2024-05-24T11:28:31.627Z

FuPa Portrait
Kai Wagner mit der Schale: In der MLS schaffte er den großen Durchbruch!
Kai Wagner mit der Schale: In der MLS schaffte er den großen Durchbruch! – Foto: Philadelphia Union

Durchbruch überm Teich

Kai Wagner und sein Weg von den Würzburger Kickers zum MLS-Champion in den USA

Verlinkte Inhalte

„Es ist schon eher ungewöhnlich“, weiß Kai Wagner selbst. „Die MLS wird in Europa als letzte Station für ältere Stars wie Schweinsteiger oder Ibrahimovic, die nochmal etwas anderes sehen und viel Geld verdienen wollen, bezeichnet.“ Bei ihm war das anders: 21 Jahre war er alt, als im Februar 2019 sein Wechsel vom damaligen Drittligisten Würzburger Kickers zu Philadelphia Union publik wurde. „Es war schon ein großer Schritt“, erklärt der Linksverteidiger. Ein ziemlich großer sogar: Immerhin liegen zwischen der Flyeralarm Arena in Würzburg und dem Subaru Park – Wagners neuer Heimstätte – 6.451 Kilometer Luftlinie. Trotzdem, so sagt er heute als frischgebackener Meister der Eastern Conference, war es auch der richtige Schritt.

Dass Kai Wagners Weg in einer 5.000-Seelen-Gemeinde, dem baden-württembergischen Lonsee, begonnen hat, macht sich noch heute bemerkbar: „Ich lebe auch hier in den USA eher ländlich, fernab vom Trubel“, schildert er. Zu Metropolen, wie er sie mit Philadelphia (1,6 Millionen Einwohner) und New York City (8,4 Millionen Einwohner) ganz in der Nähe hat, fehle ihm der Bezug. Trotzdem fühlt er sich wohl – vor allem auch, weil es sportlich läuft. Die Grundlagen für seine Profi-Laufbahn erlernte der heute 23-Jährige bei den Junioren-Teams des SV Lonsee, des SSV Ulm und des FC Augsburg. Auch der Sprung in den Herren-Bereich gelang Wagner problemlos: Erneut in Ulm und später bei der Schalke-Reserve war er sofort Stammkraft. 2017 dann der Wechsel nach Würzburg, wo er in anderthalb Jahren direkt 40 Drittliga-Partien absolvierte.

„Es war eine tolle Phase mit einem schlechten Ende“, blickt er heute auf die Zeit bei den Kickers zurück. Toll deswegen, weil er gesetzt war und überzeugte. Dementsprechend waren die Würzburger drauf und dran den Vertrag, der zum Saison-Ende 2018/19 ausgelaufen wäre, frühzeitig verlängern, „aber ich wollte zunächst auch andere Angebote prüfen. Danach wurde mir die Pistole auf die Brust gesetzt!" Ein halbes Jahr Reservebank habe man ihm am Dallenberg angedroht, für den Linksfuß keine Option! Und da kam Philadelphia-Sportdirektor Ernst Tanner mit seiner Offerte ins Spiel: „Die USA waren sicher nicht meine erste Überlegung“, sagt Wagner, „aber das Angebot war finanziell enorm lukrativ und man hat mir hier einen Weg und eine tolle Spielphilosophie aufgezeigt - das hat alles genau zu mir gepasst.“ Die Entscheidung war gefallen: Noch im Frühjahr 2019 konnte das US-Abenteuer beginnen!

Eingewöhnungszeit benötigte der Linksfuß wieder einmal kaum: „Englisch lernt man durch die Schule gut, das spreche ich inzwischen fließend. Stattdessen fallen mir schon eher deutsche Wörter nicht mehr ein“, lacht er. Und auch auf dem Platz sprachen er und seine Mitspieler schnell die gleiche Sprache – er wurde bald zum Stammspieler. 49 Partien absolvierte er bislang für Philadelphia, „ohne gleich zwei Verletzungen – darunter ein Wadenbeinbruch – wären es wohl noch mehr gewesen.“ Acht Vorlagen und ein Tor, ein satter Linksschuss ins Eck, gelangen ihm dabei – es war sein erster Treffer seit 2016, damals noch in der Oberliga mit dem SSV Ulm.

