2024-05-24T11:28:31.627Z

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Seit Sommer 2016 ist Ralph Gunesch für den Streaming-Anbieter DAZN im Einsatz.
Seit Sommer 2016 ist Ralph Gunesch für den Streaming-Anbieter DAZN im Einsatz. – Foto: Imago / Team 2
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„Es gibt Wichtigeres als volle Stadien“

Der in Baesweiler aufgewachsene Ex-Profi Ralph Gunesch sieht in der Corona-Krise Chancen für den Fußball

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Ralph Gunesch (36) ist ein Kind des Fußballs. Vor 19 Jahren feierte er mit Alemannia Aachen sein Debüt im Profibereich, seine Karriere beendete er vor rund fünf Jahren beim FC Ingolstadt – mit seinem zweiten Aufstieg in die Bundesliga. Und heute ist der in Baesweiler aufgewachsene Gunesch ein gefragter Experte, unter anderem für den Streaming-Anbieter DAZN. Im Interview mit Christian Ebener spricht der 36-Jährige über seine Leidenschaft für den Fußball, seine Hoffnung auf Vernunft in der Corona-Krise und darüber, wie die Mainachttradition ihm ein unvergessenes Spiel in Alemannias Jugend bescherte.

Herr Gunesch, Ihre Karriere endete mit dem Bundesliga-Aufstieg in Ingolstadt, wo Sie weiterhin leben und heute im Nachwuchsleistungszentrum arbeiten. Noch ruht der Ball in allen Ligen aufgrund der Corona-Krise. Was machen Sie gerade?

Ralph Gunesch: Ich bin natürlich an den Fußball gebunden. Aktuell versuche ich, mich auch mal um andere Dinge zu kümmern. Die Terrasse ist jetzt so aufgeräumt wie noch nie, und der Hund hat langsam auch keine Lust mehr auf Gassigehen. Wir versuchen im Leistungszentrum die U 16 bei Laune zu halten, aber es ist eine Ungewissheit, weil du auf die Vorgaben der Politik angewiesen bist. Ich versuche, mir ja auch ein Trainerstandbein aufzubauen und habe vergangenes Jahr mit der A-Lizenz begonnen.


Nicht wenige Kollegen und Fans schauen sich jetzt alte Spiele an. Laut Ihrem Twitter-Account haben Sie auch einen Blick in die Vergangenheit geworfen . . .

Gunesch: Das stimmt. Ich habe letztens eine alte VHS-Kassette mit einem Spiel in der U 19 von Alemannia gegen Uerdingen mit 17, 18 Jahren gefunden. Das ist ganz lustig zu sehen und nett, daran erinnert zu werden. Auch der Pokalerfolg mit St. Pauli im Schnee gegen Werder Bremen war schön zu sehen.


Ein A-Jugendspiel ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben.

Gunesch: Wir haben am 1. Mai mit der Alemannia gegen Wattenscheid gespielt. Die SG hatte damals die Altintop-Brüder. Da ich bereits bei den Profis trainierte, gab mir der damalige Sportdirektor Jörg Schmadtke den Auftrag zu helfen, die A-Jugend in der Regionalliga zu halten. In dem Spiel war ein Sieg Pflicht. Nun gibt es den Maibaumbrauch in der Region. Der Opel Astra meiner Mutter, drei Freunde, vier Bäume, etliche Dosen Energydrink – und keine Sekunde Schlaf später war Treffpunkt zum Spiel. 90 Minuten spielte ich gegen Halil Altintop, am Ende stand der 1:0-Sieg. In der Kabine bin ich auf der Massagebank eingeschlafen. Das war furchtbar unprofessionell! Daran sollte sich niemand ein Beispiel nehmen.


Ihrer erfolgreichen Karriere stand das ja nicht im Wege. Sie endete jedoch mit einem Kreuzbandriss abrupt. Sind Sie trotzdem zufrieden, wie es gelaufen ist?

Gunesch: Ich hätte schon noch gerne weitergespielt, aber man kann es sich nicht immer aussuchen. Ich habe schon ein bisschen gebraucht, um das zu akzeptieren, aber ich denke, so geht es allen Profis, die es sich nicht selbst aussuchen konnten.


Die aktuelle Krise stellt den Fußball, aber auch jeden Einzelnen auf eine besondere Probe. Wie halten Sie den Kontakt zu Ihren Freunden und Ihrer Familie in der Region?

Gunesch: Jeder muss irgendwie seine sozialen Kontakte halten. Man versucht zum Beispiel per Videochat zu quatschen. So mussten wir auch unser Aufstiegsjubiläum mit der Mannschaft (FC St. Pauli 2009/2010, Anm. d. Red.) online feiern. Meine Familie rund um meinen Vater lebt ja noch in Setterich. Da halte ich schon zu allen den Kontakt.


