2024-05-08T11:10:30.900Z

Spielbericht
„Mit 90 Prozent gewinnst du in dieser Liga gegen gar keinen“: Christoph Daferner beim 2:1-Hinspielsieg gegen seinen Ex-Verein TSV 1860 (hier Erik Tallig).
„Mit 90 Prozent gewinnst du in dieser Liga gegen gar keinen“: Christoph Daferner beim 2:1-Hinspielsieg gegen seinen Ex-Verein TSV 1860 (hier Erik Tallig). – Foto: MIS

Ex-Löwe Christoph Daferner: „Der Hinspielsieg war unser Knotenlöser“

Eigengewächs des TSV 1860 kehrt zurück ins Grünwalder Stadion

Kraftvoll, treffsicher, in Bayern verwurzelt – auf einen solchen Stürmer treffen die Löwen, wenn an diesem Montag (19 Uhr) Tabellenführer Dynamo Dresden ins Grünwalder Stadion kommt.

Dresden/München – Die Rede ist von Christoph Daferner, 23, der nach seinem Weggang vom TSV 1860 und Stationen beim SC Freiburg und Erzgebirge Aue in Dresden sein sportliches Glück gefunden hat. Das Willkommen-zurück-Interview mit dem gereiften Ex-Junglöwen.

Christoph Daferner, wie viele Aufstiegsgratulanten müssen Sie täglich abwehren?

(lacht) Da kommen schon ein paar zusammen. Im Grunde ging das Gerede ja schon vor der Saison los, dass wir mit unserem Kader sowieso durchmarschieren werden und so weiter. Aber wir haben schnell gemerkt, dass wir uns alles hart erarbeiten müssen. Mit 90 Prozent gewinnst du in dieser Liga gegen gar keinen. Und bei aller Freude über unsere 58 Punkte, es ist nur einer mehr als der Dritte hat. Auf die Relegation wollen wir es nicht ankommen lassen.

Auch der 2:1-Sieg in der Hinrunde gegen 1860 war hart erkämpft. Inwiefern war díeses Spiel die Trendwende für Dynamo?

Im Nachhinein war’s der Knotenlöser, das kann man schon so sagen. Wir waren, glaub ich, Zehnter vor dem Spiel, da war schon richtig Druck drauf. Und dann sind wir ja gegen Sechzig auch noch in Rückstand geraten, bevor der Yannick (Stark) und der Ransy (Ransford Königsdörffer) getroffen haben. Dieser Sieg hat uns zusammengeschweißt, man darf ja nicht vergessen, dass wir eine neu zusammengewürfelte Mannschaft waren.

„Es ist mir nicht leichtgefallen, zu gehen“

Am Montag steigt das Rückspiel in Giesing. Kann man sich auf ein leeres Grünwalder freuen?

Ich freu mich auf jeden Fall auf das Spiel. An die leeren Stadien hat man sich inzwischen gewöhnt, leider, aber Sechzig ist immer was Besonderes. Den Steges (Zeugwart Norbert Stegmann) wiederzusehen, den Dennis (Dressel), den Marco (Hiller) und den Matthew Durrans. Wir müssen natürlich auf uns schauen, es wird ein enges Ding, bei dem Kleinigkeiten entscheiden werden, aber vielleicht geht ja auch danach noch was für Sechzig.

Sie sind 2016 mit der blauen A-Jugend erst im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft an Borussia Dortmund gescheitert und spielten danach für die zweite Mannschaft der Löwen. Nach dem Abstieg der Profis 2017 wechselten Sie zum SC Freiburg. War es damals je eine Option, bei 1860 zu bleiben und mit Daniel Bierofka den Neuanfang in der Regionalliga zu wagen?

Es ist mir auf jeden Fall nicht leichtgefallen, zu gehen, ich hab mich bei Sechzig sehr wohlgefühlt. Aber man muss auch die Umstände berücksichtigen. Ich hatte mir im Herbst 2016 das Kreuzband gerissen und war ein halbes Jahr raus. Durch den Abstieg hat sich mein Vertrag aufgelöst. Und wenn du dann einen Anruf von Christian Streich bekommst, ob du dir einen Wechsel nach Freiburg vorstellen kannst . . .

