2024-05-23T12:47:39.813Z

Ligabericht
Oben auf: Issa Issa jubelte in der Hinrunde so oft wie kein anderer Oberliga-Spieler. Als Stütze dienen Emrah Uzun und Arda Javuz (Nr. 2). Foto: Lothar Strücken
Oben auf: Issa Issa jubelte in der Hinrunde so oft wie kein anderer Oberliga-Spieler. Als Stütze dienen Emrah Uzun und Arda Javuz (Nr. 2). Foto: Lothar Strücken

Die Torfabrik der Oberliga

In Issa Issa und Emrah Uzun führen gleich zwei Spieler des KFC Uerdingen die Torjägerliste der Oberliga Niederrhein an. 34 Mal trafen die beiden vor der Winterpause für den souveränen Tabellenführer

Fußball wird, seit Konrad Koch 1874 den Sport aus England nach Deutschland brachte, von elf Spielern pro Mannschaft bestritten. Manchmal jedoch gibt es aus jenen Elfen mehrere, die mit ihren Leistungen herausragen. In der Hinserie der Oberliga waren dies vor allem zwei Spieler, die auf sich aufmerksam machten: Issa Issa und Emrah Uzun.

Die beiden spielen für den souveränen Herbstmeister und Top-Aufstiegsanwärter zur Regionalliga, den KFC Uerdingen. Zusammen erzielte das Duo 34 Tore in 19 beziehungsweise 20 Spielen, in denen sie auf dem Platz standen. Issa, der Libanese, führt mit 21 Toren die Torjägerliste der Liga deutlich an. Uzun, der Türke, folgt ihm mit 13 Treffern als Zweiter. 34 Tore – mehr schafften lediglich drei andere Teams mit elf Spielern: Neben Uerdingen waren das der VfB Speldorf mit zusammen 38 Toren, Schwarz-Weiß Essen brachte es auf 40 und Ratingen auf 41.

Für den KFC Uerdingen schlagen 53 Treffer zu Buche – und das bei nur einem Dutzend Gegentreffern, was auch für eine prima Abwehr um den aus der ersten griechischen Liga gekommenen Giannis Alexiou und den bislang sehr starken Torwart Sascha Samulewicz spricht.

Doch noch mehr ins Augenmerk sind bislang die beiden Torjäger vom Dienst gefallen. Kleines Kuriosum: Beide kamen von den Sportfreunden Siegen zum KFC. Issa wechselte vor der laufenden Spielzeit nach Krefeld, Uzun kam eine Saison zuvor. Daher spielten die beiden auch in Siegen nicht zusammen.

Auch der übrige Werdegang ist höchst unterschiedlich. Issa, dessen Name aus dem Libanesischen stammt und ins Deutsche übersetzt Jesus bedeutet, wurde 1984 in Beirut geboren. Als er noch ein Steppke war, siedelten seine Eltern nach Deutschland um. Das war 1989, und zunächst war seine Familie staatenlos. „Unsere Pässe und sämtliche Unterlagen unserer Herkunft mussten wir damals zurücklassen“, erzählt Issa. Auch mangelte es an Kenntnissen der deutschen Sprache, und deshalb war die Familie auf Hilfe eines Dolmetschers angewiesen, um im Ruhrgebiet Fuß zu fassen. Der allerdings war aus Ägypten, und weil sie im Libanon viele Namen haben, suchte sich jener Dolmetscher zunächst den falschen aus. Also hieß Issa jahrelang Issam Aledrissi, erst seit acht Jahren trägt der zweifache Vater wieder seinen richtigen, vom Großvater vererbten Namen. „Mein Vater hat jahrelang daran gearbeitet, unsere Unterlagen nach Deutschland zu bekommen“, erzählt Issa, „aber letztlich hat uns der Fußball dabei geholfen.“

Damit begann er 1992 bei einem Verein, gegen den es in diesem Jahr in der Oberliga geht und bei dem unter anderem auch Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff einst das Kicken erlernte: bei Schwarz- Weiß Essen. Und über Schalker und Dortmunder Jugendmannschaften brachte es Issa dann sogar bis ins Nationalteam seines Heimatlandes – allerdings musste die Herkunftsfrage eindeutig geklärt werden. Dazu benötigte er jene verschollen geglaubten Unterlagen, und mit der Aussicht auf eine Karriere im Fußballteam des Landes funktionierte die Herausgabe plötzlich.