Geht Ihr Blick in die Region auch zur Alemannia?

Gunesch: Klar, da schaue ich immer mal hin. Ich war noch vor wenigen Monaten bei einer Veranstaltung der Alemannia. Da habe ich mich tierisch gefreut, Stadionsprecher Robert Moonen wiederzusehen. Generell bleibt man mit einigen Verantwortlichen in Kontakt. Jeder Verein, jedes Unternehmen muss schauen, was es tun kann. Da war auch das virtuelle Duell gegen Rot-Weiss Essen eine gute Idee.


Viele Vereine sind ganz besonders von den Fanemotionen abhängig. Merkt man jetzt, wie wichtig sie sind? Die Bundesliga soll ja am Wochenende mit Geisterspielen wieder starten.

Gunesch: Wir hatten mal ein Geisterspiel mit Ingolstadt in Dresden. Dann fährst du dahin, und da ist nichts. Es ist immer noch Fußball, aber die Fans sind das Gewürz oben drauf, das macht immer Spaß. Ich befürchte, dass wir 2020 keine vollen Stadien mehr sehen werden. Aber es ist nun mal eine sehr außergewöhnliche Situation, bei der wir Geduld beweisen müssen, da es Wichtigeres gibt als volle Stadien. Ich würde gerne im Labor sitzen und ein Gegenmittel finden. Da das aber nicht funktionieren wird, sollten wir auf die Experten und deren Einschätzungen vertrauen.


Für einige Klubs ist diese Krise sehr bedrohlich, Vereine wie der FC Bayern oder RB Leipzig haben dagegen quasi unerschöpfliche Reserven. Sie haben selbst bereits die Auswüchse des modernen Fußballs kritisiert und auch ein Vertragsangebot von RB abgelehnt. Sollten die großen Klubs nun der Basis helfen?

Gunesch: Es wird ja aktuell viel von Solidarität gesprochen, alle in die Pflicht zu nehmen. Wir sollten schauen, weil das eine außergewöhnliche Situation ist, die es so noch nie gab, mal über ein paar Dinge nachzudenken. Es gab ja schon Retterspiele, etwa für St. Pauli oder Union Berlin vor vielen Jahren. Nun ist das eine ganz andere Situation, und kaum jemand hat einen Masterplan. Die Frage ist: Wie kommen wir als Fußball und als Gesellschaft da durch, damit alle, die Teil dessen sind, auch am Ende noch da sind? Das ist eine Herkulesaufgabe, und ich will da keine Empfehlungen aussprechen. Das ist Sache von Medizinern, Epidemiologen, Ökonomen, Psychologen und so weiter. Da sind auch ganz viele Eventualitäten. Und auf den Fußball bezogen: Die Vereine müssen auch das Gefühl vermitteln, immer eine gemeinsame Lösung zu suchen.


Wie sehr freuen Sie sich darauf, wenn Sie mit Freunden endlich wieder selbst auf dem Platz stehen, kommentieren und mit ganzer Kraft im Nachwuchsleistungszentrum arbeiten können?

Gunesch: Seit ich denken kann, besteht mein Leben aus Fußball. Von daher freue mich sehr drauf, wenn die für mich wichtigste der unwichtigen Sachen, nämlich Fußball, wieder losgeht. Ich weiß, dass der Zeitpunkt aktuell und auch die Art und Weise hitzig diskutiert wird. Ich verstehe auch viele der Argumente. Ich vertraue aber auch darauf, dass sich viele schlaue Leute Gedanken da- rüber gemacht haben, was wann wie erlaubt sein wird. Im Fußball und auch außerhalb. Letztlich birgt jede Entscheidung gewisse Risiken, die nur bedingt abzusehen sind. Und ich glaube, dass wir aus der aktuellen Situation auch viele Lehren für die Zukunft ziehen können.


Sie haben sich öfter wohltätig engagiert und sich gegen Homophobie und Rassismus starkgemacht. Haben Sie aktuell etwas geplant, um Menschen zu helfen?

Gunesch: Nicht direkt. Grundsätzlich bin ich absolut beim Solidaritätsgedanken. Jeder muss sich Gedanken machen, wie er helfen kann, denn es geht aktuell um Existenzen. Einer meiner besten Freunde verkauft Kitereisen. Raten Sie mal, wie viele der aktuell verkauft. Aber es gibt viele Möglichkeiten, etwa in der Gastronomie, unkompliziert zu helfen. Da muss man bei seinem Lieblingsrestaurant halt häufiger bestellen.

Aufrufe: 017.5.2020, 06:00 Uhr
Christian Ebener | AZ/ANAutor