Sie haben in Freiburg nur ein Bundesligaspiel bestritten, als sie gegen Dortmund für Florian Niederlechner eingewechselt wurden. Was hat im Nachhinein gefehlt zum Durchbruch?

Zuerst mal hab ich lange gebraucht, bis ich nach dem Kreuzbandriss wieder in Tritt gekommen bin. Dann hab ich gemerkt, dass es zwar schon wichtig ist, ehrgeizige Ziele zu haben, aber dass man den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen kann. Ich wollte unbedingt so schnell wie’s geht in die Bundesliga, aber vielleicht war der Schritt einfach noch zu groß. Trotzdem hab ich aus Freiburg vieles mitgenommen, was mir jetzt hilft.

„Ich musste lernen, dass im Fußball nichts wirklich planbar ist“

Zum Beispiel?

Christian Streich hat mir beigebracht, die Nervosität abzulegen, die Ehrfurcht vor den bekannten Namen. Durch die Gespräche mit ihm bin ich viel lockerer geworden, selbstbewusster. Aber auch selbstkritischer im positiven Sinne. Ich musste lernen, dass im Fußball nichts wirklich planbar ist.

Freiburg hat Sie für eine Saison zu Erzgebirge Aue in die 2. Liga verliehen, vor der aktuellen Saison ging’s nach Dresden. Träumen Sie manchmal schon auf Sächsisch?

(lacht laut) Nein, so weit ist es noch nicht. Ich red zwar inzwischen die meiste Zeit Hochdeutsch, aber auch das Bairische ist durch meine Eltern schon noch präsent. Man muss schon wissen, wo man seine Wurzeln hat (Daferner kommt aus Pöttmes im Landkreis Aichach-Friedberg/Red.).

Sportlich haben Sie sich etabliert im Dynamo-Sturm. Zehn Tore, sieben Vorlagen – zufrieden mit der Bilanz?

Schon, ja. Ich denke, dass harte Arbeit irgendwann belohnt wird. Ich hab hier in Dresden von Anfang an das Vertrauen gespürt, das will ich zurückzahlen.

„Ich hab nicht vor, schon wieder zu wechseln“

Die Bild-Zeitung schrieb vergangene Woche von einer Ausstiegsklausel, durch die Sie für 500 000 Euro wechseln könnten. Ist das ein Thema für Sie?

Nein, gar nicht. Ich bin froh, hier zu sein und hab nicht vor, schon wieder zu wechseln. Bei Dynamo hab ich alle Voraussetzungen, erfolgreich zu sein und ich spür auch eine starke Identifikation mit dem Verein. Es bedeutet was, für einen Club wie Dynamo Dresden spielen zu dürfen – für diese Tradition und Masse an Fans, die uns auch in dieser Corona-Zeit wahnsinnig unterstützen. Wenn ich nur an die Derbysiege gegen Rostock und speziell Magdeburg denke. Im Abstand von 50 Metern zwei Kilometer lang sind die Fans an der Bundesstraße in die Stadt rein gestanden, so was hab ich noch nicht erlebt.

Was müsste passieren, damit eine Rückkehr zu 1860 ein Thema wird?

(lacht) Wie gesagt, in dem Geschäft kannst du nicht groß planen. Was weiß ich, was in ein paar Jahren ist? Die Verbundenheit zu Sechzig werde ich immer haben, bei mir daheim gibt es auch einen Haufen Löwenfans. Aber diese romantische Vorstellung, zehn, zwölf Jahre für einen Verein zu spielen, das ist halt in der Realität heutzutage eher die Ausnahme. Oft kannst du es einfach nicht beeinflussen, da gehört auch eine gewisse Kontinuität im Verein dazu. Aber das sich ja bei Sechzig in den letzten Jahren wieder zum Besseren entwickelt. Hoffen wir, dass es so weitergeht.

(Interview: Ludwig Krammer)

Aufrufe: 022.3.2021, 09:44 Uhr
Münchner Merkur / tz / Ludwig KrammerAutor