz weit hinten mit vor. Eine Augenweide, mit welcher Eleganz, Ballsicherheit und dem Auge für Räume und Mitspieler der junge Mann schon agiert. Der im übrigen eine prima Alternative für die Zentrale ist. Bleibt nur als Wermutstropfen, dass Viktor Riske offenbar Verletzungsprobleme hat, nicht hundert Prozent fit ist. Doch die Bank ist lang, tief und erfahren – Vural, Ott, Binz, Hasan, Mukasa saßen auf der Bank, Mohr, Kusebauch, Schäfer waren – erkrankt oder gesperrt – noch nicht einmal dabei.

Spieler also, die zum Teil im vergangenen Jahr feste Größen waren. Was auf ein Problem verweisen kann, denn die würden wohl in jeder anderen Mannschaft gesetzt sein. Da ist Fingerspitzengefühl gefragt bei Trainer Stefan Hassler und den Verantwortlichen. Das nennt man freilich Luxusproblem. Und über Probleme zu reden – dafür ist es vor dem zweiten Spieltag und nach diesem prima Start dann tatsächlich zu früh.
Aufrufe: 05.8.2014, 11:20 Uhr
Chris NemethAutor