Von den Würzburger Kickers in die MLS: Kai Wagner ist aktuell voll in Fahrt!
Von den Würzburger Kickers in die MLS: Kai Wagner ist aktuell voll in Fahrt! – Foto: Philadelphia Union

„Generell habe ich mich fußballerisch weiterentwickelt“, meint der Abwehrmann. Nicht zuletzt liege das auch an der Qualität der US-Liga: „Das Level der MLS ist schon gut! Ich denke, es ist etwa zwischen 1. und 2. Bundesliga.“ Ohnehin nehme laut dem gebürtigen Lonseers die Fußball-Begeisterung überm Teich zu – bei wichtigen Spielen waren vor der Corona-Pandemie die 18.500 Plätze des Subaru Parks in Philadelphia vollständig belegt. An die beliebten US-Sportarten reiche das laut Wagner aber noch nicht heran. Football und Basketball verfolgt er selbst, nur mit Baseball kann er wenig anfangen: „Da dauert ein Spiel auch mal fünf Stunden, viel zu lang. Da sitzt man ja den halben Tag im Stadion rum.“

Seine Zeit verbringt der 23-Jährige da lieber mit seiner Familie. Erst im Frühjahr wurde er Papa eines Sohnes: „Das hat mir nochmal Auftrieb gegeben!“, ist er sich sicher. Mit dem Profi-Fußball in den USA lasse sich das Vater-Dasein gut verbinden: „Ich habe meistens vormittags Training und danach frei. Je nachdem, wie der Kleine gelaunt ist, bleibt so sogar noch Zeit für eine Joggingrunde oder Krafttraining.“ An Wagners Seite ist dabei seine Frau Jenny, jüngste Schwester von Pierre-Michel Lasogga. Und mit dem Ex-HSV-Stürmer steht Kai Wagner auch immer wieder in Kontakt. „Wir verstehen uns wirklich gut! Aber in die MLS habe ich ihn noch nicht gelockt“, schmunzelt er.

Allgemein sei das Interesse aus Deutschland am Profi-Leben in den USA aber groß, wie Wagner erklärt: „Immer wieder fragen mich junge Spieler, wie es hier ist, ob ich es ihnen empfehlen kann und ob es ein sinnvoller Wechsel wäre.“ Seine Antwort ist eindeutig: „Ja! Hier wird sehr professionell gearbeitet. Das Training läuft – bei uns zumindest – nicht anders als in Deutschland ab. Das Gelände von Philadelphia ist hingegen schon eine andere Hausnummer als etwa in Würzburg.“ Auch kaum zu vergleichen mit den Kickers: Der Kader in Philadelphia, eine Ansammlung von Spielern aus aller Herren Länder, die trotzdem bestens harmonieren.

Wie gut, zeigt sich auf dem Platz. Neun Heimsiege in Serie hat das Team zwischenzeitlich eingefahren – am Ende reichte es für die Meisterschaft in der Eastern Conference. Jetzt – genauer gesagt am Mittwoch um 2 Uhr deutscher Zeit – geht es in der ersten Play-Off-Runde gegen New England weiter, für Kai Wagner ist es das 50. Pflichtspiel für Philadelphia. „Wir wollen aufs Ganze gehen - ich denke, wir haben schon ordentliche Chancen auf den Gesamtsieg.“ Vermissen wird er dabei die Stimmung, die zu einem so großen Spiel gehört, denn auch in den USA ist der Fan-Einlass Pandemie-bedingt derzeit begrenzt.

Mit seinem linken Fuß hat sich der 23-Jährige nicht nur in Amerika einen Namen gemacht.
Mit seinem linken Fuß hat sich der 23-Jährige nicht nur in Amerika einen Namen gemacht. – Foto: Philadelphia Union

„Corona hat sowieso vieles auf den Kopf gestellt“, so Kai Wagner. Auch für ihn persönlich: Seit Januar hat er seine Familie in Deutschland nicht mehr gesehen. „Die Besuche sind entfallen, wir stehen dafür fast täglich per Video oder Telefon in Kontakt.“ Manchmal da vermisst er seine Verwandtschaft und die Freunde – darunter auch noch der ein oder andere Spieler der Würzburger Kickers: „Ich schaue schon noch, wie sie gespielt haben. Aber nach meiner Zeit hat sich viel getan, ich habe nicht mehr so viel Bezug zu Würzburg.“ Trotzdem verfolgt er nicht nur den Fußball in Deutschland, sondern in allen europäischen Top-Ligen regelmäßig: Die Premier League habe es ihm angetan, die Bundesliga könne laut Wagner hingegen mal wieder einen neuen Deutschen Meister vertragen.

England und Deutschland, das sind auch die Länder, mit denen der Linksverteidiger zuletzt immer wieder in Verbindung gebracht wird. „Es ist mein Ziel, wieder nach Europa zurückzukehren und in einer der Top-Ligen zu spielen“, gibt Wagner zu. Es sei auch schon der Kontakt zum ein oder anderen Scout da. „Trotzdem will ich mich jetzt erst auf die Play-Offs fokussieren, dann schaue ich mal, ob ein lukratives Angebot dabei ist.“ Eine MLS-Meisterschaft wäre sicher keine schlechte Bewerbung für einen zweiten Anlauf in Europa. Wenn es nach Kai Wagner geht, ist sein Durchbruch überm Teich aber nur der Anfang: „Es wäre ein Traum, in der Nationalmannschaft zu spielen – und ich halte es nicht für unmöglich.“

Aufrufe: 024.11.2020, 08:00 Uhr
Kilian AmrheinAutor