2024-05-24T11:28:31.627Z

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Bezirksspielleiter Ludwig Beer befürchtet einen Imageschaden, Herbert Heidenreich glaubt nicht, dass der Fußball in unserem Land durch den Skandal um die WM 2006 Schaden nimmt, Stefan Roth wundert sich nicht über die Vorwürfe. F: Zink
Bezirksspielleiter Ludwig Beer befürchtet einen Imageschaden, Herbert Heidenreich glaubt nicht, dass der Fußball in unserem Land durch den Skandal um die WM 2006 Schaden nimmt, Stefan Roth wundert sich nicht über die Vorwürfe. F: Zink

"Die Feinde kommen aus den eigenen Reihen"

Funktionäre und Trainer zur Schlammschlacht beim Deutschen Fußball-Bund

Razzia beim DFB und den höchsten deutschen Fußball-Funktionären! Am Dienstag durchsuchten Dutzende Ermitt­ler die DFB-Zentrale in Frankfurt und die Privatanwesen von Niersbach, Zwanziger und Co. Nach 15 Jahren steht die Fußball-WM 2006 in Deutsch­land plötzlich in einem ganz anderen Licht. Es soll, denn Gewissheit hat man noch nicht, geschmiert worden sein bei der Vergabe. 6,7 Millionen Euro seien im Spiel gewesen, die der 2009 verstorbene Unternehmer Robert Louis-Dreyfus zur Verfügung stellte, damit der DFB einen Organisationszu­schuss von der Fifa zur Verwirklichung seines späteren Sommermärchens erhält. Im Brennpunkt stehen der ehe­malige und damalige DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger, der amtierende Präsident Wolfgang Niersbach und der ehemalige Leiter des Bewerbungs­komitees und spätere Leiter des WM-Organisationskomitees, Franz Beckenbauer. Sie geben sich nicht ge­rade vorbildlich.

Wir haben Funktio­näre, Trainer und Spieler befragt. Was war der erste Gedanke, nachdem alles veröffentlicht wurde, von wem ist man am meisten enttäuscht, wie wirkt sich alles auf den Amateurfußball aus? Und: müssen Köpfe rollen?

Ludwig Beer (Bezirkspielleiter): „Dieses Thema ist ein Armutszeugnis für den DFB. Hier sieht man mal, dass Gegner keine Feinde sind, sondern die­se kommen aus den eigenen Reihen. Es ist doch eine Schande, wie in dieser Angelegenheit rumgeeiert wird. Jeder gibt seinen Senf dazu. Alle werden es sicher wissen, wie es gelaufen ist, und jeder lügt. Was der Niersbach auf der Pressekonferenz abgeliefert hat, war so etwas von kläglich. Der Fußball ver­liert seine Glaubwürdigkeit. Hoffent­lich hat es keine Auswirkungen auf unseren beliebten Amateurfußball. Ich hoffe, dass sich alles aufklären lässt, und die Verantwortlichen ihren Hut nehmen. Niersbach ist jedenfalls nicht mehr tragbar, er sollte sofort zurücktreten.“

Gerhard Pech (Bezirks-SR-Obmann): „Ich möchte mich an diesen Spekulationen nicht beteiligen und deshalb auch nichts dazu sagen. Das ist meine Meinung zu diesem Thema.“

Thomas Jäger (Kreisspielleiter NM/Jura): „Endlich! Es ist Zeit ge­worden, dass das jetzt zur Sprache kommt. Über 2002 und 2010 hat man sich ausgelassen, nur 2006 soll nichts gewesen sein. Das ist schon sehr eigen­artig. Ich bin von keiner Person, die da involviert ist, enttäuscht. Ich habe mir allgemein abge­wöhnt, etwas zu glau­ben. Ich will erst alle Fak­ten sehen, bis dahin gilt die Unschuldsvermu­tung. Für die Amateure kann ich sagen, dass eini­ge, mit denen ich gespro­chen habe, richtig entrüs­tet waren. Sie sind abge­kommen von dem Glau­ben von der heilen Welt im Fußball. Es muss Kon­sequenzen haben, das geht gar nicht anders. Ich bin gespannt, wer da noch so alles im Boot sitzt.“

Anton Pfahler (Kreis­sportgericht und vorher Kreisspielleiter NM/Ju­ra): „Es ist eigentlich nor­mal in diesen Kreisen und auch keine so große Überraschung. Man bewirft sich selbst mit Dreck, und Dr. Zwanziger stellt seine ehemaligen Leute an den Pranger. Jetzt löst er auch noch einen wohl bevorstehenden Rechtsstreit aus. Ich bin von ihm schon sehr ent­täuscht. Er, der zum jetzigen Zeit­punkt kein Amt innehat, braucht ja auch nichts zu befürchten. Man kann nur Achtung vor den Amateuren haben, die ja sozusagen die Väter des Fußballsports sind. Was ist daraus geworden? Irre Ablösesummen, die keiner versteht. Ich hoffe, dass uns Wolfgang Niersbach erhalten bleibt, Franz Beckenbauer ist nicht mehr der Strahlemann.“

