2024-05-10T08:19:16.237Z

Spielvorbericht
Die türkische Nationalspielerin Cagla Korkmaz, hier im Länderspiel gegen Deutschlands Mandy Islacker, gehört zu den absoluten Führungsspielerinnen des TSV Schott. 	Foto: dpa
Die türkische Nationalspielerin Cagla Korkmaz, hier im Länderspiel gegen Deutschlands Mandy Islacker, gehört zu den absoluten Führungsspielerinnen des TSV Schott. Foto: dpa

Die Anführerin

CAGLA KORKMAZ: Die 26-Jährige genießt im System des TSV Schott Mainz viele Freiheiten

Mainz. Cagla Korkmaz ist auf dem Spielfeld meistens nicht zu übersehen. Das hat aber nichts mit den körperlichen Attributen der gebürtigen Münchnerin zu tun. Korkmaz ist eher klein und drahtig, ihr Aktionsradius dafür umso größer. Die türkische Nationalspielerin ist vielleicht die wichtigste Akteurin des TSV Schott Mainz in der Zweiten Frauen-Bundesliga. Die Anführerin. Sie genießt viele Freiheiten. „Die nehme ich mir, weil ich durchaus weiß, was ich kann und glaube, der Mannschaft zu helfen“, sagt sie.

Diese Selbstsicherheit hat sie einigen ihrer Mitspielerinnen voraus. Der TSV wirkte zuletzt immer wieder sehr brav. Auch Trainer Stefan von Martinez stellte schon einmal etwas verwundert fest: „Meine Spielerinnen nehmen Sachen sehr gut an. Sie setzen sie manchmal aber etwas zu exakt um.“ Abwartendes Anlaufen? Führt dann schnell mal zu abwartenden Zweikämpfen. Auch die drei Sechserpositionen im neuen 5-3-2-Sytem halten die Akteurinnen oft sehr konservativ. Dort fällt Korkmaz auf. Gerade gegen den 1. FC Köln II erkannte sie in der zweiten Halbzeit die offenen Halb- und Flügelräume auf der linken Seite. Von dort stieß sie entweder zwischen die Reihen oder direkt hinter die Viererkette.

Über München, Berlin und Wolfsburg nach Mainz

An diesen Orten spielt sie ihre überragende Technik aus. Korkmaz funktioniert dort sowohl als klassische Nadelspielerin, die gegen Überzahl den Ball behauptet, aber auch als Dribblerin – wenngleich ihr hier teils die Endgeschwindigkeit abgeht. Ihre Routine holte sie sich bei einer Tour durch Fußball-Deutschland. Das Kicken lernte sie beim FC Wacker München, wechselte von dort über den FC Ingolstadt zum FC Lübars. „Das ist quasi die Frauen-Abteilung von Hertha BSC“, erklärt sie. Über den VfL Wolfsburg II fand sie nun den Weg zu Schott. Auf ihrem Konto stehen außerdem rund 40 Spiele für die türkische Nationalmannschaft, bei der sie vor Kurzem auch zur Spielführerin ernannt wurde.

Die vielen Umzüge bringen für die Fußballerin auch stets berufliche Veränderungen mit sich. „Klar“, sagt sie. „Wir Frauen müssen neben dem Sport auch noch arbeiten. Je nachdem, wo man gerade spielt, mehr oder weniger.“ Die 26-Jährige hat Sport- und Gesundheitswesen studiert, weshalb sie Leistungssport und Job immer recht gut verbinden konnte: „Das ist natürlich ein gewisser Vorteil.“ Auch in ihrer derzeitigen Situation hilft das Fachwissen. Korkmaz spielt schon länger mit angerissenem Kreuzband. Sie trainiert Muskeln und Sehnen gezielt, um die fehlende Stabilität zu gewährleisten. „Ich habe genug Erfahrung, um abzuschätzen, ob das Risiko zu groß ist“, sagt sie. „Ansonsten würde ich auch pausieren.“

In Rheinhessen gut aufgenommen

Korkmaz lebt mit ihrer Freundin im Stadtteil Bretzenheim und erkundet in der Freizeit auch gern die nähere Umgebung. „Insgesamt haben es mir die Mädels aber auch sehr leicht gemacht“, sagt sie. Einen gewissen Vorzug der Region hat sie dabei schon ausgemacht. Obwohl sie als Leistungssportlerin meist auf Alkohol verzichtet, freut sie sich als Münchnerin nach einem Sieg noch immer auf ein kühles Hefeweizen. „Das ziehe ich einem Wein immer vor – auch wenn ich inzwischen durchaus Wein mag.“ Zeit für ein Weizen wäre am Sonntag nach dem Spiel in Andernach. „Aber sicher“, sagt sie. „Das ist ein Pflichtsieg für uns. Sonst geraten wir unter Druck.“ Sie hofft, dass ihre Mitspielerinnen vor allem die Konzentration von der ersten Minute an aufrecht halten können. „Das ist bei uns wirklich ein Problem, und ich habe es so noch nie erlebt“, sagt sie. „Das wird bestraft. Wir können uns das in einer Qulifikations-Saison auch nicht mehr erlauben.“



Schott-Trainer Stefan von Martinez hat sich intensiv auf die Auswärtspartie bei der SG 99 vorbereitet- „Wir kennen Andernach sehr gut, wissen über Taktik, Spielsystem und Besonderheiten Bescheid“, sagt er. Trotzdem will er die Spielerinnen vor der Partie am Sonntag, 14 Uhr, nicht mit Informationen überfrachten: „Wir bereiten sie so vor, dass sie noch befreit ins Spiel gehen können.“ Von Martinez erwartet eine überaus aggressive Mannschaft – allen voran die Ex-Mainzerin Antonia Hornberg, die vor zwei Wochen nach einer Einwechselung binnen zwölf Minuten Gelb-Rot sah. „Man kann schon sagen, dass sie hart, vielleicht sogar überhart in die Zweikämpfe gehen“, urteilt der Schott-Coach.

Er selbst wird gegen Andernach wieder auf das bewährte 5-3-2 setzen. „Unsere Spielerinnen spüren damit viel Sicherheit“, sagt von Martinez. „Außerdem ist es auch gewissermaßen alternativlos.“ Den Mainzerinnen stehen gerade auf den Außenpositionen nur wenige Kandidaten zur Verfügung. So kompensieren die Außenverteidiger diese Kader-Lücke mit weiten Wegen.

SG 99 Andernach
Aufrufe: 03.11.2017, 09:30 Uhr
Carsten ZillmannAutor