Das war im Jahr 2004, und seinerzeit hatte Issa eine Anfrage erhalten, ob er nicht in der Nationalmannschaft des Libanon spielen wolle. „Danach ging es plötzlich ganz schnell mit den Unterlagen“, sagt der 28-Jährige, der daraufhin drei Mal zum Einsatz kam: beim 5:2-Erfolg gegen die Malediven, beim 1:1 gegen Südkorea und beim 0:0 gegen Vietnam. Die drei Partien waren allesamt Spiele in der Qualifikation zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland, die der Libanon jedoch verpasste. Danach war es das wieder mit den Länderspielen – auch, weil sich Issa fortan auf den Vereinsfußball konzentrieren wollte. „Vor zweieinhalb Jahren hatte ich zwar noch mal eine Einladung, aber ich habe abgelehnt, weil ich gerade erst nach Siegen gewechselt war und dort Fuß fassen wollte. Aber wenn jetzt noch mal eine kommt: Ich bin bereit. Für sein Land zu spielen, ist für einen Fußballer einfach das Größte.“ Und wer weiß, vielleicht kommt es noch einmal dazu: Der Libanon hat in Theo Bücker einen deutschen Trainer, und die Nummer 125 der Weltrangliste (Stand Januar 2013) kämpft derzeit mit einem Bestechungsskandal im eigenen Lande, infolge dessen einige sonst zum Stamm zählende Spieler nicht zum Einsatz kommen.

Auch Uzun kommt aus dem Pott. Der Deutsch-Türke begann seine Karriere in der Jugend der DJK Teutonia Schalke-Nord, wurde dann bei Schalke 04 und Rot-Weiss Essen fußballerisch groß, ehe er über die Sportfreunde Siegen zum KFC Uerdingen kam. Sein Einstieg allerdings verlief holprig. Nach einer Verletzung kam er mit ein paar Pfunden zu viel zum KFC, war augenscheinlich nicht vollständig fit, so dass sich manch aufmerksamer Beobachter wohl nicht nur einmal gefragt haben dürfte, wie er denn auf 26 Tore in 57 Einsätzen in Siegen gekommen sein mag. Mittlerweile trifft er öfter, doch so ganz sind seine Kritiker noch nicht verstummt: Uzun rackert zwar viel auf dem Platz, doch stand er bislang doch recht häufig im Abseits und benötigt weiterhin viele Chancen für ein Tor. Dennoch ist er aus der Startaufstellung der Uerdinger derzeit nicht wegzudenken: In jedem der 20 Spiele vor der Winterpause kam Uzun zum Einsatz. Gedankt hat er dies seinem Trainer, Eric van der Luer, mit bislang 13 Treffern – das sind zu diesem Zeitpunkt bereits zwei mehr als in der gesamten vorigen Saison, in der die Uerdinger in der Relegation den Aufstieg in die Regionalliga knapp verpasst hatten.

Der Aufstieg soll nun in diesem Jahr nachgeholt werden. Und angesichts des komfortablen Vorsprungs schon zur Winterpause von 19 Punkten und den vielen hoch überlegen geführten Partien in der Hinserie zweifelt bei den Uerdingern niemand mehr daran – in der Geschäftsstelle gab es neben dem Fan-T-Shirt „Herbstmeister“ bereits zum Weihnachtsgeschäft einen Fanschal mit der Aufschrift „Aufstiegstour“ zu erwerben. Zusätzlich beflügelt auch die Aussicht auf ein neues Stadion, das allerdings noch in ferner Zukunft liegt. Zwar hat ein niederländischer Investor offiziell bei der Stadt Krefeld angefragt, ein Stadion zu bauen, in dem dann der KFC spielen wird, doch bis dazu der erste Spatenstich erfolgen kann, wird noch ziemlich viel des berühmten Wassers den Rhein hinunterfließen.

Kurzfristig aber geht es jetzt um die Regionalliga-Zugehörigkeit. „Ich denke, dass wir den Aufstieg schaffen“, sagt Issa Issa, der mit seinen Treffern auch in der Rückrunde dazu beitragen will, den KFC in jene Spielklasse (zumindest vom Namen her, denn seinerzeit gab es die Dritte Liga noch nicht) zu schießen, aus der er 2005 aufgrund von Verstößen gegen die Lizenzierungsunterlagen des Deutschen Fußball- Bundes (DFB) abgestiegen war. „Aber wenn ich kein Tor mehr mache, und wir am Ende trotzdem Meister sind, soll es mir auch Recht sein. Dann habe ich alles richtig gemacht.“

Diese Worte sprechen auch für den in der Vergangenheit so oft vermissten Teamgeist bei den Uerdingern, den das Trainergespann van der Luer und Ronny Kockel gebildet haben. „Wir sind eine richtige Einheit auf dem Platz. Diese Geschlossenheit macht uns einfach stark“, sagt Issa. „Und es gibt auch niemanden, der herausragt.“ Außer den beiden Ballermännern der Liga eben.

Aufrufe: 01.3.2013, 13:48 Uhr
Oliver SchaulandtAutor