Thomas Panni (1. Vorsitzender der DJK Schwabach und einer der 24 Kreissieger, die am kommenden Sams­tag in München mit dem BFV-Ehren­amtspreis ausgezeichnet werden): „Das ist doch absolut schlechter Stil, wenn ein ehemaliger Präsident, der bei der WM 2006 im Amt war und dann entlastet wurde, diese Diskussio­nen anschiebt. Klar, dass ich am meis­ten von Dr. Theo Zwanziger ent­täuscht bin. Ich gehe davon aus, dass der DFB alles tun wird, um die Zusam­menhänge aufzuklären. Ich bin mir aber auch sicher, dass es wieder Bau­ernopfer geben wird. Ich hoffe nicht, dass Wolfgang Niersbach, den ich per­sönlich kennen gelernt habe und von dem ich sehr viel halte, dabei sein wird. Dass der Amateur- oder Profi­fußball unter dem ganzen Theater lei­den könnten, daran glaub’ ich eher nicht — die Strukturen unseres Spiel­betriebes sind derart gefestigt, da wird nichts passieren.“

Herbert Heidenreich (ehemaliger Fußball-Profi und aktuell Trainer beim Tabellenzweiten der Landesliga Nordost, dem TSV Kornburg): „Klar, wenn man sieht, was da in der Fifa unter Führung von Präsident Blatter so alles abläuft, muss man schon befürchten, dass da in Verbindung mit dem Sommermärchen 2006 nicht alles koscher abgelaufen ist. Ich ver­stehe die ganzen Diskussionen trotz­dem nicht, zehn Jahre nach dieser tol­len WM, in der wir Deutschen uns der ganzen Welt als sympathische Gastge­ber präsentiert haben, soll jetzt plötz­lich alles schlecht geredet werden. Aber so ist der Deutsche eben — der ausgeprägte Gerechtigkeitssinn ver­zeiht offensichtlich kei­ne Fehler. Auch nicht nach zehn Jahren. Dass der Fußball in unserem Land dadurch Schaden nimmt, glaube ich aller­dings nicht. Es hat in den vergangenen Jahrzehn­ten schon so viele Skan­dale gegeben — und stets hat sich unser schöner Fußballsport immer wie­der durchgesetzt.“

Sandra Hofmann (Kreisspielleiterin für Frauen- und Mädchen­fußball): „Ich widme mich dieser blöden Geschichte gar nicht. Sie ist für mich nicht wich­tig, denn es gibt andere Probleme auf der Welt. Deshalb bin ich auch nicht von irgendjeman­dem enttäuscht. Ich kann für den Amateurbe­reich nur soviel sagen, dass ich in der Hierar­chie im Fußball ganz unten stehe, meine Arbeit mit richtig viel Spaß verrichte, selbstver­ständlich unentgeltlich. Wie das ganze Theater endet, wird die Zukunft zeigen. Ich persönlich weiß es nicht.“

Norbert Lacher (Interimstrainer beim Bezirksligisten TV 21 Büchen­bach): „Das habe ich dem DFB nicht zugetraut und auch nicht erwartet. Ich kann mir das einfach nicht vorstel­len. Da bin ich von Franz Beckenbau­er und Präsident Wolfgang Niersbach schon sehr enttäuscht, sich in solche Machenschaften zu verwickeln. Was sollen denn da die Amateure sagen, die sich Spieltag für Spieltag voll rein­hängen und das Beste geben. Das ist doch ein Irrsinn. Es werden nach mei­ner Ansicht auf jeden Fall Köpfe rol­len, wenn sich noch mehr herausstellt und aufkommt.“

Stefan Roth (Spielertrainer beim Bezirksligisten TSV Greding): „Das war mir schon klar, dass da nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Es ist immer Geld im Spiel, das ist beim DFB so, in der Fifa sowieso. Die schlie­ßen sich nahtlos der Politik an. Es ist zwar in der Gesamtheit beschämend, aber auch wieder normal. Ich bin jetzt beispielsweise von Franz Beckenbau­er nicht enttäuscht, der hat alles getan, um die WM hierher zu holen. Er hat nicht vorsätzlich gehandelt, aber ohne Mauscheleien brauchst du dich gar nicht für so ein Projekt zu bewer­ben. Die Amateure haben den Schwar­zen Peter, denn sie stellen Woche für Woche freiwillig unglaublich viel auf die Beine und müssen diesen Zirkus von der obersten Fußballebene mit ansehen. Ich glaube, dass es am Ende keine Konsequenzen geben wird, ein Kaiser ist nicht antastbar.“

Aufrufe: 04.11.2015, 09:40 Uhr
Gerhard Hillebrand / Roland Jainta (RHV-ST)Autor